ADB:Lindl, Ignaz
Goßner (s. Bd. IX, S. 407) „erweckt“. Er stand in freundschaftlichen Beziehungen zu Zimmer und Sailer; letzterer hielt am 27. December 1812 bei der Primiz des gleichfalls aus Baindlkirch gebürtigen Martin Völk, der neben L. in gleichem Sinne als Kaplan wirkte, die Predigt. In der nächsten Zeit knüpfte L. auch Verbindungen mit Jung-Stilling, Frau v. Krüdener und den Baseler Pietisten an. 1817 wurde er wegen „Abweichungen von der herkömmlichen Gottesdienstordnung und aftermystischen Treibens“ von dem Augsburger Ordinariate in Untersuchung gezogen, einige Monate in Haft gehalten und dann im Mai 1818 auf die Pfarrei zu Gundremmingen bei Lauingen an der Donau, zwei Stunden von der württembergischen Grenze, versetzt. Hier knüpfte er Verbindungen mit den württembergischen Pietisten an. Zu seinen Predigten strömten dort so viele Zuhörer zusammen, Katholiken und Protestanten, – angeblich mitunter 5–10,000, – daß er sie oft im Freien halten mußte. (Ein interessanter Bericht darüber von Ringseis steht in den Historisch-politischen Blättern 77. Bd. S. 409.) Von einer neuen Untersuchung bedroht, begab er sich im October 1819 zu dem russischen Gesandten nach München und dieser zeigte dann der baierischen Regierung an, L. sei von dem Kaiser – wahrscheinlich auf Veranlassung [699] der Frau v. Krüdener – nach St. Petersburg berufen. Er reiste im November dorthin ab und wurde als Prediger an der katholischen Malteserkirche angestellt. Im Juli 1820 übernahm Goßner diese Stelle und L. wurde mit dem Titel „Propst“ als Seelsorger für die in Südrußland angesiedelten Süddeutschen nach Odessa gesandt, erhielt auch in Bessarabien ein Stück Landes für weitere Colonisten angewiesen. Einige Hunderte seiner früheren Pfarrkinder folgten ihm dorthin; manche kehrten aber bald enttäuscht zurück. L. richtete in Südrußland seinen Gottesdienst in protestantischer Weise ein und verheirathete sich mit der Schwester seines Freundes Völk. 1824 wurde L., wie Goßner, aus Rußland ausgewiesen. Er trat nun in Leipzig förmlich zur lutherischen Confession über und begab sich nach Barmen, wo er eine Zeit lang als Inspector an der Missionsschule angestellt, dann als Hülfsprediger in mehreren Gemeinden des Wupperthales beschäftigt wurde. Seine Neigung zur Schwärmerei und Sectirerei trat hier immer stärker hervor; namentlich verlor er sich in allerlei chiliastische Träumereien. Für eine kleine Schaar von Anhängern – „Lindlianer“ – hielt er in einem Privathause in Barmen Gottesdienst. Mit Anhängern an den Orten seiner früheren Wirksamkeit in Baiern blieb L. bis zu seinem Tode in Correspondenz. Noch 1852 und 1853 wurden gegen 50 Personen, die sich weigerten, die Lindl’schen Ansichten abzuschwören und das tridentinische Glaubensbekenntniß abzulegen, von dem Bischof von Augsburg excommunicirt. – L. hat als Pfarrer in Baiern und später einige seiner Predigten und andere kleine erbauliche Schriften drucken lassen, zum Theil anonym, die in mehreren Auflagen erschienen – seine Abschiedspredigt in Gundremmingen unter dem Titel „Der uralte katholische Glaube“, 1819 –, ferner „Mein Glaubensbekenntniß“ (über seinen Uebertritt) und „Ueber die Sünde wider den heiligen Geist“, 1824, „Leitfaden zur einfachen Erklärung der Apokalypse“, 1826.
Lindl: Ignaz L., Schwärmer, geb. am 8. October 1774 zu Baindlkirch in Altbaiern, † 1834 in Barmen. Er wurde im J. 1799 zum Priester geweiht und zuerst Kaplan, dann Pfarrer in seiner Heimath. Im J. 1812 wurde er durch- Gieseler, Kirchengeschichte V, 337. G. Aichinger, J. M. Sailer, 1865, 302, 310. J. Salat, Versuche über Supranaturalismus und Mysticismus, 1823, S. 502. Pastoralschreiben des Generalvicariats von Augsburg in Betreff der neuen schwärmerischen aftermystischen Lehren u. Secten vom J. 1820 (abgedruckt in Mastiaux’ Lit.-Ztg. 1820, Nr. 35, interessant wegen des angehängten Verzeichnisses der von Lindl u. A. verbreiteten Schriften). F. W. Krug, Krit. Gesch. der protest. Schwärmerei etc., 1851, S. 290. V. Thalhofer, Beitr. zur Gesch. des Aftermysticismus, 1857, S. 75.