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ADB:Lundorp, Michael Caspar

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Artikel „Lundorp, Michael Caspar“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 637–638, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lundorp,_Michael_Caspar&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 07:13 Uhr UTC)
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Lundorp: Michael Caspar L. (nicht Londorp), geb. zu Frankfurt a. M. um das J. 1580 als der Sohn Caspar Lundorp’s, der in der Zeit zwischen 1602 und 1604 als Lehrer am Gymnasium jener Stadt gestorben ist. Auf der gelehrten Schule seiner Vaterstadt vorgebildet, in dem lutherischen Bekenntnisse erzogen, besuchte L. etwa seit 1600 der Reihe nach die Universitäten von Marburg und Wittenberg; ein bestimmtes Fachstudium hat er nicht ergriffen, dagegen sich eine nicht gewöhnliche theologische und philologische Bildung erworben. Im Herbste 1604 treffen wir ihn wieder in Frankfurt, wo er das Jahr darauf am Gymnasium als Lehrer so ziemlich dieselbe Stelle erhielt, die schon sein Vater begleitet hatte. In diesem Jahre hat er die Bekanntschaft Melchior Goldast’s gemacht, der sich seit 1606 in Frankfurt niedergelassen hatte; er hat sich mit ihm zu der Vorbereitung einer Ausgabe des Petronius vereinigt, die 1610 wirklich erschienen ist und welcher er unter dem Pseudonym „Erhardus Georgios Francus“ als Anhang die sog. Ὁμολογουμενα, d. h. allerlei auf den Dichter bezügliche Notizen beigefügt hat. Diese Beschäftigung vielleicht, gewiß aber seine nicht für genügend befundene Verwaltung des ihm anvertrauten Lehramtes hatte bereits im J. 1607 seine Enthebung von demselben zur Folge, die er vergeblich ungeschehen zu machen versuchte. So sah er sich plötzlich aus Amt und Brot geworfen, ein Verlegenheit, der er gerne (1614) durch die Errichtung einer deutschen Schule ausgewichen wäre. Aber auch hierzu versagte ihm der Rath der Stadt die Erlaubniß, während Goldast 1611 für einige Zeit nach Weimar übersiedelte und so viel man sehen kann, auch später sich nicht mehr um seinen Mitarbeiter bekümmert hat. So sah sich L. denn auf sich allein angewiesen und beschloß, um sein Leben zu fristen, unter die Schriftsteller zu gehen. Er wurde Historiker, Publicist und Journalist und hat namentlich in letzterer Richtung noch ungefähr zwanzig Jahre lang eine äußerst fruchtbare Thätigkeit entwickelt, da er gezwungen war, in rascher Vielschreiberei den Bedürfnissen des Tages, den Aufträgen seiner Verleger und allenfalls den Wünschen einiger Gönner zu dienen. Es mag wohl sein, daß zugleich seine eigene Neigung und die Anlage seines Geistes eine litterarische Wirksamkeit der Art nicht unwesentlich unterstützt haben. Dazu kam dann aber allerdings noch ein weiterer entscheidender Umstand. Der Buchhandel Frankfurts hatte sich im Anschluß an die beiden großen Messen so ungemein mächtig entwickelt, daß die Stadt in dieser Beziehung zur Zeit den Vorrang vor allen anderen im Reiche einnahm. Neben dem specifisch buchhändlerischen Geschäfte hatte das Flugschriften- und Zeitungswesen einen gewaltigen Aufschwung genommen und beschäftigte eine achtbare Anzahl von Federn und Druckern. So kamen die Verhältnisse einem Mann von Lundorp’s Art einladend entgegen und erleichterten es ihm bis auf einen [638] gewissen Grad, aus der Noth eine Tugend zu machen. Von historischen Schriften Lundorp’s ist allein die „Continuatio Sleidani in 3 Bänden von 1556 bis 1609 reichend, zu nennen; sie ist jedoch nicht viel mehr als eine ziemlich gewöhnliche Compilation, die neuerdings als eine solche vollständig nachgewiesen worden ist. Viel reicher ist seine journalistisch-publicistische Thätigkeit. Zunächst hat er sich als Mitarbeiter an den lateinischen Meßrelationen betheiligt, die im Verlage zuerst von Paul Brachfeld, dann von Sigismund Latomus in den Jahren 1599 bis 1626 erschienen. Jedoch schon in den Jahren 1620 und 1621 hat er eine selbständige ähnliche Sammlung geschriebener und gedruckter Zeitungen unter dem Namen „Mercurius Austri-Bohemo Germanicus“ in je einem Bändchen veranstaltet. Zu gleicher Zeit von 1621–1623, ließ er in deutscher Sprache sein „Bellum Sexennale-Germanicum“ in 3 Theilen erscheinen, welches auf Grund mitgetheilter Flugschriften und Zeitungen die ersten Jahre des großen Krieges beschreibt. Das merkwürdige an allen diesen Publicationen Lundorp’s ist, daß sie von einer streng kaiserlich habsburgischen Haltung getragen sind, was bei dem guten Lutheraner, der er sein will, freilich auffallen muß, jedoch durch die Abhängigkeit solcher Lohnschriftstellerei vor der Frankfurter Censur und der Aengstlichkeit der Verleger sich hinlänglich erklärt, zugleich aber ein unerfreuliches Licht auf die wenig würdige Stellung einer solchen Art von Thätigkeit wirft. Den vergleichungsweise nachhaltigsten Namen hat sich L. durch die Herausgabe der sog. Acta publica gemacht, die er in den Jahren 1611–1625 veröffentlichte und die noch eine Ergänzung und neue Ausgabe gefunden hat. Sie sollte eine Urkundensammlung zur Zeitgeschichte sein, ein Seitenstück zu Hortleder’s berühmtem Urkundenwerk über den schmalkaldischen Krieg. Freilich sind es nicht Archivalien, die L. hier zu Tage fördert, sondern Flugblätter und Broschüren, welche auch Actenstücke enthielten, die aber kritiklos zusammengerafft erscheinen. Der kaiserlich-katholische Charakter ist in diesem Sammelwerke Lundorp’s deutlicher ausgesprochen als sonst und hat nicht verfehlt, von der gegnerischen Seite heftigen und nicht unverdienten Widerspruch hervorzurufen. Auf Rosen hat L. die ganze Zeit über überhaupt nicht gelegen, diese Art Tagesschriftstellerei vermochte trotz aller Rührigkeit ihren Mann nur unzureichend zu ernähren. Ob das Haus Habsburg sich ihm für die gut kaiserliche Haltung seiner Publicationen erkenntlich erwies, wissen wir nicht; von dem Darmstädter und Dresdener Hof scheint er für seine schmeichlerischen Ergüsse nicht ohne klingende Vergeltung zu sein. Die verschiedenen, wohl überlegten Dedicationen seiner verschiedenen Sammelwerke sind offenbar nicht ohne die beabsichtigte Wirkung geblieben und mußten nach der Sitte der Zeit das dürftige Autorenhonorar aufbessern. Die zweite Ausgabe der Acta publica hat L. übrigens nur in Angriff nehmen können, er ist noch vor Durchführung am 24. September 1629 gestorben. Was also nach diesem Zeitpunkt an Schriften unter seinem Namen erschien – und es war das verschiedenes – rührt nicht von ihm her.

Ernst Fischer, M. C. Lundorp, der Herausgeber der Acta publica, Berlin 1870.