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ADB:Lindner, Benjamin

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Artikel „Lindner, Benjamin“ von Adolf Schimmelpfennig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 699–701, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lindner,_Benjamin&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:58 Uhr UTC)
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Lindner: Benjamin L., herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeld’scher Superintendent und Hofprediger, war der Sohn eines Schneidermeisters und den 25. Octbr. 1694 in Brieg geboren. Bei bedeutender Befähigung schon 1709 in die Prima des Gymnasiums seiner Vaterstadt versetzt, wurde der Verkehr mit Adam Steinmetz, späterem Abt im Kloster Bergen, welcher 1713 als Candidat der Theologie nach Brieg gekommen war und mit Erlaubniß des Rectors einigen Primanern Privatvorlesungen hielt, für Lindner’s spätere theologische Richtung entscheidend. Obschon er nicht in Halle, sondern in Leipzig unter Olearius, Börner, Pfeiffer und Starcke von 1715–1718 studirte, kehrte er doch als begeisterter Vertreter des Halle’schen Pietismus in die Heimath zurück. Bald fand sich für ihn eine Stelle; Joachim Friedrich v. Seidlitz berief ihn 1724 zum Pfarrer der vereinigten Kirchen Schönbrunn und Rosen im Fürstenthum Brieg. Die bis in das nächste Jahr sich verzögernde kaiserliche Bestätigung rechtfertigt die Annahme, daß L. schon als Candidat des durch kaiserliche Mandate streng verpönten Pietismus verdächtig gewesen sein muß. Einmal im Amte legte er sich unter dem Schutze seines ihm gleichgesinnten Lehnsherrn keinen Zwang weiter auf, sondern richtete auf dem herrschaftlichen Schlosse alsbald Betstunden ein, [700] welche bis in die späte Nacht währten. Die in seiner eignen und in den benachbarten Parochien vereinzelt auftretenden Erweckungen lassen es um so verwunderlicher erscheinen, daß L. dieser scheinbar überaus gesegneten Arbeit schon nach zwei Jahren überdrüssig wurde. Im Januar 1727 erbat er sich vom Consistorium in Brieg Urlaub zu einer Reise in die Lausitz, von welcher er mit einer Vocation des Grafen Promnitz zum Substituten des amtsunfähigen Archidiaconus in Sorau nach Schlesien zurückkehrte. Mit dieser Berufung war jedoch die Sorauer Bürgerschaft so wenig einverstanden, daß sie Protest einlegte und dieselbe um jeden Preis rückgängig zu machen suchte, ohne jedoch das Geringste zu erreichen. War diese Berufung in Lindner’s Augen eine besondere göttliche Fügung gewesen, die Gehorsam forderte, so kann ihm die 1730 an ihn ergangene Vocation zu dem Pastorate an der Grenzkirche Friedersdorf in der Oberlausitz nicht als eine solche erschienen sein, denn er lehnte sie ohne langes Bedenken ab. Ueber seine Wirksamkeit in Sorau wissen wir wenig, bedeutend war sie in keinem Falle; sein Biograph Gründler gesteht offen ein, daß L. hier „keine so offene Thür als in Schönbrunn gefunden habe“. Dagegen liegen uns über seine Amtsthätigkeit in Saalfeld, wohin er 1733 als Hofprediger und Superintendent von Herzog Christian Ernst, einem Freunde und Verehrer Zinzendorf’s, berufen wurde, in Semler’s Autobiographie ausführliche und authentische Nachrichten vor. „Die Leute sollten auf einmal durchaus fromm oder Wiedergeborne werden“, und da L. das Universalmittel für die Schäden der Gemeinde in Conventikeln erblickte, so machte er in seinem neuen Wirkungskreise davon den ausgedehntesten Gebrauch. Der Herzog selber bot dazu bereitwillig die Hand, indem er zu diesen außerkirchlichen Erbauungsstunden den Speisesaal im Schlosse einräumte und selber mit seiner Gemahlin und dem ganzen Hofe an denselben regelmäßig Theil nahm. Wer in Saalfeld etwas werden oder erlangen wollte, durfte von ihnen nicht wegbleiben; Kaufleute und Handwerker, die sich dabei nicht einstellten, verloren ihre Kunden. „Oeffentliche Heuchelei, fromme Schelmerei, Verfall des bürgerlichen Wohlstandes waren die natürliche Folge dieses Treibens, welches nach dem Tode des Herzogs 1745 sofort ein Ende nahm, als sich unter der Regierung seines Bruders Franz Josias mit „Kopfhängen, Augendrehen, Leisereden Niemand mehr äußerliche Vortheile schaffen konnte“. Daß sich L., um dessen Einfluß es jetzt geschehen war und dessen Einkünfte zugleich empfindliche Einbuße erlitten, in Saalfeld nicht mehr gefallen wollte, ist erklärlich, aber eine neue Vocation stellte sich nicht ein und der Versuch seines alten Freundes Steinmetz in Kloster-Bergen, ihn zum Adjuncten zu bekommen, schlug fehl. Seit einigen Jahren unterleibsleidend starb L. den 24. December 1754. Gründler rühmt von ihm, daß er vermögend gewesen sei „in einem mächtigen Flusse seine Rede zu führen und ex tempore und ohne vorhergegangene Meditation wol mehrere Stunden nacheinander, wenn es nothdringliche Umstände erforderten, zu predigen“; auch Semler gesteht ihm das „Talent zu reden, zu declamiren“ zu, wogegen es ihm an gründlicher theologischer Gelehrsamkeit gemangelt habe. Er war ein Mann der frommen Phrase. Als Schriftsteller hat sich L. auf Compilationen beschränkt. Wir haben von ihm: „Das Nutzbarste aus den erbaulichen Schriften des seel. Dr. M. Luthers in umständlichen Auszügen“, 9 Bde., 1738–1742; 2. Ausg. 1752–1754. Semler versichert, Lindners ganze Arbeit habe darin bestanden, die betreffenden Stellen in der Leipziger Ausgabe der Werke Luthers mit Bleistift anzustreichen, sein Amanuensis Sibeth aber, welcher ihm nach Gründler „mehrere Jahre bei seinen vielen Arbeiten treulich assistirt und gedienet“, das Uebrige besorgt. Gleiche Bewandniß hat es mit Lindner’s historischen Arbeiten, dem als Anhang zu den Saalfeld’schen Auszügen 1743 erschienenen „Merkwürdigen Leben Dr. M. Luthers“ und der „Kurzgefaßten Reformationsgeschichte“ [701] (Chr. Fr. Junii compendium Seckendorfianum), die er mit einer Vorrede herausgab. Sonst sind noch eine Anzahl Predigten und Reden von L. gedruckt.

Gottlob Emanuel Gründler, Sammlung von auserlesenen Briefen Dr. M. Luthers als zweiter Anhang zu den Saalfeldischen Auszügen nebst Herrn Benjamin Lindner’s kurzer Lebensbeschreibung. Erster Theil. Leipzig u. Saalfeld 1756. Dr. Joh. Salomo Semler’s Lebensbeschreibung, von ihm selbst abgefaßt, Halle 1781, Thl. I. Mein Aufsatz: Der Pietismus in Schlesien. Zeitschrift des Vereins für Geschichte u. Alterthum Schlesiens IX, 254 ff.