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ADB:Leopold III. Friedrich Franz

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Artikel „Leopold Friedrich Franz, Herzog von Anhalt-Dessau“ von Ferdinand Siebigk in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 356–367, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leopold_III._Friedrich_Franz&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:34 Uhr UTC)
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Leopold Friedrich Franz, Fürst und später Herzog von Anhalt-Dessau, ward als der älteste Sohn des Fürsten Leopold Maximilian und der Fürstin Gisela Agnes, einer Prinzessin von Anhalt-Cöthen, am 10. Aug. 1740 in Dessau geboren. Im J. 1751 beider Eltern beraubt, trat der junge Erbprinz mit seinen fünf jüngeren Geschwistern unter die Vormundschaft seines Vatersbruders, des Fürsten Dietrich, dem diese, sowie die Landesregierung bis zur Großjährigkeit des Erbprinzen, durch letztwillige Verfügung seines verstorbenen Bruders übertragen worden. Fürst Dietrich nahm sich beider Aemter im besten Sinne an und sorgte namentlich auf das vorzüglichste für die Erziehung des Erbprinzen, welche zuerst durch einen Herrn L’Estocq, dann aber seit 1753 durch den späteren Oberhofmeister von Guericke geleitet ward. War dieselbe vielleicht auch bisher nicht über das gewöhnliche Maß gegangen, so war nun der fürstliche Vormund sorgfältig bemüht, den jungen Prinzen nicht nur in der französischen Sprache, der Staats- und Regentengeschichte und allen ritterlichen Uebungen bestens unterrichten zu lassen, sondern er strebte auch eifrigst dahin, obwol selbst mehr nur dem militärischen Wissen hold, daß dem talentvollen und vom edelsten Wissenstriebe erfüllten Jünglinge Geschmack an den schönen Wissenschaften und Künsten, sowie an der aufstrebenden deutschen Litteratur eingeflößt und er allmälig dafür begeistert werde. Daß diese in ihn gesenkten Saatkörner keimen, wachsen und so herrliche Früchte tragen konnten, ist aber des Fürsten F. eigenstes Werk, denn er pflegte, schützte und bewahrte sie auf das Gewissenhafteste und mit dem glücklichsten Erfolge bis in sein spätes Alter. Daneben glaubte aber auch der fürstliche Vormund, der sich die innigste Zuneigung seines Mündels durch die treffliche Erfüllung seiner Erziehungs- und Regierungspflichten erwarb, die militärische Ausbildung desselben nicht vernachlässigen zu dürfen. Der Erbprinz hatte 1751 vom König Friedrich II. das durch den Tod seines Vaters erledigte Regiment Anhalt in Halle verliehen erhalten und war so in preußische [357] Kriegsdienste getreten, 1752 wohnte er den gewöhnlichen Musterungen in der Nähe bei und 1755 ging er zum Regiment nach Halle, wo er als Hauptmann sich die praktische Erlernung des Dienstes angelegen sein ließ, obwol er zu kriegerischer Thätigkeit sich nicht sehr hingezogen fühlte. An dem 1756 ausbrechenden Kriege betheiligte sich der Erbprinz mit Gutheißen seines Vormundes als Freiwilliger im preußischen Heere bei seinem jüngsten Oheim, dem Fürsten Moritz. Er begleitete diesen zunächst nach Dresden, kam während des Winters nach Dessau zurück, eilte aber im Februar 1757 wieder zum Heere, wo er an der Seite seines Oheims an den Schlachten bei Prag und Kollin theilnahm. Bald aber zwang ihn körperliches Unwohlsein das Heer zu verlassen und nach Dresden zu gehen, wo seine Krankheit einen besorgnißerregenden Charakter annahm und seinen Vormund nöthigte, bei dem Könige ihm die Erlaubniß zu erwerben, sich zur Abwartung der vollständigen Genesung nach Dessau zu begeben. Da aber der Körperzustand des Erbprinzen noch längere Schonung erheischte und die herrschenden politischen Verhältnisse sein Fernhalten vom Kriegstheater als das Ersprießlichste erscheinen ließen, so erbat er mit Zustimmung des Fürsten Dietrich am 15. Octbr. 1757 seine Entlassung aus dem preußischen Kriegsdienste, die ihm auch gewährt ward und blieb zur vollständigen Herstellung seiner Gesundheit in seinem Erblande, dessen Regierung er nach vom Kaiser unterm 20. März 1758 erlangter Mündigkeitserklärung, am 20. Octbr. desselben Jahres antrat. Es geschah dies in einer schlimmen Zeit. Anhalt, eingekeilt zwischen Sachsen und Preußen, war furchtbar von den Drangsalen des Krieges heimgesucht, der alle Ersparnisse, welche drei sorgsame Regierungen gemacht, verschlang und den Wohlstand des Landes vollständig zerrüttete. Auch litt dasselbe durch die Verfügungen König Friedrichs, der wegen des Austritts des jungen Fürsten, worin er Hinneigung desselben zu Kaiser und Reich erblickte, gegen diesen erbittert war. Er drückte das Land durch fast unerschwingliche Kriegssteuern, kaum zu beschaffende Lieferungen und unaufhörliche Durchmärsche und that der Bevölkerung durch starke Rekrutirungen empfindlichen Abbruch. Fürst F., der sich als Hauptgrund für diese Maßnahmen ansah und außerdem fühlte, daß diese für seine Unterthanen das Maß des Möglichen überstiegen, trug die Kriegssteuern meist selbst und war um dieses zu können genöthigt, sich seines gesammten Silbers und vieler seiner Kostbarkeiten zu entäußern. Daß diese Lasten später sich etwas verminderten und dem Lande eine rücksichtsvollere Behandlung zutheil ward, verdankte er der Umsicht des Kammerpräsidenten von Brenkenhoff, der später selbst in preußische Dienste berufen wurde. Bei allen diesen großen Opfern gelang es dem Fürsten, der in jedem Zweige der Landesverwaltung die möglichste Sparsamkeit zum strengsten Gesetze machte, doch noch während des Krieges seinen Unterthanen durch Erlaß des Frohnpfennigs eine Steuererleichterung zu gewähren. Kurz nach Beendigung des Krieges, 1763, entschloß sich F., wol fühlend, daß ihm, um sein wenn auch kleines Erbland nach den Absichten und Plänen, die er in sich trug, zu regieren, noch so manche Kenntnisse fehlten, zu einer Bildungsreise, deren Ziel England und deren Hauptzweck Kenntnißnahme von allen Sehenswürdigkeiten des Landes und von dessen staatlichen, bürgerlichen und gewerblichen Einrichtungen war. Er reiste unter dem Namen eines Grafen von Sandersleben; sein Begleiter war ein junger sächsischer Edelmann, Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, dessen Bekanntschaft, als dieser in Wittenberg studirte, der Fürst gemacht und sich von dessen mit den seinigen übereinstimmenden Ansichten über Kunst und freundlichen Lebensgenuß so angezogen fühlte, daß er ihn liebgewann und an sich fesselte, woraus ein inniges Verhältniß sich bildete, das bis zum Tode Erdmannsdorff’s bestand und bei der Ehrlichkeit und Offenheit des gebildeten und reich begabten jungen [358] Mannes vom wohlthätigsten Einfluß auf den Fürsten sich zeigte. Diese Reise, bei welcher F. mit seinem Begleiter, der gewissenhaft darüber wachte, daß der ernste Zweck derselben stets im Auge behalten wurde, auch einige Zeit in Holland verweilte, währte fast ein ganzes Jahr. Nach seiner Rückkehr verlobte er sich mit seiner Cousine, der Prinzessin Luise Henriette Wilhelmine, der Tochter des Markgrafen Heinrich Friedrich von Brandenburg-Schwedt und seiner Tante Marie Leopoldine, Tochter Fürst Leopolds von Dessau, benutzte aber die Zeit bis zu seiner Vermählung noch zu einer zweiten Bildungsreise, auf der ihn außer Erdmannsdorff noch sein jüngerer Bruder, Prinz Hans Jürge und der geniale Militärschriftsteller Georg Heinrich von Berenhorst, sowie für die erste Zeit derselben auch zwei Kammermusiker und ein Bildhauer begleiteten. Die Reisenden begaben sich zunächst nach Italien, verweilten 6 Monate in Rom und gingen dann nach einem Besuche Neapels über Florenz und Genua durch das südliche Frankreich nach Paris und wieder nach England, woran sich noch der Besuch Schottlands und Irlands knüpfte. Der Fürst reiste nicht zu seinem Vergnügen, sondern um Kenntnisse zu sammeln und über deren Anwendung sich zu unterrichten. Nichts Bedeutendes ließ er ungesehen, Alles suchte er genau kennen zu lernen, überall suchte er Gelehrte und Künstler auf, um durch Unterhaltung mit ihnen und den Anblick ihrer Arbeiten, sowie unter ihrer Führung sein Wissen zu erweitern. Die beiden Reisen nach England, denen später noch einige folgten, und welches F. und Erdmannsdorff für ein Land erklären, wo man gute Sitte mit nützlichen Kenntnissen am besten vereinigt findet, gewährten dem ersteren unberechenbaren Nutzen. Sie brachten ihm ein erhöhtes Gefühl für Menschenwürde, wie es dort wegen der freien Verfassung heimisch ist, bei und gaben ihm Gelegenheit, den dort so sehr vervollkommneten Kunstfleiß der Arbeiter in deren Werkstätten, in Fabriken und Manufacturen, sowie die Einrichtung der letzteren selbst durch eigene Anschauung kennen zu lernen und die Fortschritte im Acker-, Garten-, Deich- und Straßenbau gründlich zu studiren. Durch den Anblick der schönen gothischen Bauwerke des Landes scheint die Neigung des Fürsten zu diesem Baustile geweckt oder doch wenigstens wesentlich gekräftigt worden zu sein und der der dortigen Gärten und Parkanlagen wirkte entscheidend auf seine Ansichten und Bestrebungen. Nicht zu vergessen ist auch, daß Kenntnißnahme des englischen Erziehungssystems ein Gegenstand der regsten Aufmerksamkeit des Fürsten wurde, da seinem Scharfblick die großen Mängel des Schulwesens in der Heimath nicht verborgen geblieben waren. Der Eifer des Fürsten, seine Kenntnisse wo irgend möglich zu erweitern, erweckten ihm die Sympathie der edelsten und vornehmsten Mitglieder des englischen Volks und verschafften ihm die freundlichste Unterstützung seiner Bemühungen. In Italien war eingehendes Studium der Meisterwerke der alten und neueren Baukunst, der Plastik und Malerei des Fürsten Hauptbestreben gewesen und namentlich hatte er in Rom seinen Kunstsinn durch täglichen Umgang mit Winckelmann sowie durch den Verkehr mit andern Kennern und Künstlern, vor allem mit dem berühmten Architecten Clerisseau eifrigst zu bilden gesucht und in Neapel war er der Genosse des geistreichen Zirkels des englischen Gesandten Hamilton und verkehrte dort mit den ersten Geistern der Nation. Winckelmann war von dem ganzen Auftreten des Fürsten wie bezaubert; er strömte über in den Mittheilungen an seine Freunde von Lob über dessen Begeisterung für alles Hohe, Gute und Schöne, seinen Wissensdurst und sein richtiges Urtheil und blieb in stetem Briefwechsel mit ihm bis an sein klägliches Ende. Des Fürsten Urtheil über die von ihm durchreisten Länder und ihrer Eigenthümlichkeiten liegt in den wenigen Worten: „In England kann man ein ordentlicher Mensch werden, in Frankreich geht man unter und in Italien sind es Natur und Kunst, das Alterthum [359] mit seinen herrlichen Gebilden, die Ruinen einer untergegangenen Welt, was den Geist ernährt und erhebt, wenn auch das Herz bricht.“ Wie F. fühlte, daß diese Reisen, namentlich die nach England, wo er im Kreise der geistreichsten Männer, der anmuthigsten Damen, der hochstrebendsten Jünglinge sich bewegte, auch auf sein Benehmen und seine Gewohnheiten günstig gewirkt, bethätigt ein anderer Ausspruch von ihm: „in England habe ich erst mit Messer und Gabeln umgehen gelernt.“ Nach Beendigung der zweiten Reise, im Mai 1767, beschloß F., nunmehr gänzlich sich der Regierung seines Erblandes zu widmen. Zunächst aber traf er Anstalten zu seiner Vermählung mit der Prinzessin Luise von Brandenburg, einer Dame, die ebenso ausgezeichnet durch den Ausdruck und die Schönheit ihrer Gesichtszüge, durch die Hoheit ihrer Gestalt, ihre Würde und Haltung, als durch die Feinheit ihrer Sitten, die vortreffliche Bildung ihres Geistes und herrlichen Kunstsinns, sich die hohe Gunst König Friedrichs II. und durch die Reinheit ihres Herzens und ihre ungeheuchelte Religiosität die Liebe des Fürsten erworben hatte. Die Vermählung fand am 26. Juli 1767 in Charlottenburg statt und war die junge Fürstin wohl geeignet und bemüht, ihren Gemahl dem Könige wieder mehr zu nähern und dem Lande thunlichst die äußere Ruhe dem mächtigen Nachbar gegenüber zu erhalten und unangenehme Störungen zu vermeiden. Denn nun sollten die von F. so reichlich gesammelten Kenntnisse und Erfahrungen zum Nutzen und Gedeihen seiner Unterthanen angewendet werden und es entstanden allmälig die Schöpfungen, welche das Dessauer Land auf eine Stufe der Aufklärung, des Glückes und Wohlstandes erhoben, die früher in deutschen Ländern fast nicht bekannt war. Der Fürst wählte im folgenden Jahre 1768 für sich und seine Gemahlin Wörlitz zum Landsitz und unternahm es, diesen unansehnlichen Ort mit sumpfiger Umgebung, wo sich nur ein düsteres Jagdhaus mit einigen alten Gartenanlagen befand, zu einem Aufenhalte häuslichen Glückes und zu einer Heimath des Schönsten aus dem Gebiete der Natur und Kunst umzuschaffen. Es war diese Idee keine neue. Der Gedanke einer großen monumentalen Schöpfung, bestehend aus großartigen Gartenanlagen, mit künstlerisch ausgeführten Gebäuden und mannigfachen Kunstsammlungen, erfüllte F. schon früh. Es war der Gedanke seines Lebens und Wörlitz ist die Frucht desselben. Schon als junger Fürst, kaum über das zwanzigste Lebensjahr hinaus, erweiterte er die alten in französischem Stil gehaltenen Gartenanlagen von Wörlitz und baute in der Nähe des dortigen Jagdschlosses den sogenannten englischen Sitz oder Sommersitz. Doch mochte ihm wol bei diesen ersten Versuchen bald klar werden, wie viel ihm noch an künstlerischer Vorbildung für eine Schöpfung, wie sie ihm vorschwebte, fehlte und so ließ er die Arbeit einige Jahre liegen und nahm sie erst im J. 1768 wieder auf, sagt eine soeben erschienene Schrift über Wörlitz. Der Fürst begann also in diesem Jahre mit umsichtiger Benutzung des schon Vorhandenen, sowie des dortigen umfangreichen, weithingestreckten Sees die großartigen Gartenanlagen, die zu ihrer Zeit einzig in ihrer Art dastanden, nie von Besuchern jedes Standes leer wurden und allgemeine Bewunderung erregten, wobei wir nur auf das häufige Verweilen Herzog Karl Augusts von Weimar und seines Freundes Goethe daselbst erinnern. Und auch jetzt ziehen sie jährlich noch Tausende von nah und fern herbei. Mit diesen Anlagen zugleich begann der Bau eines entsprechenden Landhauses, das nach Erdmannsdorff’s Entwürfen in den edelsten antiken Verhältnissen bis zum J. 1773 ausgeführt wurde. Es war jedoch F. nicht vergönnt, ungestört hier seine Pläne auszuführen, schon 1770 zerstörte das Hochwasser der Elbe die schon ziemlich weit gediehenen Anlagen, führte viele der mit großen Kosten beschafften fremdländischen Bäume und Gesträuche hinweg und zerriß die ganze Gestaltung des Bodens. Aber ohne zurückzuschrecken ließ [360] F. das Verwüstete neu entstehen, benutzte die entstandenen Veränderungen der Grundfläche mit seltenem Scharfblick und bald war jede Spur des Unheils verwischt. Von Jahr zu Jahr dehnten sich die Anlagen weiter und weiter aus, geschmackvolle meist nach antiken Vorbildern ausgeführte Gebäude, geschmückt mit den besten Werken der Sculptur und Malerei erhoben sich inmitten schöngeordneter Gruppen von Bäumen und Gesträuchen, mit Verständniß gezogene Kanäle verbanden die einzelnen Flächen und Ausbuchtungen des schönen Ses und über sie gespannte zahlreiche geschmackvolle in den verschiedensten Formen ausgeführte Brücken vermittelten den Zugang zu den einzelnen Theilen der weit ausgedehnten Anlage, die erst 1808 ihren Abschluß erreichte. In ihr ist der Charakter der Gartenanlagen des Fürsten: möglichst innige Verbindung zwischen Natur und Kunst am deutlichsten ausgedrückt und seine Absicht am Schönsten gelungen. Die Wahl der An- und Aussichten, die passende Anordnung, Vermischung und Zusammenstellung der verschiedenen Baum- und Straucharten, die Vermeidung alles dessen, was Zwang und Steifheit verräth, so daß sich alles zu einer eigenen, aus den einzelnen Theilen zu einem Ganzen zusammenstimmenden Schöpfung gestaltet, müssen das Auge jedes das Schöne liebenden Besuchers noch jetzt entzücken, obwohl ja nicht zu leugnen ist, daß Manches dort nicht mehr mit dem heutigen Geschmacke übereinstimmt. – Aber F. war von Beginn seiner Regierung an nicht allein eifrigst bemüht sein Land zu verschönern, sondern auch es zu heben und in Wohlstand zu bringen. Vor allem war er demgemäß bedacht auf Sicherung des Besitzes und Steuerung plötzlicher Verarmung seiner Unterthanen, sowie auf die Versorgung der Kranken und Gebrechlichen. Zunächst wendete er seine Sorgfalt auf den Schutz der Seinigen gegen Feuersgefahr und auf die Milderung der durch Feuersbrünste entstandenen Schäden, erließ bezügliche heilsame Verordnungen, traf zweckmäßige Einrichtungen bei ausgebrochenen Bränden, deren Ausführung er möglichst persönlich überwachte und errichtete 1762 eine Landesbrandcasse. Ebenso nahm er sich der Steuerung der Verarmung seines Landes, in welchem die Nachwehen des Krieges noch sehr gefühlt wurden, auf das Eifrigste an. 1764 beschloß er die Errichtung eines Armenhauses für Bedürftige ohne Unterschied der Religion, das 1770 vollendet ward und 60 Bewohner zählte, darunter 27 Waisen, die in der Anstalt Unterricht empfingen. Dem öffentlichen Betteln steuerte er durch Errichtung eines Armendirectoriums und durch streng geregelte Vertheilung von Lebensmitteln und Almosen, besonders in den Nothjahren 1771 und 1772. Den arbeitslustigen Armen gab er Beschäftigung bei Wall-, Graben- und Straßenbauten oder durch Flachs- und Wollspinnen und das daraus gefertigte Zeug schenkte er den Armen. Er ließ Getreide aus Rußland kommen und verkaufte es wohlfeil an die Nothleidenden. Aerzte und Wundärzte wurden im ganzen Lande angestellt und Bedürftige erhielten freie ärztliche Behandlung und unentgeltlich die nöthigen Arzneien. Zur Verminderung der die Unterthanen drückenden Lasten erließ er bereits 1761 den Frohnpfennig, verminderte wiederholt die Accise und hob 1783 das Holz- und Oelgeld, eine Abgabe für Aufhebung des früheren Monopols, auf. Zum Schutze der Wittwen und Waisen seiner Beamten errichtete er 1791 eine Wittwenkasse, aus der erstern bestimmte jährliche Unterstützungen gewährt wurden. Für das öffentliche Gesundheitswesen sorgte er durch die Errichtung einer Medicinalcommission, 1793, Ertheilung unentgeltlichen Unterrichts an die Hebammen, Gründung eines Krankenhauses für arme Handwerker und dienende Personen und Anstellung eines Arztes für kostenfreie Impfung der Kuhpocken. Für eine zweckmäßige Verwaltung der Polizei wirkte eine 1786 errichtete Polizeianstalt und die 1810 entstandene Landgensdarmerie. Das Gewerbewesen wurde durch Abschaffung lästiger Innungsmißbräuche gehoben, es erfolgte ferner ein [361] Trauermandat und viele andere heilsame Verordnungen, die hier übergangen werden, sämmtlich aber einen so menschenfreundlichen Geist, einen so reinen Willen, das Gute zu befördern zeigen und in so milden und belehrenden Ausdrücken abgefaßt sind, daß man viele derselben als Muster aufstellen kann. Alle diese heilsamen Einrichtungen trug F. auch auf den nach dem Aussterben der zerbster Fürstenlinie (1793), ihm 1797 zugefallenen Antheil des Erblandes derselben über. Auch ward das mit dem Armenhause in Dessau vereinigte Zucht- und Zwangsarbeitshaus in ein eignes dazu erbautes großes Gebäude nach Zerbst verlegt. Neben allen Bemühungen für das persönliche Wohl seiner Unterthanen unterließ F. aber auch nicht, durch Abschaffung von Mißbräuchen und Einführung von Verbesserungen, namentlich im Ackerbau und in der Landwirthschaft für den Wohlstand des Landes zu wirken. Begünstigt wurde er hierbei durch den Umstand, daß der größte Theil des Landes durch Fürst Leopold Domanialbesitz geworden und daß also die zu machenden Versuche von ihm selbst ausgehen konnten und er im Stande war, seine Unterthanen von den Erfolgen selbst Kenntniß nehmen zu lassen. Es gehören hieher die Abschaffung der schädlichen Gemeinheit in Hut und Trift, die der Fürst schon damals begann, der Anbau von Futterkräutern und die damit zusammenhängende Stallfütterung. Für die Veredelung der Pferdezucht sorgte der Fürst durch Anlegung von Landgestüten. Unterstützt wurde er bei diesen Bestrebungen durch mehrere einsichtsvolle Domänenpächter, namentlich aber durch den Kammerdirector von Raumer, den er seiner Zeit zu dessen Ausbildung in der Landwirthschaft selbst mit nach England genommen hatte. Für die Vermehrung, Verbesserung und Instandhaltung der sein Erbland durchziehenden Straßen und Wege sorgte Fürst F. angelegentlichst, ebenso für die vielen Brücken über Elbe und Mulde und deren zahlreiche Arme, sowie über die vielfach vorhandenen Gräben und Lachen. Auch stellte er die 1784 vom Eisgange weggerissene Elbbrücke mit großem Kostenaufwande 1787 wieder her. Ebensowenig entzog er seine Aufmerksamkeit der Erhaltung und Verstärkung der vielfachen Wälle gegen die Ueberschwemmungen der gedachten Flüsse. Für Hebung der Obstcultur sorgte F. durch Anpflanzung von guten Obstbäumen jeder Art und ordnete zu dem Ende die Bepflanzung der größeren und kleineren Landstraßen abwechselnd mit Obstbäumen und schönen Nutzhölzern an. Ebenso förderte er auch möglichst den Anbau und die Erhaltung der Forsten durch Besetzung vieler wüster sandiger Stellen mit Nadelholz, sowie durch Verordnungen gegen die Verschwendung der Brenn- und Nutzhölzer und ließ schon 1797 durch die Schullehrer die Schüler auf den Nutzen der Pflanzungen überhaupt aufmerksam machen und sie vor muthwilliger Zerstörung derselben verwarnen. Das Bekanntwerden der fürstlichen Verordnungen, der Getreidepreise und das öffentliche Interesse sonst noch berührender Nachrichten ließ er durch ein unterm 7. Mai 1763 errichtetes Wochenblatt vermitteln. Es konnte F. bei seinen Bestrebungen für das Wohl seiner Unterthanen nicht entgehen, daß der Grund vieler Mißbräuche, des Aberglaubens und des Widerstrebens gegen seine heilsamsten Verordnungen in dem schlechten Zustande der Schulen und der mangelhaften Erziehung der Kinder überhaupt zu suchen sei. Diesen Mängeln thunlichst abzuhelfen scheute er weder Mühe noch Kosten und hierin ist der Grund der so bedeutenden und kostspieligen Begünstigung der Pläne J. B. Basedow’s zu finden. Letzterer kam im J. 1771 auf Verlangen des Fürsten nach Dessau, gewann ihn und die Fürstin schnell für seine Ansichten und errichtete in der Folge daselbst mit freigebigster Unterstützung des fürstlichen Paares die unter dem Namen des Philanthropins so bekannt und berühmt gewordene Erziehungs- und Unterrichtsanstalt, die aber trotz der Begünstigung des Fürsten, der seinen einzigen Sohn an dem Unterricht in derselben theilnehmen [362] ließ und ungeachtet des bedeutenden Anklangs, den sie in allen Schichten der damaligen gebildeten Welt fand, bald an inneren Schäden erkrankte und bereits 1793 ihre Auflösung erlitt. Für Besserung des Volksunterrichts in seinem Lande, der fast nur in den Händen abgedankter Soldaten und mittelloser Handwerker sich befand, sorgte der Fürst durch Errichtung eines Schullehrerseminars und verbesserte das Einkommen der Dorfschullehrer, denen er auch überall freundliche passende Wohnungen errichtete. Zur Neueinrichtung des gesammten Schulwesens und namentlich der Hauptschule zu Dessau, die 1785 in das schöne früher Fürst Moritz’sche Palais verlegt ward, berief F. den verdienstvollen, schon am Philanthropin thätig gewesenen Neuendorf. Der Reorganisation der Hauptschule folgte 1786 die der Töchterschule zu Dessau, dann erschien 1796 eine Schulordnung, ferner das Verbot der Winkelschulen, 1803 geschah die Errichtung von Sonntagsschulen und später die einer Industrieschule für Handarbeiten. Auch dem Schulwesen des Zerbster Antheils, namentlich dem in der Stadt Zerbst, wendete der Fürst die regste Sorgfalt zu, errichtete dort im Gebäude des früheren Gesammtgymnasiums, dem alten Barfüßerkloster, 1803 eine für Reformirte und Lutheraner gemeinsame Hauptschule und stattete sie gebührend aus, ebenso gewährte er auch der dortigen Töchterschule eine vollkommenere Neueinrichtung in einem eigens für sie beschafften Gebäude. Selbst tief religiös, ließ er sich auch Hebung und Stärkung des kirchlichen Wesens in seinem Lande sehr angelegen sein, wie so manche bezügliche Bauten beweisen. Zur wissenschaftlichen Anregung der Geistlichkeit seines Landes und um ihr den Austausch ihrer Ansichten und Meinungen zu erleichtern, stiftete F. 1787 auf Anrathen des Hofpredigers Häfeli die allgemeine Pastoralgesellschaft und bestimmte einen ansehnlichen Jahresbeitrag zum Ankaufe nützlicher theologischer Schriften, welche durch das ganze Land unter den Geistlichen circuliren sollten. Ferner war er eifrigst bemüht unter den verschiedenen Religionsparteien in seinem Lande religiöse Duldung zu verbreiten, wie er sie selbst deutlich zeigte. In keiner der von ihm gestifteten oder erhaltenen Schulen, auch nicht im Philanthropin, ebenso wenig in den Armenhäusern und in den vielen milden Stiftungen ward Rücksicht auf das Glaubensbekenntniß genommen. Obwol selbst reformirt, ermöglichte er den Lutheranern in Dessau die Beendigung eines langwierigen aus der Bauzeit ihrer[WS 1] Kirche herstammenden Rechtsstreites. Die Katholiken erhielten ein kirchliches Local mit einer Glocke und ihr Prediger eine Wohnung auf des Fürsten Kosten. Die Juden seines Landes begünstigte er nach Kräften, gab ihnen 1764 eine feste Verfassung, schaffte 1804 den Judenleibzoll ab, unterstützte die jüdischen Unterrichtsanstalten in Dessau durch jährliche Beiträge und baute den Juden in Wörlitz einen geschmackvollen Tempel, und für die Todten aller christlichen Glaubensbekenntnisse Dessau’s erfolgte 1787 die Anlegung eines höchst würdigen allgemein ansprechenden Begräbnißplatzes. Hand in Hand mit diesen Bemühungen für Wohlstand und Aufklärung seiner Unterthanen gingen des Fürsten Bestrebungen zur Verschönerung seines Landes. Der Gartenanlagen zu Wörlitz ist schon Erwähnung gethan, daneben sind noch zu nennen die Umwandlung und Verschönerung des Schloßgartens zu Dessau 1775, die Anlegung des Luisiums bei Jonitz und des Naturparks auf dem Sieglitzer Berge bei Vockerode, dem später die Umgestaltung des Zerbster Schloßgartens folgte, und gewiß ist es auch des Fürsten Anregung zu danken, daß sein Bruder, der Prinz Hans Jürge, seit 1780 durch Umwandlung einer sandigen und sumpfigen Fläche bei Dessau in einen schönen, der Georgengarten genannten Park, die Umgebung dieser Stadt verschönerte. Aber nicht nur in geschlossenen Parkanlagen gefiel sich der Schönheitssinn des Fürsten; wo es nur thunlich war, zierte er Wege, Hügel und sonstige passende Plätze in seinem Lande durch geschmackvolle Anpflanzungen [363] jeder Art, so daß der Ausspruch: er hat sein ganzes Land zu seinem Garten gemacht, vollkommen gerechtfertigt erscheint. Ihn unterstützten bei seinen Gartenanlagen mit künstlerischem Blick und regem Schönheitssinn begabte Männer, als Neumark, Eiserbeck, die Schochs, Vater und Sohn. Die vielen profanen und geistlichen Bauwerke in Städten, Dörfern und Gärten des dessauischen Landes, die F. ihren Ursprung verdanken, zeichnen sich durch Zweckmäßigkeit und Schönheit aus. Die gothische Bauart, für die er selbst, namentlich durch seine Reisen in England ein eingehendes Verständniß und eine große Vorliebe erlangt, wendete er sehr angemessen bei verschiedenen Kirchen, vor Allem bei der neuen Kirche zu Wörlitz, nicht minder bei der Neueinrichtung der Marienkirche zu Dessau an, für die Ausführung zahlreicher Gebäude in antikem Stil ist der Einfluß Erdmannsdorff’s entscheidend gewesen. Die mit dem feinsten Geschmack bewirkte Ausschmückung vieler dieser Gebäude mit den herrlichsten Werken der Malerei und Plastik ist des Fürsten eigenstes Werk; mit Glück und tiefem Verständniß ist die Beschaffung der darin befindlichen Gemälde aller Art, der Bildwerke und anderer Erzeugnisse der griechischen und altrömischen Kunst in Originalen und Nachbildungen von ihm selbst besorgt und geleitet. Bei seinen Bauten stand ihm neben Erdmannsdorff hauptsächlich der Baudirector Hesekiel zur Seite. Seine Residenzstadt, die ihm auch die Anlegung der schönen nach ihm benannten Franzstraße verdankt, schmückte Fürst F. mit vielen prachtvollen Gebäuden und weckte dadurch den Sinn für das Schöne bei den Einwohnern. Genannt davon mögen hier nur die Reitbahn, die Marstallsgebäude, das Orangeriehaus werden. Der warmen Verehrung des Fürsten für Theater und Musik verdankte seine Hauptstadt nach dieser Hinsicht hin hervorragende Genüsse. Schon 1777 brachte ein unerwarteter fürstlicher Besuch die schleunige Einrichtung eines kleinen Theaters im Schlosse, dann ermöglichte F. das Bestehen eines eigenen Hoftheaters, dessen Mitglieder, die namhafte Künstler zu den Ihrigen rechnen durften, zuerst ihre Vorstellungen auf einer in der fürstlichen Reitbahn errichteten Bühne gaben und endlich am Schlusse des Jahrhunderts erfolgte der Bau eines eigenen Schauspielhauses, dessen prächtiger Vorderbau jedoch erst von des Fürsten Nachfolger errichtet wurde. Eine sehr gute Hofcapelle unter des verdienstvollen Musikdirectors Rust Leitung, zählte ausgezeichnete Mitglieder und wirkte mit dem Hoftheater für Erhöhung des Sinns für das Schöne. Auch für die Kupferstecherkunst interessirte sich F. auf das Lebhafteste; er sammelte nicht nur selbst mit Vorliebe die besten Erzeugnisse derselben, sondern übernahm auch auf Erdmannsdorff’s Rath 1796 die durch den Baron von Brabeck gestiftete Kupferstecheranstalt, die als chalcographische Anstalt sich durch vortreffliche Arbeiten einen bedeutenden Ruf in der Kunstwelt erworben hat. Leider aber erlag sie bereits 1806 der Ungunst der Zeit. So wirkte der Fürst unermüdet für das Schöne in Kunst und Wissenschaft und für das Glück sowie für die Bildung seiner Unterthanen und lebte ein heiteres Leben im Besitze der innigsten Liebe der Seinigen, sowie der höchsten Achtung und Freundschaft der Besten des In- und Auslandes, die sich bei ihm gern einfanden, um ihn in seinen Schöpfungen zu bewundern und an seinem Umgange sich zu erfreuen. Seine Leistungen, sein[WS 2] ganzes Thun und Treiben hatten ihm eine weit über die engen Grenzen seines kleinen Landes hinausreichende Bedeutung beigelegt. Leider fehlte es aber in seinen Familienverhältnissen nicht an Trübung, seine Ehe war keine glückliche, da die Charaktere der beiden vortrefflichen Menschen nicht recht zu einander paßten, so sehr sie auch in geistiger Hinsicht übereinstimmten. Doch ehrte F. seine Gemahlin hoch, wie sie ihn und kam mit großer Zartheit stets auch dem leisesten ihrer Wünsche zuvor. Dazu kam, daß die zarte Körperconstitution der Fürstin sie zwang, fast alljährlich längere Zeit im Süden zu verweilen und demgemäß sich von Dessau [364] und ihrer Familie entfernt zu halten, der sie dadurch mehr und mehr entfremdet ward. – Immerhin war die Lage des dessauer Landes durch die unermüdliche Sorgfalt seines vortrefflichen Fürsten eine glücklichere als die vieler anderer Gegenden des deutschen Vaterlandes, als die Schrecken des Krieges, der schon seit längerer Zeit mit kurzen Unterbrechungen die Gemüther erregte, auch über Dessau’s gesegnete Fluren hereinbrachen. Es erfolgte Preußens Niederlage bei Jena am 14. Octbr. 1806, bald darauf ging der Rückzug der geschlagenen Truppen nach dem Treffen bei Halle, 17. Octbr., durch das dessauer Land und am Nachmittage des nächsten Tages stand die schöne von F. erst 1787 neu erbaute Elbrücke in Flammen. Nun ergossen sich die Massen des nachrückenden französischen Heeres über das ganze Land und Napoleon kam selbst am 21. mit einer ansehnlichen Macht nach Dessau. F. empfing den Mächtigen am Eingange des Schlosses und verstand durch die würdevolle Art, wie er die barsche Anrede erwiderte und durch sein ganzes Auftreten den Kaiser so für sich einzunehmen, daß dieser ihn lieb gewann, ihn nach Paris einlud, was der Fürst nicht als deutscher Fürst, sondern nur als Privatmann zu thun versprach, ferner alle an das Land bereits gemachten Forderungen zurücknahm und dasselbe für neutral erklärte. Ebenso gewann des Fürsten feines und biederes Benehmen die französischen Marschälle und Generale, welche Dessau berührten, als Murat, Berthier und andere, erwarb ihm deren Achtung und wendete in der Folge vieles Unglück von dem Lande ab, das ohnehin bedeutend litt, denn Durchmärsche, Plünderungen und Verheerungen waren doch nicht abzuwenden, trotz der Neutralitätserklärung. Obwol F., der seit 1796 das Seniorat des anhaltischen Fürstenhauses führte, sich dagegen wehrte, ließ sich doch bei den veränderten politischen Verhältnissen der Beitritt der anhaltischen Fürstenthümer zum Rheinbunde (13. April 1807) nicht vermeiden. In Folge dessen nahm F. in Gemeinschaft mit dem Fürsten von Anhalt-Cöthen den herzoglichen Titel an, den die fürstliche bernburger Linie schon 1806 noch von Kaiser und Reich erhalten hatte. Den übernommenen Verpflichtungen gemäß stellte der nunmehrige Herzog mit den beiden übrigen anhaltischen Häusern ein Truppencontingent von 800 Mann, dessen Direction und Inspection ihm als Senior zustand und wurde dasselbe noch zum Kriege gegen Preußen verwendet, kehrte aber in Folge des zu Tilsit abgeschlossenen Friedens bald ohne Verlust nach der Heimath zurück. In demselben Jahre noch reiste der Herzog ohne alles Gefolge nach Paris, ward dort auf das Zuvorkommendste empfangen, wohnte in Rambouillet und war fast stets in der Gesellschaft des Kaisers, der ihm zu Ehren glänzende Jagden veranstaltete. Sehr zufrieden kehrte F. nach kurzem Verweilen nach Dessau zurück, folgte aber dann noch der Einladung des Kaisers von Oesterreich nach Wien. Obwol durch den nunmehr beendigten Krieg die Ausgaben bedeutend gesteigert worden waren, hatte F. doch neue Auflagen zu vermeiden gewußt und fuhr nach wie vor mit seinen Verbesserungen in allen Zweigen der Verwaltung unermüdet fort. Er wäre zwar schon im J. 1801 berechtigt gewesen, das fünfzigjährige Jubiläum seiner Regierung festlich zu begehen, lehnte es aber mit dem Bemerken ab, er wolle den Todestag seines Vaters nicht feiern. Nun stand aber die Wiederkehr des Tages bevor, an dem er vor fünzig Jahren die Regierung selbst übernommen, der 20. Octbr. 1808, und den zu feiern ließ sich sein Volk nicht nehmen. Wenn auch der Herzog die beabsichtigte Errichtung eines Standbildes mit dem allererkenntlichsten Dank, aber mit der Bitte ablehnte, ein Jeder möge das dazu bestimmte Geld zum Nutzen der Seinigen und anderer Hülfsbedürftiger verwenden, so konnte und wollte er die übrigen beabsichtigten Festlichkeiten nicht verhindern. So feierte er denn mit dem Lande am 20. October 1808 sein fünfzigjähriges Regierungsjubiläum: es war ein wahres Volksfest, ein [365] Fest der innigsten Liebe und Dankbarkeit. Zum Gedächtniß dieses Tages führten die Reformirten und Lutheraner in Zerbst an demselben ein gemeinsames Gesangbuch ein. Der fast nie ruhende Krieg schlug dem Lande in den nächsten Jahren tiefe Wunden, obwol es F. stets gelang, mit den französischen Machthabern im Lande selbst und in den angrenzenden westfälischen Districten in gutem Vernehmen zu bleiben, so daß selbst durch das Thun und Treiben Schill’s, der auf seinem abenteuerlichen Zuge Dessau berührte und dort den Druck von Proclamationen erzwang, keine Mißhelligkeiten erwuchsen, doch aber waren Durchmärsche und Lieferungen nur selten abzuwenden. Gegen Oesterreich mußte 1809 ein Bataillon gestellt werden, welches in Tirol Verwendung fand, aber dann ohne namhaften Verlust erlitten zu haben, nach dem Abschlusse des Friedens nach Spanien marschiren mußte, wo es 1810 in Catalonien völlig aufgerieben wurde, so daß nur geringe Reste das Vaterland wiedersahen. Ein neu formirtes Bataillon mußte 1812 mit nach Rußland gehen und ward bei Kowno zersprengt, worauf sich die Reste nach Danzig zurückzogen und dort die Schicksale der Besatzung bis zu der am Schlusse des Jahres 1813 erfolgten Uebergabe der Festung theilten. Im J. 1811 zwangen die Verhältnisse den Herzog, seine Unterthanen mit einer mäßigen Grundabgabe zu belegen und unterm 16. August 1812 erließ er ein Conscriptionsgesetz, in welchem die höheren Classen der Bevölkerung die möglichste Schonung fanden. Seit dem am 5. Mai 1812 erfolgten Ableben des Herzogs August Christian Friedrich von Anhalt-Cöthen leitete F. als Senior des Hauses, für den minderjährigen Nachfolger, den Herzog Ludwig, als Vormund die Geschicke des cöthenschen Landes. Er bemühte sich vor allen Dingen dort die durch die Extravaganzen des vorigen Herzogs fast aus den Fugen gegangene Regierungsmaschine wieder in gehörigen Gang zu bringen und verwaltete dann das Land nach für dasselbe passenden, den seinigen thunlichst angepaßten Grundsätzen. Der im J. 1813 gegen Napoleon ausbrechende Rachekrieg brachte dem Lande wiederum viele und schwere Drangsale, es litt sehr durch die vielen Durchmärsche französischer, russischer, preußischer, schwedischer und Rheinbundstruppen, sowie durch die zahllosen Lieferungen; viele Verheerungen wurden durch Plünderung und Zerstörung von Wohnungen, Verwüstung der Pflanzungen, Verbrennung der Brücken angerichtet und nirgends ward Schadenersatz geleistet. Die Ausgaben stiegen auf eine nie dagewesene Höhe, und da die Einnahmen meist ausblieben, mußte F. zu einer Anleihe im Lande seine Zuflucht nehmen. Er selbst half wo er konnte und schränkte sich selbst auf das Aeußerste ein, das Theater war längst geschlossen, die Kapelle feierte und selbst sein Silbergeschirr gab F. wiederum her. Denn er hatte selbst nichts mehr und mußte sich zu der öffentlichen Bitte verstehen, man möge ihm doch nicht mehr mit Gesuchen um Geldunterstützung nahen, er sei nicht mehr im Stande solche zu berücksichtigen. Als die Verbündeten im Frühjahr 1813 bei Roßlau die Elbe überschritten, waren noch mehrere Theile des dessauer und cöthenschen Landes, sowie der ganze altbernburgische Antheil in französischem Besitz und doch mußte F. sofort für Dessau und Cöthen ein Bataillon leichter Truppen zum verbündeten Heere stellen, das in Mecklenburg gegen die Franzosen verwendet wurde, dann am 16. September am Treffen an der Göhrde theilnahm und endlich am 10. Decbr. bei Sehnstädt unweit Rendsburg fast ganz in dänische Gefangenschaft gerieth. Das Vorrücken der Franzosen nach der Schlacht bei Groß-Görschen und der Waffenstillstand brachten Anhalt wieder in die Hände der Franzosen, die das Land durch harte Einlagerungen aufs neue sehr drückten. Bei der persönlichen Anwesenheit Napoleons mußte der Herzog dem Bataillon in Mecklenburg, daß ohne seine Genehmigung und Theilnahme von den Russen mitgenommen worden sei, befehlen [366] in das Vaterland zurückzukehren, widrigenfalls die Mitglieder als Rebellen angesehen werden und ihres Vermögens verlustig gehen sollten; natürlich ohne Erfolg, das Bataillon ward in englischen Sold übernommen und nahm ferner am Kriege gegen die Franzosen Theil. Ferner mußte das gesammte anhaltische Land schleunigst mit den enormsten Kosten ein Regiment Jäger zu Pferde ausrüsten und zur französischen Armee stellen, welches aber nach kurzem Bestehen bereits in der Schlacht bei Kulm zersprengt ward und größtentheils in Gefangenschaft gerieth. Die Schlacht bei Leipzig brachte endlich die Erlösung. Schon am 1. December konnte F. für sich und das cöthensche Land von dem ihm wenig sympathischen Rheinbunde zurücktreten und sich nunmehr der Sache der Verbündeten ohne Rückhalt hingeben. Das Liniencontingent ward in nächster Zeit durch die Reste des in Danzig und Mecklenburg gestandenen Bataillons, sowie durch neue Einstellungen complet gemacht, die Landwehr ward errichtet und ein nicht geringer Theil der dazu erforderlichen Kosten durch freiwillige Beiträge gedeckt und so ward es möglich, daß schon im Februar 1814 zwei Bataillone Linie und Landwehr und eine Abtheilung freiwilliger Jäger zu der verbündeten Armee nach den Niederlanden abgehen konnten, wo sie bei der Vertheidigung von Tournay gegen General Maison am 31. März mit Auszeichnung kämpften. Der Errichtung der Landwehr folgte die des Landsturms in beiden Herzogthümern am 15. März 1814. Die beiden ältesten Enkel des Herzogs, die Prinzen Leopold und Georg nahmen als Freiwillige bei dem österreichischen und preußischen Heere am Feldzuge Theil. Ebenso fand das anhaltische Contingent mit den freiwilligen Jägern auch im Feldzuge 1815 und zwar bei der Belagerung mehrerer Festungen an der französischen Nordgrenze Verwendung und am 8. Juni dieses Jahres erfolgte der Beitritt des Landes zum deutschen Bunde. – Die Lasten des Krieges und ihre Folgen hatten natürlich bedeutend den Einklang zwischen Staatseinnahmen und Ausgaben gestört und den Herzog, wie schon gesagt, bereits im J. 1811 zur Ausschreibung einer auf den Grundbesitz gelegten Steuer gezwungen, dieser folgte im J. 1813 die Aufnahme einer freiwilligen Anleihe im Lande und 1814 eine allgemeine Gehalts-, Gesinde- und Gewerbesteuer. Aber bald erholte sich das Land, weise Sparsamkeit und der Antheil an den englischen Subsidien und der französischen Kriegscontribution thaten das ihrige, so daß das 1813 aufgenommene Anlehen schon 1816 größtentheils zurückgezahlt werden konnte. Auch sonst verschwanden die Spuren des Krieges ziemlich schnell, die niedergebrannten Gebäude erstanden mit Hülfe des Herzogs aus der Asche, die zerstörten Brücken wurden hergestellt, die Lücken in den vielfach niedergehauenen Baumreihen ergänzt. – Schwere Verluste in seiner Familie ließen den greisen Herzog in seinen letzten Lebensjahren mehr und mehr vereinsamen. Der 21. December 1811 entriß ihm die Gemahlin, deren Werth er stets zu schätzen verstand, wenn auch sonst die Gemeinschaft mit ihr sich fast gänzlich gelöst hatte. Dann verlor er am 27. Mai 1814 sein einziges Kind, den Erbprinzen Friedrich, der schon seit längeren Jahren an den Regierungsgeschäften theilgenommen und deren Last ihm wesentlich erleichtert hatte, wie denn derselbe während der schweren Kriegsjahre das Militärwesen selbständig leitete. Bei dem noch jugendlichen Alter des nunmehrigen Erbprinzen Leopold Friedrich, des ältesten Sohnes des verstorbenen Erbrinzen aus dessen Ehe mit der Prinzessin Christiane Amalie von Hessen-Homburg, hielt F. zu seiner Unterstützung die Einsetzung einer Regierungscommission für geboten, doch aber ließ er seinen Enkel an manchen Regierungsgeschäften theilnehmen und war selbst dabei nach Möglichkeit noch thätig. Nachdem er noch im J. 1816 die Freude gehabt, den Erbprinzen mit der Nichte des von ihm so hochverehrten Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen, der Prinzessin Friederike Luise Wilhelmine Amalie, verlobt zu sehen, erfolgte im [367] nächsten Jahre sein Heimgang. Eine durch einen Sturz mit dem Reitpferde verursachte innere Verletzung warf den greisen Fürsten in dem Lustschlosse in Luisium auf das Krankenlager, von dem er nicht wieder erstand. Er starb am letzten Tage seines 77. Lebensjahres, den 9. August 1817 im 59. Jahre seiner Regierung, tief betrauert von seiner Familie und seinen Unterthanen und ruht mit seiner Gemahlin in der von ihm begonnenen, von seinem Enkel und Nachfolger vollendeten Gruft im Thurme der Kirche des Dorfes Jonitz bei Dessau. – Herzog F. war ein großer, kräftig gebauter Mann mit scharf ausgeprägten Gesichtszügen, in denen stets eine eigenthümliche Güte nicht zu verkennen war. Sein Auftreten war im Verkehr mit allen Ständen ein sicheres und angemessenes. Er wußte jeden zu behandeln und zu gewinnen. Kein Zweig des öffentlichen Lebens entzog sich seiner Aufmerksamkeit und Fürsorge. Recht und Gesetz, Kirche und Schule, Kunst und Wissenschaft, Handel und Gewerbe, Pflege der Armen und Kranken, Wittwen und Waisen lag ihm gleichmäßig am Herzen. Der durchgehende Zug seines Wesens war die Verbindung des Schönen mit dem Nützlichen, daher läßt sich seine Vorliebe für die schöne Bau- und Gartenkunst erklären. Sein Urtheil war ein gediegenes, sein Geschmack ein gereifter und bewährter. Er las die besten Schriftsteller Frankreichs, Englands, Italiens, deren Sprache er sprach und verstand und verschloß sich dabei keineswegs der vaterländischen Litteratur, die er im Gegentheile sehr hoch schätzte und mit deren ersten Vertretern er in enger Verbindung stand. Sein Arbeitszimmer, wie seine Schlösser und Landsitze waren mit feiner Auswahl mit den hervorragendsten Werken der Malerei und Sculptur geziert. Prunklos war seine Haushaltung sowie seine Kleidung, am liebsten trug er seine einfache rothe Jagduniform, denn in der Jagd fand er seine erwünschteste Erholung. Steife Formen waren ihm verhaßt, ebenso glanzvolle Hoffeste. Einfach und zwanglos war seine Tafel, zu der Gebildete von jedem Stande gezogen wurden. Er lebte in seinem Lande wie ein Vater unter seinen Kindern, unterhielt sich häufig mit seinen Unterthanen aus allen Schichten der Gesellschaft, war stets gütig, oft sogar zutraulich in seinen Gesprächen und wenn er Gelegenheit zu Mißfallensäußerungen hatte, waren sein Zorn und seine Strenge fast nur auf Augenblicke beschränkt. Er genoß die allgemeine Liebe und Verehrung von Groß und Klein, Alt und Jung. Zu Fuß und zu Pferde zeigte er sich oft ganz allein auf Straßen und Wegen, jeder kannte und grüßte ihn und er grüßte jeden freundlichst wieder ohne Rücksicht des Alters oder Standes. Da zeigten dann die Eltern den Kindern mit innigster Verehrung den greisen Fürsten, den Vater Franz, wie er allgemein genannt wurde und dessen Andenken bei den Nachkommen seiner dessauer Unterthanen auch jetzt noch nicht erloschen ist. Ein ehernes von Kiß entworfenes Standbild ward ihm 1858 in seiner Residenzstadt errichtet.

Anonym: Herzog Leopold Friedrich Franz und seine Zeit, Dessau 1854. Dr. W. Hosaeus, Wörlitz, Dessau 1883. Zeitgenossen, Bd. II, Leipzig 1828. Keil, Leopold Friedrich Franz Herzog und Fürst von Anhalt-Dessau, Dessau 1845.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ihres
  2. Vorlage: seine