ADB:Müelich, Hans
Albrechts V. überhaupt nicht mit einem Künstler, sondern mit einem Anstreicher (Hans Ostendorfer) besetzt wurde. Die äußern Lebensverhältnisse Müelich’s müssen sehr günstig gewesen sein. Die Summen, welche er von dem Herzog für seine Arbeiten erhielt, können in Anbetracht der damaligen Geldverhältnisse enorm genannt werden. Seine allgemeine Bildung war fast gelehrt, seine Erscheinung, welche uns zahlreiche Selbstportraits vergegenwärtigen, diejenige eines feinen Mannes. 1540 muß er bereits seit mindestens einem Jahre verheirathet gewesen sein. In künstlerischer Beziehung ging er aus der Regensburger Schule hervor, entweder als directer Schüler von Altdorfer, oder aus der Werkstatt von dessen Schüler Michael Ostendorfer. Die Frucht seines italienischen Aufenthaltes dessen Zeit wir nicht bestimmen können, war eine reiche Skizzenmappe und auch er wurde von dem gewaltigen Einfluß Michelangelos fortgerissen. In Müelich’s Thätigkeit können wir drei Perioden unterscheiden. In der ersten, welche bis 1545 dauerte, arbeitete er, nachdem er 1539 eine jetzt in Madrid befindliche [441] Kreuzigung gemalt hatte, meistens im Portraitfache. Von den Bildnissen zeichnen sich namentlich das kleine Miniaturselbstportrait im Nationalmuseum zu München (1543) und das lebensgroße Brustbild Albrechts V. in Schleißheim (1545) durch energische, äußerst lebensvolle Charakteristik aus, während sich die meisten andern Portraits nicht über eine gewisse steife Mittelmäßigkeit erheben. Bis zum Ende der fünfziger Jahre währt dann Müelich’s äußerst erfolgreiche Thätigkeit für das Kunstgewerbe. Um das Jahr 1547 entstanden seine köstlichen Entwürfe zu den Prachtrüstungen der französischen Könige Franz I. und Heinrich II. Dieselben befinden sich jetzt, soweit sie überhaupt erhalten sind, im königlichen Kupferstichkabinet zu München und sind zum Theil durch von Hefner-Alteneck herausgegeben worden. Die geistreiche Fülle der ornamentalen Verzierungen, das Anpassen derselben an die gegebene Bestimmung ist wunderbar. Vor 1556 muß auch das Prachtschwert für Kaiser Karl V. entstanden sein, welches der Goldschmidt Ambrosius Gemlich nach Müelich’s Entwürfen ausführte. Von 1546–1555 datiren die großen Pergamentblätter, welche die Hauskleinodien des Herzogs Albrecht V. und seiner Gemahlin Anna von Oesterreich in feinster Miniaturmalerei darstellen (im Besitze Hefner-Alteneck’s). Ihnen tritt ein Band, die kleinern Hauskleinodien darstellend (1552–53 datirt) aus der Staatsbibliothek zu München ergänzend zur Seite. Da einige Zeichnungen Müelich’s als Entwürfe zu den Schmucksachen erhalten sind, ist es sehr wahrscheinlich, daß der größte Theil derselben nach seinen Angaben ausgeführt wurde. An diesen Kunstwerken ist eben so sehr die Genialität des Entwurfes als die Kostbarkeit des Materiales zu bewundern. Der Einfluß, welchen M. durch diese Arbeiten auf das Kunstgewerbe seiner und der folgenden Zeit gehabt hat, ist von großartiger Bedeutung; ihm ist der Aufschwung desselben zu danken. In dieselbe Periode fällt auch der einzige Holzschnitt, zu welchem er die Zeichnung geliefert hat, nämlich die Darstellung der Belagerung von Ingolstadt im J. 1546 (16 große Folioblätter von 1549). Ferner zwei sehr mittelmäßige Portraits der Herzöge Wilhelm IV. und Albrecht V., ersterer skizzenhaft 1550 als Leiche (Nationalmuseum München), letzterer 1555 in ganzer lebensgroßer Figur (Wilhelmsgymnasium). Von 1554 stammt die große Tafel, jetzt in der Frauenkirche zu München, welche das jüngste Gericht nach Michelangelo darstellt. Sie diente ursprünglich als Grabmal für den bairischen Kanzler Leonhard von Eck (Egkh, † 1550). Mit dem Jahre 1559 widmete M. sich gänzlich der decorativen Miniaturmalerei, indem er bis 1570 das Hauptwerk seines Lebens, die illustrirende Ausschmückung dreier Pergamentbände in größtem Folioformat (jetzt auf der Staatsbibliothek zu München), vollendete. Dieselben enthalten die Noten und den Text von Motetten des Cyprian de Rore und von 7 Bußpsalmen und 2 Lobpsalmen des Orlando de Lasso. Das erste Werk umfaßt einen Band, in welchem nur die Anfänge der einzelnen Motetten mit Miniaturen verziert sind, während das zweibändige Psalmenwerk auf jeder Seite mit künstlerischem Schmuck versehen ist. Die einzelnen Seiten haben ein willkürliches, in sich unregelmäßiges Rahmenwerk, welches die Noten mit dem Text umgibt und bald größere, bald kleinere Bilder enthält. Die Formen desselben sind diejenigen der deutschen Renaissance, mit denen sich hin und wieder gothische Elemente in unbefangener Weise vereinigen. Dazwischen hängen reiche Frucht- und Blumenschnüre herab, reizende Putti spielen darin. Nackte menschliche Gestalten, phantastische Fabelwesen tragen die reichen Voluten oder sind auf denselben gelagert. In Nischen stehen ernste Standbilder, die Vögel des Himmels aber und die Thiere des Feldes und Waldes beleben Voluten, Blumen, Früchte und Laub. Ueberall eine Fülle von geistreichen Einfällen, genialen Spielereien mit seinen Beziehungen. Die Bilder, der biblischen Geschichte oder dem heidnischen Sagenkreise entnommen, schließen sich der [442] Gedankenfolge des Textes an, illustriren dieselbe durch Beispiele oder führen sie selbständig weiter aus. Da die Bilder decorativ sein sollen, ist das Hauptgewicht auf die Farbe gelegt. In bunten Costümen bewegen sich die Handelnden, der Hintergrund eröffnet den Blick meist in weite Landschaften. Die Ferne zeigt jene tiefe Bläue, welche der Regensburger Schule eigenthümlich ist. Gold ist wie bei den Ornamenten, so auch bei den Bildern zur Erhöhung des Lichtes nicht gespart. Die Figuren sind in wenigen Strichen durch Farben und nicht durch Linien gezeichnet, oft bringt der Künstler meisterhafte Verkürzungen, meistens aber ist die Zeichnung nachlässig und nur bestrebt die Formen im allgemeinen auszudrücken. Die dargestellte Architectur ist jene phantastische Renaissance, welche bei Altdorfer und vorher bei den Venezianern gebräuchlich ist. Die großen Titel- und Schlußbilder zeigen vorzügliche Portraits des Herzogs und seiner Gemahlin, der Componisten und des Malers, die zu den hervorragendsten Leistungen der Bildnißkunst gehören. Am gelungensten sind die Motetten und der erste Band der Psalmen, weil der Künstler das decorative Princip streng innezuhalten weiß. Die reiche Farbe der ganzen Seite ist von einheitlicher Stimmung, die Gestalten flott und ohne Mühe hingeworfen. Im zweiten Bande tritt das Rahmenwerk mehr zurück, und die einzelnen Bilder wollen selbständig wirken, woran sie aber durch ihren Figurenreichthum, welcher der übersichtlichen Ordnung entbehrt, verhindert werden. Gerade auf diese Darstellungen sind die Schlachtenbilder Altdorfers und seiner Schule von großem Einfluß gewesen. Zu den Bildern und ornamentalen Verzierungen hat der Leibarzt des Herzogs, Samuel Quichelberger einen erläuternden Text geschrieben. Das letzte große Werk Müelich’s (von 1572) ist der Altar in der Frauenkirche zu Ingolstadt; er enthält in einem prächtigen Renaissancerahmenwerk nicht weniger als etwa 90 Darstellungen, welche auf der Predella, den doppelten Flügeln und dem Aufsatz, sowie auf der Rückseite vertheilt sind (veröffentlicht bei Aretin, Alterthümer und Kunstdenkmale des bayrischen Herrscherhauses).
Müelich: Hans M. (Mielich), geb. 1516, † zu München am 10. März 1573. Nicht, wie bisher angegeben Hofmaler des Herzogs, da diese Stelle zur ZeitDie hier gemachten Angaben, welche von den bisherigen vielfach abweichen, stammen aus Specialforschungen des Verfassers, die er in einem eigenen Werke über Müelich niederzulegen beschäftigt ist.