Zum Inhalt springen

ADB:Ludewig, Johann Peter von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Ludewig, Johann Peter von“ von Reinhold Koser in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 379–381, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludewig,_Johann_Peter_von&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:04 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Ludger (Verweisung)
Band 19 (1884), S. 379–381 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Peter von Ludewig in der Wikipedia
Johann Peter von Ludewig in Wikidata
GND-Nummer 11952452X
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|19|379|381|Ludewig, Johann Peter von|Reinhold Koser|ADB:Ludewig, Johann Peter von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11952452X}}    

Ludewig: Johann Peter v. L., geb. am 15. August 1668 (nicht 1670) zu Hohenhard bei Schwäbisch-Hall, † am 7. September 1743 zu Halle a. d. S. Dem Soldatenstand, zu dem der Vater, Amtmann zu Hohenhard, ihn bestimmt hatte, zog er das Studium der Theologie zu Tübingen (seit 1688) vor, von wo er nach kurzer Zeit nach Wittenberg übersiedelte. Dort erwarb er den Magistergrad und hielt schon 1689 Vorlesungen. Gleich bei der Gründung der Universität habilitirte er sich in Halle auf Veranlassung Stryck’s, der ihn aus Wittenberg mit sich zog, als Privatdocent für Geschichte und Philosophie. 1695 erhielt er eine Professur der theoretischen Philosophie, 1703 trat ihm Cellarius den Lehrstuhl der Geschichte ab, seit 1705 nahm er, das Jahr zuvor zum Doctor der Rechte promovirt, eine juristische Professur ein. Ueber ein halbes Jahrhundert an der neuen preußischen Hochschule als überaus fleißiger Lehrer thätig, galt L. nach dem Ableben seines Gönners Stryck und seiner gelehrten Gegner N. H. Gundling und Thomasius und nach dem Fortgange Wolff’s als die erste Zierde der Universität, zu einer Zeit, wo dieselbe als die vornehmste Pflegestätte der juristischen Wissenschaft betrachtet werden durfte. Auch äußerliche Anerkennung ist ihm in reichem Maße zu Theil geworden: 1704 die Bestallung zum königl. Historiographen, 1718 der preußische Geheimrathtstitel, 1719 der Reichsadel, 1721 die Kanzlerwürde der Universität, die seit Seckendorff’s Tode (1692) nicht verliehen worden war, und 1741 die Ernennung zum Kanzler der Magdeburger Regierung. Das Hauptfeld der wissenschaftlichen Thätigkeit Ludewig’s war das deutsche Staatsrecht, in welchem er, in unmittelbarer Anlehnung an Heinrich Cocceji, zu den Fortsetzern der historischen Schule Conring’s gehört. Er übertraf Cocceji, dessen Schriften er seinen staatsrechtlichen Vorlesungen zu Grunde zu legen pflegte, in willkürlicher Zurechtlegung der Geschichte zum Zwecke der Begründung moderner staatsrechtlicher Theorien. Cocccji’s Lehre von der uralten, heiligen Siebenzahl als fons ac basis des deutschen Staatsrechts hat L. in der sonderbaren Schrulle weiter entwickelt, daß die „Erzfürsten“ der von ihm entdeckten sieben alten Provinzen (Böhmen, Baiern, Sachsen, Brandenburg, Franken, Schwaben, Thüringen) beim Tode Ludwigs des Kindes unabhängig geworden, sich von dem Wahlkönig Konrad I. ihre Souveränität vorbehalten hätten – natürlich in majorem gloriam der reichsständischen Selbstherrlichkeit gegenüber dem habsburgischen Kaiserthum der Ludewigschen Zeit. Schon bei den Zeitgenossen hat „die seit Cocceji’s Zeit überhand genommene Vermengung der Staatshistorie mit der Staatsgelehrsamkeit“ lebhaften Widerspruch hervorgerufen, namentlich Gundling hat mit Geschick und Gelehrsamkeit gegen seinen hallischen Collegen geschrieben, und J. J. Moser urtheilte nicht zu hart, wenn er Cocceji und L. vorwarf: „Sie haben sich gewisse Bilder und Staatsgebäude in den Kopf gesetzt, die Geschichten darnach gedrehet und das ganze Staatsrecht sodann auf solchen sandigen Grund gebauet“. L. pflegte in seinem Aerger über die abfällige Kritik, mit der seine Schriften fortgesetzt durch Gundling begleitet wurden, in seiner schwäbischen Aussprache seinen Antipoden wegwerfend einen „Bagatellischten“ zu nennen, aber schon die nächste Generation trat ausnahmslos auf Gundling’s Seite: noch nicht ein Menschenalter nach Ludewig’s Tode konnte J. J. Moser mit Genugthuung constatiren (1766), daß das Gebäude von einem Paar akademischen berühmten [380] Rechtsgelehrten mit ihrem Tode ganz wieder eingefallen sei, sodaß man nicht leicht etwas weiteres davon zu besorgen habe. Seine gegen L. geschleuderte Anklage, „als habe er Urkunden erdichtet oder gefälscht“, hat Moser ausdrücklich zurückgenommen. L. hat in einem für jene Zeit ungewöhnlichen Umfange archivalische Forschungen angestellt; abgesehen von Arbeiten im Magdeburger Archiv, für das er 1704 zum Archivar ernannt worden war, hat er auf wiederholten Studienreisen (1714, 1715, 1724, 1725) die Archive von Stettin, Halberstadt, Dessau und mehrere süddeutsche Archive besucht.

Ludewig’s rechtshistorischer Standpunkt, seine Verherrlichung der territorialen Souveränität, hängt eng zusammen mit seiner praktisch-publicistischen Thätigkeit, die ganz dem Dienste eines deutschen Territoriums, des brandenburgisch-preußischen Staates geweiht war. Der junge L. war den Fragen der Tagespolitik zuerst näher getreten, als er in einer Pause seiner akademischen Lehrthätigkeit als Mentor des Erbprinzen von Schwarzenberg während des Friedenscongresses 1697 zu Ryswick weilte. Von dem kaiserlichen Bevollmächtigten v. Seilern will er die Kenntniß zahlreicher Congreßacten erhalten haben, andere Belehrung verdankte er den schwedischen Gesandten Bonde und Lilienroth, sodaß er eine Zeit lang mit dem Plan einer Geschichte des Friedensschlusses sich tragen durfte. Das J. 1697 hat L. später als das glücklichste seines Lebens bezeichnet. Einer schon 1697 veröffentlichten Streitschrift gegen die französische Reunionspolitik folgten, nachdem L. durch eine publicistische Vertheidigung der preußischen Königswürde die Aufmerksamkeit des Ministers v. Ilgen auf sich gelenkt hatte, vorwiegend Deductionen im preußischen Interesse. Eine der letzten in der langen Reihe dieser Staatsschriften ist das „Rechtsgegründete Eigenthum des königlichen Kurhauses Preußen und Brandenburg auf Jägerndorf, Liegnitz, Brieg, Wohlau“, eine Deduction, für die der Verfasser, wie er am 1. Nov. 1740 an Friedrich II. schreibt, seit vielen Jahren Material gesammelt hatte, „weil der von Ilgen dafür gehalten, daß bei Verlöschung des Mannesstammes von dem Hause Oesterreich, über kurz oder lang, noch ein Gebrauch davon gemacht werden würde“.

Das Werk, welches L. die größte Berühmtheit eintrug, war die zuerst 1702 unter dem Pseudonym Lud. Pet. Giovanni erschienene Germania Princeps, geplant als eine Art Staatshandbuch der einzelnen deutschen Territorien, mit Berücksichtigung der Geschichte, Genealogie, Topographie, Verfassung, Verwaltung und Quellenkunde; es sind jedoch nur die Kurfürstenthümer und Oesterreich behandelt worden. Von fortgesetztem Interesse an cameralistischen Studien zeugt die Schrift, die L. 1727 nach der auf seinen und Thomasius’ Antrag erfolgten Errichtung eines nationalökonomischen Lehrstuhles veröffentlichte: „Die von Sr. Königl. Maj. auf der Universität Halle neu eingerichtete Professur in Oekonomie-, Polizei- und Kammersachen“. In einer gedrängten Schilderung der ökonomischen Maßregeln und administrativen Schöpfungen Friedrich Wilhelms I. preist L. die „gute Wirthschaft“ und die Armee, „des Gartens Zaun“, als die zwei Grundsäulen, die ein Volk, Reich und Land beständig glückselig machen. Von nachwirkender Bedeutung ist Ludewig’s Thätigkeit auf dem staatswissenschaftlichen Gebiet ebenso wenig wie auf dem juristischen gewesen. Daß L. vielfach anstieß, darf in einem an die tiefste Deferenz gewöhnten Jahrhundert bei einem Manne nicht überraschen, der mit seiner Meinung nicht zurückhielt und in seinen Schriften wie auf dem Katheder die Freiheit der Ansicht und des Ausdrucks sich wahrte. Von persönlicher Eitelkeit war dieser Mann nicht frei, und Moser spottet darüber, daß ihn L. auf dem Sterbebette förmlich zu seinem Nachfolger als „größter Publicist“ eingesetzt habe. Ludewig’s Ehe mit Margarete Kühne war mit drei Töchtern gesegnet, denen der Vater ein beträchtliches Vermögen hinterließ und deren eine mit dem preußischen Geheimenrath v. Nüßler vermählt war.

[381] Niceron, hrsg. v. Baumgarten und Rambach, Bd. XX. Pütter, Litteratur des teutschen Staatsrechts, Bd. I. J. J. Moser, Von Teutschland u. seiner Verfassung überhaupt. Büsching, Beyträge zu der Lebensgesch. denkwürdiger Personen, I. (Lebensgesch. Nüßler’s; die Angabe über eine diplomatische Mission Ludewig’s in Hannover S. 307 beruht nach Ausweis der Acten des geh. Staatsarchivs auf einer Verwechselung mit dem Hofrath Ludewig in Berlin). Roscher, Geschichte der Nationalökonomik in Deutschland. Preußische Staatsschriften aus der Regierungszeit Friedrichs II., Bd. I.