ADB:Liebe, Friedrich von
[699] Prüfung, die er in Wolfenbüttel am 19. März 1836 „vorzüglich“ bestand. Die Prüfungscommission erklärte ihn für „einen ausgezeichneten Mann, der ebenso gründliche theoretische Rechtskenntnisse als praktische Application besitze“ und empfahl ihn dem Ministerium angelegentlich für den Justizdienst. Zum 1. August 1837 wurde er zum Kreisgerichtsassessor in Wolfenbüttel ernannt. Etwa ein Jahr vorher (19. August 1836) hatte er sich mit Mathilde Auguste Carstens, der Tochter eines Kaufmanns in Braunschweig, verheirathet. In die folgenden Jahre fällt die Abfassung von Liebe’s erster juristischer Arbeit, die seinen wissenschaftlichen Ruf begründete und ihn mit einem Schlage für ein wichtiges Gebiet des Rechtslebens in die vorderste Reihe der Fachkenner rückte; es ist „die Stipulation und das einfache Versprechen, eine civilistische Abhandlung“, die 1840 erschien. Auch von Seiten der Regierung wurde man auf den begabten Beamten aufmerksam und zog ihn unterm 20. August 1841 zu den Secretariatsgeschäften in das herzogliche Staatsministerium; schon am 28. December d. J. wurde er zum Kanzleisecretär ernannt; zum 1. Januar 1847 erfolgte seine Ernennung zum Hofrath. Auch in dieser Stellung setzte er seine wissenschaftlichen Bestrebungen fort, die sich jetzt z. Th. mit wichtigen allgemeinen Tagesfragen berührten. So gab er nach eingehenden Berathungen mit dem Vorstande des Kaufmannsvereins zu Braunschweig 1843 den „Entwurf einer Wechselordnung für das Herzogthum Braunschweig sammt Motiven“ heraus, in dem er nicht nur juristische Theorien vorbringen, sondern vorzüglich auch den Anforderungen des Handelstandes an ein neues Wechselgesetz genügen wollte. Das Buch wurde sehr anerkennend aufgenommen, und die Folge war, daß L. 1847 Mitglied der Commission der deutschen Staaten wurde, die in Leipzig eine Allgemeine deutsche Wechselordnung ausarbeitete. An dem Ergebnisse dieser Berathungen hatte L. einen großen Antheil; er hat dann auch noch 1848 die „Allgemeine Wechselordnung für Deutschland mit Einleitung und Erläuterungen“ herausgegeben. Noch eine Arbeit Liebe’s aus jener Zeit, die über den „Grundadel und die neuen Verfassungen“ (Braunschweig 1844) war nicht ohne Beziehung auf praktische Fragen, während solchen eine andere, „Sechs Vorlesungen über Philosophie der Geschichte“ (Wolfenbüttel 1844) ganz fern stand, aber von der Vielseitigkeit, der gründlichen geschichtlichen und philosophischen Bildung des Verfassers ein deutliches Zeugniß ablegte. Auch der Entwicklung der politischen Verhältnisse der Zeit wandte L. lebhafte Theilnahme zu. Schon in ein paar Leitartikeln der Heidelberger „Deutschen Zeitung“ vom 4. und 7. November 1847 hatte er die Mängel der deutschen Bundesverfassung klar dargelegt und die Mittel zu ihrer Abhülfe bezeichnet. Er erwartete Heil und Segen allein von einer freien constitutionell-monarchischen Verfassung der einzelnen Staaten und von einer festen, eine wirkliche Einheit gründenden Verfassung des deutschen Vaterlandes. Für dieses Ziel erklärte er sich im April 1848 gern bereit, auch die eigene Kraft einzusetzen und in diesem Sinne ein Mandat in der Frankfurter National-Versammlung zu übernehmen (Ztg. f. d. d. Volk Nr. 32 vom 20. April 1848). Doch er sollte hier nicht Volks-, sondern Regierungsvertreter werden, und diese Vertrauensstellung hat er von nun an eigentlich sein ganzes Leben hindurch inne behalten. Schon unterm 30. April 1848 ward er vom Herzoge Wilhelm zum Legationsrath und zum Braunschweigischen Bundestagsgesandten in Frankfurt ernannt; wenige Tage darauf wurde ihm auch die Stimme von Nassau mit übertragen. Hier in Frankfurt gelangte er durch seine Tüchtigkeit, seine Kenntnisse, Klugheit und sein geschäftsgewandtes und umgängliches Wesen bald zu einer sehr angesehenen Stellung. Trat er jetzt wie später nach außen auch wenig hervor – zweckloses Repräsentiren und Figuriren war niemals seine [700] Sache – so war seine Mitarbeit überall da, wo es zu arbeiten galt, um so gesuchter und um so geschätzter. Von den Geschäften, die ihm in dieser Zeit zufielen, sei nur der Mission gedacht, die er im September 1848 im Auftrage der deutschen Centralgewalt nach dem Haag ausführen mußte, um die wegen des Herzogthums Limburg mit dem Königreiche der Niederlande entstandenen Zwistigkeiten auszugleichen. Als das Reichsministerium Gagern am 10. Mai 1849 seinen Abschied nahm, wurde auch L. der Eintritt in ein neues Ministerium angeboten, von ihm aber abgelehnt, da er auf eine Reconstituirung der Verfassung Deutschlands jetzt nur noch sehr geringe Hoffnung setzte, bei einem Zerfall der Centralgewalt aber nach der ihm ertheilten Instruction wie nach seiner eigenen Ueberzeugung an Preußen fest halten mußte. Er wurde daher unterm 7. Juli 1849 als Bundestagsgesandter von Frankfurt zurückgerufen und noch in demselben Monate nach Berlin gesandt, um über den Beitritt Braunschweigs zu dem „Dreikönigsbündnisse“ vom 26. Mai 1849 zu verhandeln. Dieser Anschluß ward vollzogen, und L. wurde Mitglied des deutschen Verwaltungsrathes, der aus den Vertretern der drei Königreiche und der dem Bündnisse beigetretenen Staaten gebildet wurde. Gegen Mitte März 1850 siedelte er von Berlin nach Erfurt über, wo das deutsche Unionsparlament am 20. d. M. eröffnet wurde. Er gehörte zu den fünf Commissaren, die hier die Centralbehörde vertreten sollten. Anfang Mai kehrte er wieder nach Berlin zurück, um hier in Gemeinschaft mit dem Staatsminister Frhr. v. Schleinitz vom 10.–15. Mai an der Conferenz der verbündeten deutschen Regierungen Theil zu nehmen, die zur Begründung des provisorischen Fürstencollegiums führte. Zu diesem wurde L. unterm 25. Mai als Vertreter Braunschweigs, daß sich den Anträgen Preußens in ihrem ganzen Umfange angeschlossen hatte, bevollmächtigt. Ehe er aber seine Thätigkeit hier begann, wurde er von der Braunschweigischen Regierung, die keinen Weg, der möglicher Weise zu einer wahren und allgemeinen Einigung führen konnte, unversucht lassen wollte, zu der von Oesterreich ausgeschriebenen Conferenz nach Frankfurt a. M. entsandt, wo er Anfang Juni 1850 eintraf, um neben Braunschweig auch Oldenburg und Lippe-Detmold zu vertreten. Die Verhandlungen hatten nicht den gewünschten Erfolg, am 30. Juli reiste L., wie die übrigen Unionsbevollmächtigten, von Frankfurt wieder ab. Er kehrte über Braunschweig nach Berlin zurück, wo er nun bis zur Auflösung der Union im December 1850 an den Sitzungen des Fürstencollegiums sich betheiligte. Er war hier namentlich der vierten Commission zugetheilt, die sich mit der Berathung über das Bundesgericht beschäftigte. In dieses Jahr fiel auch der Ruf, den L. von Lübeck aus erhielt, als Rath in das hanseatische Oberappellationsgericht zu treten. Es bot sich ihm hier eine sehr angenehme, angesehene und gut besoldete Stellung. Aber die diplomatische Thätigkeit sagte ihm mehr zu; er lehnte daher den ehrenvollen Ruf ab, nachdem er sich vergewissert hatte, daß er nach wie vor auf das Vertrauen seines Landesfürsten rechnen konnte, dem das Ministerium dringend empfahl, den ebenso durch ungewöhnliche, ausgebreitete Kenntnisse, Gelehrsamkeit, Scharfsinn, Einsicht und Geschäftsgewandtheit, als durch gesunde politische Grundsätze ausgezeichneten Beamten seinem Staatsdienste zu erhalten. Noch am Schlusse desselben Jahres wurde er wieder als Braunschweigischer Bevollmächtigter zu den Dresdener Conferenzen entsandt; sie währten vom 22. December 1850 bis 15. Mai 1851 und verliefen, wie bekannt, ergebnißlos; die Wiederherstellung des alten Bundestages war die Folge. In seiner ganzen politischen Wirksamkeit war L. stets für die preußischen Ansprüche auf die Vorherrschaft in Deutschland mit Entschiedenheit eingetreten. Er war daher am Berliner Hofe ebenso wegen seiner politischen Haltung wie wegen seiner Fähigkeiten [701] auf’s beste angeschrieben und so der gegebene Mann, sein Heimathland dort zu vertreten. Es erfolgte deshalb am 24. Juni 1851 seine Ernennung als braunschweigischer Geschäftsträger am preußischen Hofe; noch in demselben Jahre wurde er dort zugleich mit der Vertretung der oldenburgischen, 1854 auch mit der der nassauischen Regierung beauftragt. Bei seiner gewaltigen Arbeitskraft und dem großen Ansehen, das er genoß, wurden seine Dienste zeitweise von verschiedenen Regierungen zur Vertretung in Anspruch genommen. Seine Mitwirkung bei dem Vertrage über den Anschluß Braunschweigs an den Postverein verschaffte ihm 1852 den Rothen Adlerorden II. Classe. Der Herzog erkannte seine Verdienste an, indem er ihn unterm 25. April 1855 in den erblichen Adelstand erhob und ihm am 24. April 1857 den Titel eines Geheimen Legationsrathes verlieh. Einige Jahre darauf rief er ihn aber wieder nach Braunschweig zurück, wo er ihn nach Geyso’s Tode unterm 4. December 1861 zum Geheimrathe und stimmführenden Mitgliede des herzoglichen Staatsministeriums ernannte und mit der Leitung des Finanzdepartements betraute. Liebe’s Einfluß beschränkte sich aber nicht auf dieses. Sein Rath soll namentlich im J. 1866 auf die politische Haltung des Herzogthums Braunschweig von maßgebender Bedeutung gewesen sein. Es wurde bei der weisen Mäßigung Herzog Wilhelm’s, der persönliche Wünsche, die er etwa hegen mochte, hinter die Interessen des Landes ganz zurücktreten ließ, glücklich erreicht, daß Braunschweig neutral blieb und erst am 6. Juli ein Bündniß mit Preußen abschloß. Die Selbständigkeit des Herzogthums ist wahrscheinlich durch diese insbesondere von L. vertretene Politik gerettet worden. Natürlich konnte dann für die weitere Gestaltung der Verhältnisse des norddeutschen Bundes und der Beziehungen Braunschweigs zu dessen Vormacht kein geeigneterer Vertreter als L. gefunden werden. Unterm 28. Februar 1867 wurde er daher zum Ministerresidenten am königlich preußischen Hofe und zum Bevollmächtigten beim Bundesrathe ernannt; zugleich wurde ihm auch ausdrücklich die Vertretung bei den Verhandlungen des Reichstags behufs Feststellung der Verfassung für den Norddeutschen Bund übertragen. Wie früher so hat er auch jetzt die diplomatische Vertretung Oldenburgs sogleich übernommen und zu voller Zufriedenheit bis zu seinem Tode geführt. Unterm 24. April 1873 erfolgte seine Ernennung zum Wirklichen Geheimrathe mit dem Prädicat Excellenz. Im Schoße des Bundesrathes, vorzugsweise bei den Commissionsarbeiten, entfaltete nun L. eine sehr ausgedehnte und tiefgreifende Thätigkeit; er erfreute sich hier als hervorragende Arbeitskraft und als gewandter, kenntnißreicher Geschäftsmann der größten Achtung. So hat er an dem Ausbau der deutschen Verfassung, an der Reichsgesetzgebung und an allen Justiz- und Finanzfragen des Reiches einen bedeutenden Antheil gehabt. Zahlreiche Ordensverleihungen bezeugten seine Verdienste. Auf Einzelheiten können wir hier nicht eingehen. Es genüge, auf das Urtheil Fürst Bismarck’s hinzuweisen, der am 10. März 1880 bei Ueberreichung des Rothen Adlerordens I. Classe ihm seine „Freude über diese Allerhöchste Anerkennung und seinen Dank für die langjährige treue Mitarbeit an ihrem gemeinschaftlichen Werke“ aussprach. Aehnlich äußerte er sich am 7. September desselben Jahres bei Gelegenheit des 50jährigen Doctorjubiläums, das L. von allen Seiten Zeugnisse der lebhaftesten Anerkennung und Verehrung brachte, und zwar nicht nur von seinen Collegen, Staatsmännern und Diplomaten, sondern auch von wissenschaftlichen Autoritäten, wie Windscheid, Thöel u. A., die ihre volle Werthschätzung über seine wissenschaftlichen Leistungen ihm kund gaben. In voller geistiger Rüstigkeit hat L. sein arbeitsreiches Leben fortgesetzt, dem erst am Abend des 9. April 1885 ein Herzschlag ein plötzliches Ende machte. Groß [702] war die Theilnahme, die sein Tod hervorrief. Fürst Bismarck schrieb, „er beklage schmerzlich den Verlust, welchen Kaiser und Reich durch das Dahinscheiden seines langjährigen und hochverehrten Freundes erleiden.“ Testamentarischer Bestimmung zu Folge wurde der Leichnam Liebe’s am 13. April d. J. in Gotha verbrannt. Von der Berliner Geistlichkeit wurde daher die Theilnahme an der Leichenfeier abgelehnt, wie ihm von dieser Seite auch bei seiner zweiten Verheirathung Schwierigkeiten gemacht waren. Denn seine erste Ehe war durch landesherrlichen Spruch vom 26. Januar 1853 aufgelöst worden. Es wurde daher, als er sich mit Anna (Karoline Luise) Nobiling, der Tochter eines Färbereibesitzers Nobiling in Berlin, wieder verheirathen wollte, diese Trauung am 5. Februar 1857 in Braunschweig vollzogen. Seine Wittwe hat ihn bis zum 8. April 1900 überlebt. Der einzige Sohn, Victor (Friedrich August) v. Liebe, geboren am 5. September 1838 zu Wolfenbüttel, trat in den braunschweigischen Justizdienst, stieg hier bis zum Oberlandesgerichtsrath empor, wurde Mitarbeiter der Commission für das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch und 1889 Reichsgerichtsrath zu Leipzig, doch mußte er leider schon vor ein paar Jahren aus Gesundheitsrücksichten diese Stellung wieder aufgeben.
Liebe: Friedrich August Gottlob (von) L., Jurist und Staatsmann, † 1885, wurde am 18. December 1809 zu Braunschweig geboren. Sein Vater, der die gleichen Vornamen führte, Sohn des Kupferstechers Gottl. Aug. Liebe in Halle und Buchhalter der ehemaligen Sackkellerweinhandlung in Braunschweig war, erlebte die Geburt des Knaben nicht mehr, da er schon am 6. September 1809 23 Jahre alt verstarb. Die Mutter, Charlotte Rosine geb. Burwitz, die Tochter eines Sattlermeisters in Celle, hatte nun die schwere Aufgabe, für den eigenen und des Sohnes Unterhalt zu sorgen. Dieser besuchte das Gymnasium Martineum seiner Vaterstadt bis Michaelis 1826, wo er auf das Collegium Carolinum daselbst überging. Ostern 1828 bezog er die Universität Göttingen, um sich der Rechtswissenschaft zu widmen; er blieb hier bis zum Herbste 1830, wo er am 7. September „post publice privatimque exhibita egregia legitimae scientiae specimina“ zum Doctor der Rechte promovirt wurde. Er meldete sich nun, in die Heimath zurückgekehrt, sogleich zur juristischen Staatsprüfung, die aber erst am 28. December 1831 stattfand. Gern wäre er jetzt in den Staatsdienst getreten, aber seine Verhältnisse nöthigten ihn, sich sofort einer gewinnbringenden Thätigkeit zuzuwenden. Er ward Advocat und Notar in Braunschweig. Obwohl er sich hier schnell eine sehr geachtete und einträgliche Stellung erwarb, so sagte ihm die advocatorische Praxis doch keineswegs zu. Er meldete sich daher zur zweiten juristischen