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ADB:Müchler, Johann Georg

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Artikel „Müchler, Johann Georg“ von Daniel Jacoby in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 488–491, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCchler,_Johann_Georg&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 07:01 Uhr UTC)
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Müchler: Johann Georg M., Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, Jugendbekannter Lessing’s, wurde geboren am 23. September 1724 in Drechow in Schwedisch-Pommern. Er besuchte die Schule in Tribsees, dem Geburtsort Spalding’s, studirte seit 1743 in Greifswald, wurde Hauslehrer in mehreren Familien, begab sich dann zu Spalding nach Lassahn, wo Spalding seit 1749 als Pastor wirkte. Durch ihn kam er als Erzieher eines jungen Adligen nach Göttingen und hörte dort noch Vorlesungen. In den fünfziger Jahren lebte er in Berlin, verkehrte mit Lessing, mit Mendelssohn und ihrem gemeinsamen Freunde Georg August v. Breitenbauch, wurde Lehrer am Gymnasium zum grauen Kloster und ging im Herbst 1759 als Professor der lateinischen Sprache, zugleich als Lector der französischen am Collegium Groeningianum nach Stargard. 1773 gab er dieses Amt auf und war Privatgelehrter in Berlin; erst 1784 wurde er Leiter des seit 1730 bestehenden Schindlerischen Waisenhauses als Nachfolger des ersten Directors J. H. Glörfeld: Müchler’s Gönner Spalding, seit 1765 Propst von Berlin und Archidiakon an St. Nicolai, war als solcher auch Curator des Waisenhauses. Bis 1800 verblieb M. in dieser Stellung, in der er sich die Liebe der Zöglinge gewann, daneben war er seit 1785 Professor der lateinischen Sprache an der Militär-Akademie. Das Fest der silbernen Hochzeit feierte er am 31. Juli 1784, wie das Gedicht seines in Stargard 1763 geborenen Sohnes, des fruchtbaren Schriftstellers Karl Müchler (s. A. D. B. XXII, 438 f.) bezeugt: „An unsere Eltern bei ihrer fünfundzwanzigjährigen Verbindungsfeier“. Mit Moses Mendelssohn eröffnete er 1785 eine Subscription zu einer Denksäule mit Bildnissen für Leibniz, Lambert, Sulzer in Berlin. Friedrich der Große genehmigte den Antrag Müchler’s laut Schreiben vom 24. April. Nach Mendelssohn’s Tode wurde besonders auf Betreiben von Archenholz beabsichtigt, auch Mendelssohn zu den drei anderen Philosophen zu gesellen. Nach dem Bericht eines Hessen-Darmstädter Agenten in Berlin 1786, erwiderte Friedrich auf die Bitte Müchler’s, er möge erlauben, daß auch Mendelssohn ein Bildniß erhalte: „Was frägt ihr mich, was geht mir die Einkleidung der Sache an; wisset ihr nicht, daß ich jede Religion und besonders den Gelehrten und Weisen schätze?“ Das Denkmal der vier Philosophen ist nicht errichtet worden. Im J. 1803 war M. zu Gast bei seinem Jugendfreund Breitenbauch in Bucha bei Artern in Thüringen. Seinen Freund Mendelssohn überlebte er noch 33 Jahre: er starb am 9. August 1819.

Lessing rühmte ihn 1755 öffentlich und erwartete wol von ihm mehr für die Zukunft. Aber zu bedeutenden Leistungen hat es M. nicht gebracht, dazu fehlten ihm Schwung und Phantasie; das Auftreten der großen Dichter und Denker wirkte auf ihn nicht ein. Allein seine zahlreichen, den Geist der Zeit spiegelnden Schriften und Uebersetzungen sind für die Kenntniß der Litteratur des 18. Jahrhunderts sehr lehrreich: ich hebe indeß nur die hervor, die ich selbst gesehen habe und die noch heute Interesse erregen oder dem Forscher nützlich sein können.

In Berlin erschien 1755 „Lehrreiche Unterredung eines Vaters mit seinem Sohne über die ersten Gründe der Religion und der Sittenlehre von Mylord D .. nebst einem Anhange Die Religion des Frauenzimmers. Aus dem Französischen übersetzt“. Berlin, Haude & Spener. Das von einem Engländer [489] verfaßte Buch erschien in französischer Sprache Amsterdam 1732. Er will das Christenthum, das an sich die Sanftmuth und den Frieden einflößt, aber die unschuldige Ursache der größten Gewaltthaten gewesen ist, mit der natürlichen Religion in Einklang setzen. Der Verfasser der Religion des Frauenzimmers ist nach Seite 142 Stephens, ein Theolog der englischen Kirche.

Wenn man sich erinnert, wie tiefe Wirkungen das Geschick Abälards und Heloisens im 18. Jahrhundert auf die Litteraten wie auf das deutsche Publicum geübt hat, so wird man das folgende Buch Müchler’s beachten: „Die Geschichte und Briefe des Abelards und der Eloise, in welchen ihr Unglück und die verdrießlichen Folgen ihrer Liebe beschrieben sind nebst einem Gedichte Eloise an Abelard von Alexander Pope. Aus dem Englischen übersetzt“. Berlin und Potsdam, Christian Friedrich Voß, 1755, 244 S. Nach der Erzählung der Schicksale der Liebenden aus dem kritischen Wörterbuch von Pierre Bayle folgen vier Briefe der Heloise, zwei von Abälard, dann die Uebersetzung des Gedichts von Pope. Lessing’s Anzeige dieser Schrift im J. 1755 beginnt mit den Worten: „Es fehlt nicht viel, daß Abälard nicht itzt weit bekannter wegen seiner Liebeshändel als wegen seiner Gelehrsamkeit sein sollte. So ungewiß ist es, wodurch man seinen Namen am sichersten verewigen kann“. Die gegenwärtige Uebersetzung, sagt Lessing am Ende, ist von einem Manne, „auf dessen Geschicklichkeit und Fleiß man sich auch in wichtigeren Proben zu verlassen gelernt hat“. Von dem Gedichte Pope’s rühmt er, es sei alle Zeit für ein Meisterstück in seiner Art erkannt worden. Auch in einem launigen, von Erich Schmidt zuerst veröffentlichten Briefe an seinen Jugendfreund Breitenbauch vom 12. December 1755 weist Lessing neben Moses auf M. als Kenner des Englischen hin. Im folgenden Jahre übersetzte M. „Anfangsgründe der philosophischen Sittenlehre von David Fordyce. Aus dem Englischen übersetzt“. Berlin 1756, Haude & Spener, 400 S. Der Verfasser stellt die Pflichten des Menschen gegen sich selbst, gegen die Gesellschaft, gegen Gott dar, er untersucht die Beweggründe zur Tugend und spricht von der persönlichen Glückseligkeit, vom Dasein Gottes, von der Unsterblichkeit der Seele. – Daß Lessing besonders durch Mendelssohn, aber auch durch eine Abhandlung von James Harris vielfach zu seinem Laokoon angeregt worden ist, haben Herder und Friedrich Schlegel gewußt, in neuer Zeit Wilhelm Dilthey und Erich Schmidt nachdrücklich betont. M. hat die für Lessing nicht weniger als für Mendelssohn bedeutungsvollen Aufsätze von Harris – englisch zuerst London 1744 – zum ersten Male ins Deutsche übertragen: „Drey Abhandlungen die erste über die Kunst, die andere über die Music, Mahlerey und Poesie, die dritte über die Glückseligkeit. Aus dem Englischen von J. Harris“. Danzig 1756, J. Chr. Schuster. – Am 12. Juni 1758 war der älteste Bruder Friedrich’s, der nach der Niederlage bei Kollin die heftige Unzufriedenheit des königlichen Bruders erfahren hatte, in Oranienburg gestorben. In den „Merkwürdigkeiten August Wilhelm’s Prinzen von Preußen“, Frankfurt und Leipzig 1758, gibt M. nur über die militärischen Begebenheiten eingehenden Bericht, ohne die Zwistigkeiten zu erwähnen. Daß aber dem König der frühzeitige Tod des Bruders nahe ging, betont auch M. Ein Jahr darauf veröffentlichte er „Schäfergedichte. Aus dem Englisch-, Französisch- und Italienischen übersetzt“. Berlin und Leipzig 1759, J. H. Rüdiger, 285 S. Auch in diesem für die Kenntniß der Schäferdichtung und Poetik im 18. Jahrhundert nicht unwichtigen Büchlein hat sich M. nicht als Verfasser genannt. Vielleicht hat diese Sammlung Mendelssohn zum Nachdenken über das Wesen des Idylls mit veranlaßt: seine Abhandlung, in der er das Idyll „zuerst wieder auf den Boden des realen Lebens der unmittelbaren Gegenwart zurückführt, aber noch [490] Theokrit, Vergil und Geßner in eine Reihe stellt“ (Netoliczka), erschien 1762 in den „Briefen die neueste Litteratur betreffend“. Müchler’s Sammlung enthält viele Beiträge von Breitenbauch, einige von dessen Gattin; ferner Uebersetzungen der 3., 5., 11. und 12. Ekloge von Jacopo Sannazaro; des „Schäfertrauerspieles“ Dione von John Gray in fünf Aufzügen; mehrerer Eklogen und Gedichte von Antoinette Deshoulières, die wegen ihrer Idyllen und kleinen Gedichte im 17. Jahrhundert als zehnte Muse gefeiert wurde; endlich die Uebersetzung eines „Hirtengesprächs“ bei Gelegenheit des Todes der Malerin und Dichterin Faustina Maratti, der Gattin des Dichters Zappi, eines der Stifter der Akademie der Arkadier.

Während des Aufenthalts in Pommern gab M. nach dem Muster des englischen Zuschauers „Die Musterung, eine Pommersche Wochenschrift“ heraus. Stargard o. J. (1772), 314 S., 52 St. „Alle Sonntage ein halber Bogen für 6 Pfennig.“ „Fast eine jede Provinz Deutschlands hat eine solche Wochenschrift aufzuweisen. In unserm Pommern hat es bisher gänzlich an Schriftstellern gefehlt, die diesen Weg betreten und gesucht hätten.“ Von den Frauen erwartet er, daß sie allenfalls auch solche Wahrheiten, die ihnen mit pommerscher Ehrlichkeit und teutscher Freimüthigkeit gesagt werden möchten, lieber hören und lesen werden als verführerische französische Schmeicheleien und Tändeleien. Der Inhalt der Wochenschrift ist bunt genug: Sittensprüche, z. B. „nicht der Verstand, sondern das Herz macht uns tugendhaft“; „ich habe mehr Ehrfurcht vor einem Menschen, der Menschen kennt, als vor dem, der Bücher kennt“. Neben eingesandten Briefen und Aufsätzen über den Charakter eines guten Bürgers und Handwerkers, über den Spargel, über den Aberglauben, auch eine Abhandlung über Johann Bugenhagen, den Doctor Pommer, endlich höchst mittelmäßige Gedichte und eine längere Geschichte von Stargard. – Als Uebersetzer nannte er sich wieder nicht in dem folgenden Werke „Empfindsame Reisen durch einen Theil der Niederlande von Coriat (so) Junior. Aus dem Englischen übersetzt.“ Erster Theil, Bützow und Wismar 1774, II 1775, III 1777. Der Verfasser des englischen Werkes Samuel Paterson ist nach Allibone (Critical dictionary London 1881 I, 43) ein Nachahmer Sterne’s, nicht Thomas Coryate’s († 1717). Uebrigens schon der Montaigne (II, 10) entlehnte Wahlspruch ist bezeichnend genug: „Ce sont icy mes fantasies par lesquelles je ne tasche point à donner à connoistre les choses mais moi“. In Berlin sorgte M. auf mannichfache Art für Unterhaltung und Belehrung des Publicums. Als dort ein Elephant 1777 gezeigt wurde, gab er eine „Geschichte der Elephanten nebst Abbildung“ Berlin 1777 (o. N.). – Der lernenden Jugend zeigte er sich durch seine praktisch angelegten englischen, französischen und italienischen Lesebücher nützlich. Noch im J. 1840 konnte in Berlin in zehnter, durchaus verbesserter und vermehrter Auflage das von J. L. Ideler bearbeitete französische Lesebuch J. G. Müchler’s erscheinen. Und seine Ausgabe der Henriade avec des notes historiques erlebte 1805 die 3. Auflage zu Berlin. – Für uns wichtiger ist, daß M. seines Freundes Mendelssohn „Kleine philosophische Schriften mit einer Skizze seines Lebens und Charakters von D. Jenisch, Prediger an der Marienkirche“, Berlin 1789, herausgegeben hat. Hier nennt sich M. in der Vorrede mit seinem vollen Namen. Von seinem verewigten Freunde Mendelssohn habe er diese kleinen, größtentheils satirischen und launigen Aufsätze als Beiträge zu einigen periodischen Blättern erhalten, an deren Herausgabe er damals theilgenommen, die jetzt schon längst in Vergessenheit begraben seien. Die zahlreichen Zeitschriften, die M. selbst herausgegeben, oder an denen er mitgearbeitet, lassen sich jetzt nur zum geringsten Theile auftreiben. In dieser Ausgabe aber der Kleinen [491] Schriften des Philosophen findet sich auch seine von Lessing vortrefflich genannte Uebersetzung des Hamletmonologes „Sein oder Nichtsein“, die erste in deutschen Versen; Mendelssohn hat sie 1757 veröffentlicht und später noch sorgsam verbessert, wie der Unterzeichnete eingehend im Shakespeare-Jahrbuch gezeigt hat. – Zuletzt verdient Erwähnung, daß M. eine lateinische Ausgabe des selten gewordenen Werkes von Thomas Ceva „Jesus als Knabe“ veranstaltet hat: „Jesus puer poema Thomae Cevae curante J. G. M. (so) editio novissima“. Berlin mit Vignette 1797, 138 S. gr. 8°. Schon zehn Jahre vorher hatte ein ungenannter Uebersetzer des Gedichtes in deutscher Prosa (Berlin 1787) auf dieses zwar wenig Handlung bietende aber wahrhaft poetische Epos aufmerksam gemacht und eine neue lateinische Ausgabe „eines geschmackvollen Kenners des Schönen“ angekündigt. Ceva selbst setzt sein Werk in die Reihe der komisch-heroischen Gedichte wegen der bald erhabenen, bald gemeinen Personen, die auftreten. Als seine Führer nennt er neben Sannazaro besonders Hieronymus Vida († 1566), dessen „Christias“ Klopstock, wie sein sorgsamer Biograph bemerkt, gekannt hat; im „Messias“ sind auch Anklänge an Vida’s Gedicht zu finden. Eine geschmackvolle Uebersetzung des Gedichtes von Ceva in deutschen Hexametern erschien übrigens erst 25 Jahre nach der Ausgabe Müchler’s von Johann David Müller, Magdeburg 1822: der Uebersetzer hat, wie sein Vorwort bezeugt, sie nicht gekannt.

Goedeke IV, § 222, 15. vom Unterzeichneten. – Schindlerianer-Album. Berlin 1905, S. 15. Das Geburtsjahr Müchler’s S. 52 falsch angegeben. – Karl Müchler, Gedichte, Berlin 1802, S. 90. – Friedrich’s Brief: s. A. Harnack, Geschichte d. Akad. d. Wiss. zu Berlin, 1900. I, 393. Vgl. L. Geiger, Zeitung f. d. Judenthum 1901. – Brief an Breitenbauch: Erich Schmidt, Vierteljahrschr. f. Littgesch. II, 271 f. – Lessing’s Anzeige: Werke, Hempel 12, 603 f. – Harris: s. W. Dilthey, Das Erlebnis und die Dichtung, 1906, S. 30; E. Schmidt, Lessing I ², 499. – Netoliczka, Schäferdichtung und Poetik im 18. Jahrh. Vierteljahrschr. f. Littgesch. II, 74 f. – Shakespeare-Jahrbuch: Der Hamletmonolog III, 1 und Lessing’s Freunde Mendelssohn und Kleist. – Muncker, Klopstock’s Leben, 1900, S. 112.