ADB:Liebich, Johann Karl
*): Karl L., Schauspieler und Theaterdirector, geb. am 5. August 1773 zu Mainz, starb am 21. (n. a. 22.) Decbr. 1816 zu Prag. L. hat die Bühne zuerst bei Schülervorstellungen in Passau betreten, wohin er seinem Vater gefolgt war, der dort die Stelle eines Tanzmeisters am fürstbischöflichen Hof einnahm. Obgleich L. erst 15 Jahre alt war, gab er den Lessing’schen Philotas doch so vortrefflich, daß ihn der Fürstbischof mit 10 Ducaten beschenkte. Gutes Gedächtniß und eine nicht gewöhnliche Gabe für die Deklamation waren ihm schon im frühesten Alter eigen gewesen und nur sein Freund, der Schauspieler Andreas Schopf bestimmte ihn, den frühgefaßten Entschluß, zur Bühne zu gehen, aufzugeben. Die Gunst des Fürstbischofs führte ihn dennoch bald zum Theater, denn als man am Passauer Theater um einen Helden verlegen war, wurde der junge L., der eben die Rechte zu studiren begonnen hatte, von dem Fürsten zu dieser Stelle ausersehen. Der 1794 erfolgende Tod des Fürsten hatte die Auflösung der fürstlichen Bühne zur Folge, und L., der bereits gute Fortschritte gemacht, auch den Posten eines Inspicienten bekleidet hatte, [804] wandte sich nach Laibach, dann nach Wien, Klagenfurt, abermals nach Laibach darauf nach Villach und von hier wieder nach Passau, von wo ihn obengedachter Schopf 1798 als Regisseur und Darsteller nach Prag berief. In Prag beginnt für L. die bedeutendste Epoche seines Lebens, die zugleich einen hochwichtigen Abschnitt in der Theatergeschichte jener Stadt bildet. Schon dadurch, daß Schopf auch in Passau zu spielen gezwungen und deshalb öfters von Prag abwesend war, trat L. den Directionsgeschäften näher und erwarb sich 1805 ein besonderes Verdienst durch Bildung einer Pensionsanstalt für verdiente Mitglieder. Als 1806 Guardasoni, der Unternehmer des Prager Theaters starb, übertrugen die Stände die Direction des Theaters zum Besten der Guardasonischen Erben dem bisherigen Regisseur L., dem noch am 4. August die Unternehmung selbständig verliehen wurde. Liebich’s Directionsantritt kennzeichnet sich in sehr glücklicher Weise durch Aufhebung der italienischen und Begründung der deutschen Oper, die am 1. Mai 1807 ihre Vorstellungen eröffnete. Unter den Mitgliedern derselben dürften neben dem Capellmeister Wenzel Müller C. M. v. Weber u. a. besonders der Bassist Häser und der Tenorist Grünbaum hervorzuheben sein. Im Schauspiel wirkte unter L. Sophie Schröder, Julie Löwe, Christine Böhler (spätere Genast), Karoline Brand, nachmals Weber’s Gattin, Dorothea Böhler, dann Schmelka, Wilhelmi, Pollawsky, Bayer u. a. L. that alles, die Bühne zu heben und hob zugleich das Ansehen des Schauspielerstandes, indem er sein gastliches Haus zu einem Sammelpunkt der guten Welt machte. Ein von Herzen guter Mensch, einnehmend durch seine Persönlichkeit, zog L. die Gesellschaft an sich und machte aus seiner Truppe eine große Familie, in der er von jüngeren Mitgliedern als Papa angeredet wurde und sie dutzte. Devrient sagt richtig, daß hier noch einmal das patriarchalische Wesen der alten Prinzipalschaft in der liebenswürdigsten Weise hervortrat. So nannte ihn mit Recht ein Nekrolog den „wahren Freund des Theaterpersonals“. Einen 1812 erhaltenen Ruf, das Hoftheater in Wien zu übernehmen, schlug L. ab und wirkte bis an sein Ende in Prag, wo er auch starb und wie wenige aufrichtigen Herzens betrauert wurde. Der Ruhm der von ihm geleiteten Bühne war allgemein, Tieck, der sich 1813 in Prag aufhielt, erklärte, sie sei „vielleicht die vorzüglichste in Deutschland“. Auch L. selbst gilt für Tieck als einer der vorzüglichsten Schauspieler, der im Lustspiel, Drama und Familiengemälde unvergleichlich war, während er sich zum Trauerspiel nicht zu erheben vermochte. In komischen Rollen stellten ihn manche neben, ja über Iffland. Ebenso verdiente er als Förderer und Erzieher jugendlicher Talente – so eines Ludwig Löwe und Eßlair – und als Vertreter des Deutschthums in Böhmen die wärmste Anerkennung. Nach seinem Tode übernahm seine Wittwe Johanna geb. Wimmer, eine tüchtige Schauspielerin im älteren Fache, die L. 1803 geheirathet hatte und die sich später mit Joh. Aug. Stöger vermählte, die Bühne, doch klagt Klingemann schon 1819 über rasch eingetretenen Verfall.
Liebich- Vgl. u. a. Wurzbach XV und den Prager Theateralmanach auf 1808, vor dem sich auch ein Porträt Liebich’s befindet.
[803] *) Zu Bd. XVIII, S. 585.