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ADB:Lynar, Rochus Graf von

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Artikel „Lynar, Rochus Graf von“ von Lionel von Donop in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 733–734, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lynar,_Rochus_Graf_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 08:28 Uhr UTC)
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Lynar: Rochus Guerini Graf zu L., Ingenieur, Architekt, General und Diplomat, Stammvater eines noch blühenden Grafen- und Fürstengeschlechts. Bei ungewöhnlich vielseitigem Streben erscheint er in einem wechselvollen und thatkräftigen Leben den willensstarken Charakteren der italienischen Renaissance verwandt. Als Sprößling eines vornehmen Hauses wurde er am 24. Decbr. 1525 zu Maradia im Florentinischen geboren und gemeinsam mit Cosmo de’ Medici, dem nachmaligen Großherzoge von Toscana erzogen. Am Hofe des Herzogs Alphons I. von Ferrara weiter gebildet, begleitete er in jungen Jahren seinen Vater Giovanni Guerini auf dem Feldzuge Karls V. nach Tunis. Zurückgekehrt trat er in den Hofdienst des Herzogs Alessandro de’ Medici in Florenz, den er verlassen mußte, um vor den Gegnern seines Vaters 1542 aus Italien zu flüchten. Er fand Aufnahme bei dem kunstliebenden Könige Franz I. von Frankreich, der ihn in Würdigung seiner Verdienste zu Kriegs- und Friedenszeiten als Ingenieur und Diplomaten verwendete. Im Jahre 1564 mit Anne de Montot vermählt folgte er, zum Protestantismus übergetreten, beim Ausbruche der Religionskriege 1568 als Feldmarschall dem Pfalzgrafen Johann Casimir von der Pfalz, dem Verbündeten der Hugenotten, nach Heidelberg. In kursächsischen Diensten bot sich ihm Gelegenheit, seinen Wirkungskreis durch Schloßbauten und Verstärkung von Festungsanlagen zu erweitern. Glänzende Anerbieten seiner florentinischen Heimath lehnte er auf Grund seines religiösen Bekenntnisses ab und stellte sich im J. 1578 dem Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg zur Verfügung. Gleichzeitig für die Interessen anderer deutscher Fürsten thätig, genoß er in der Stellung als Staatsmann das volle Vertrauen seines neuen Herrn. Stolz auf den Beruf als Baumeister, den er praktisch wie theoretisch ausübte, erließ er zur Wahrung seiner Ehre im J. 1574 einen denkwürdigen gedruckten Fehdebrief gegen einige von Vorurtheilen befangene deutsche Standesgenossen. Seine architektonischen Schöpfungen, deren Bedeutung in der Kriegsbaukunst nach der technischen und construktiven Seite liegt, sind durchgehends einfach und zweckdienlich gehalten. Der Festungsbau in Spandau, insbesondere die Citadelle auf der Insel, wo die Spree und Havel sich vereinigen, war sein Hauptwerk. Später befestigte er Küstrin und Peitz und betheiligte sich am Bau der Schlösser zu Oranienburg und Grunewald. Als Oberleiter sämmtlicher kurfürstlicher Bauten entfaltete Graf L. bei Erweiterung des Berliner Schloßbaues im Verhältniß zu den Leistungen seiner Vorgänger und Nachfolger eine nur untergeordnete Thätigkeit. Das sogenannte „dritte Haus“, ein hohes zur Trennung der beiden großen Schloßhöfe von 1580 bis 1594 errichtetes Quergebäude entbehrt jeder Gliederung und decorativen Belebung seiner Façaden, läßt aber an dem wuchtigen Mauerwerk und den gewölbten Innenräumen der beiden unteren Geschosse die für L. charakteristische Solidität des Baues erkennen. In der Außen-Architektur entspricht diesem Querbau der hohe und schmale, von Nering durch ein Geschoß erhöhte Flügel, der mit einer Spindeltreppe versehen, der Spree zugekehrt ist. Die eifrigen auf die Förderung und Sicherung der staatlichen Wohlfahrt gerichteten Bestrebungen des Grafen L. galten verschiedenen Gebieten des Kulturlebens seiner Zeit. Zur Hebung einheimischen Kunsthandwerkes und industrieller Zweige zog er fremde Kräfte heran, legte auf Grund eingehender Studien Salz- und Eisenwerke an, verbesserte die Pulverfabrikation, Eisen- und Geschützgießereien und organisirte von Neuem das Waffen- und Munitionswesen in Brandenburg. – Als Zeugniß seiner frommen Gesinnung steht in der Nikolaikirche zu Spandau [734] ein ansehnlicher, durch kräftig stilisirte Formen der italienischen Spätrenaissance hervorragender steinerner Altar mit den von deutscher Künstlerhand aus Stucco hergestellten vortrefflichen Reliefbildnissen des Stifters und seiner Familie, sowie mit den Darstellungen des Abendmahls und des jüngsten Gerichts. Die Weihinschrift datirt vom 17. Juli 1582. In zweiter Ehe mit Margarethe von Thermo vermählt, starb Graf L. am 22. Decbr. 1596 zu Spandau im 71. Lebensjahre. Eine silberne von Dr. J. Friedländer veröffentlichte Medaille vom Jahre 1571 hat gleichfalls sein Porträt und das seiner ersten Gemahlin Anne de Montort bewahrt. Auszüge aus den wichtigen Tagebüchern des Grafen und der Gräfin zu L., welche für die Kenntniß der Sitten und Gebräuche in vornehmen Kreisen jener Zeit von Interesse sind, hat G. W. von Raumer in Ledebur’s Archiv für die Geschichtskunde des preußischen Staates, Bd. XVI mitgetheilt. Eine abschließende, auf archivalischen Quellenstudien beruhende Monographie sowie eine vollständige Publication der Tagebücher mit Commentar ist noch zu erwarten.

Vgl. Zwei Medaillen des Grafen Rochus von Lynar von Dr. Julius Friedländer in Berliner Blätter für Münz-, Siegel- und Wappenkunde, 2. Bd. 1865. S. 341–346. – Der Stiftungsaltar des Grafen Rochus zu Lynar, kurbrandenburgischen Baumeisters, in der Nikolaikirche zu Spandau (1582). Festschrift zum dreihundertsten Gedenktage von Peter Wallé. Mit einer Abbildung des Altars, einem Stammbaum des Grafen und Fürsten zu Lynar und einem Auszuge aus den gräflichen Tagebüchern des 15. Jahrhunderts, Berlin 1882.