ADB:Lange, Johannes
Joachim Camerarius sich befand, die Schriften des Plinius. Da er aber, wie mehrere seiner Vorfahren, Medicin zu studiren beabsichtigte, begab er sich nach Italien und zwar nach Ferrara, woselbst der berühmte Nicolo Leoniceno, der Illustrator des Dioscorides, in hohem Alter noch lehrte. Hierauf ging er nach Bologna, wo er sich längere Zeit aufhielt und außer Studien über griechische Litteratur und über Philosophie, die er machte, in der Medicin von Ludovicus dei Leoni, in der Chirurgie von Berengario de Carpi unterwiesen wurde. In Pisa wurde er 1522 zum Doctor med. promovirt und kehrte darauf aus Italien nach Deutschland zurück. Er wurde bald zum Leibarzt des Kurfürsten von der Pfalz ernannt und nahm diese Stellung bei diesem und vier seiner Nachfolger, im ganzen über 40 Jahre lang, ein. Er behandelte seine Gebieter nicht nur vielfach mit Glück in gefährlichen Krankheiten, sondern begleitete sie auch, namentlich den Kurfürsten Friedrich II., 37 Jahre lang auf weiten Reisen nach Spanien, Frankreich, Italien und dem größten Theile des übrigen Europa; zweimal stand er mit dem letzteren gegen den Sultan Soliman im Felde. Kurfürst Otto Heinrich, der Nachfolger Friedrichs II., ernannte ihn nach dem 1556 erfolgten Tode desselben zum Minister und geheimen Rath und beehrte ihn mit seinem vollsten Vertrauen. Der Tod des hochverdienten Arztes erfolgte im Alter von 80 Jahren zu Heidelberg am 21. Juni 1565. – Das Hauptwerk seines Lebens, welches er, außer einigen kleinen Schriften, herausgab, sind die von ihm, nach dem Vorbilde der Italiener verfaßten „Epistolae medicinales“. Die erste Sammlung derselben 1554 zu Basel in 4° unter dem Titel „Medicinalium epistolarum miscellanea varia ac rara cum eruditione, tum rerum scitu dignissimarum explicatione referta ut ejus lectio non solum medicinae, sed omnis etiam naturalis historiae studiosis plurimum sit emolumentum allatura“ erschienen, enthält deren 83; die „Miscellanea secunda“ mit 61 Briefen erschienen 1560. In späteren Ausgaben, die erst nach Lange’s Tode herauskamen, sind dieselben gesammelt, zwei Bücher darstellend, und noch durch ein drittes Buch vermehrt, welches von seinem Verwandten Dr. Georg Wirth, einstigem Leibarzte Karls V. und Philipps II., der von L. zum Erben eingesetzt worden war, aus den nachgelassenen Papieren desselben herausgegeben worden ist. Der Titel von zwei uns vorliegenden Ausgaben in 8° Francofordi 1589 und Hanoviae 1605 lautet daher: „Joann. Langii Lembergii, V. Palatinorum Electorum archiatri, Epistolarum medicinalium Volumen tripartitum, denuo recognitum, et dimidia sui parte auctum“. Denselben ist ein an Wirth gerichtetes Vorwort des Juristen Nicolaus Reusner, welches auch eine kurze Biographie von L. enthält, sowie ein Bildniß desselben in Holzschnitt beigegeben. Das hinzugefügte dritte Buch stellt aber keineswegs eine Vermehrung des Ganzen um die Hälfte dar, sondern macht bei Weitem noch nicht ein Viertel desselben [638] aus. Elf von den ersten 83 Briefen, welche chirurgische Gegenstände betreffen, wurden als „Themata aliquot chirurgica“ von dem berühmten Konrad Gesner in Zürich in seiner „Chirurgia. De chirurgia scriptores optimi quique veteres et recentiores etc.“, Tiguri 1555, Fol. 311, von Neuem abgedruckt. – Von L. wurde die bei Schädelverletzungen in Deutschland fast außer Gebrauch gekommene Operation der Trepanation wieder eingeführt und mit ihr ein schon von Galenus erwähntes Trepanationsinstrument, welches eine Vorrichtung besitzt, um ein tieferes Eindringen oder Eintauchen in die Schädelhöhle, als erforderlich ist, zu verhüten und daher Trepanum abaptiston genannt wird. Als er in einer Gesellschaft von Collegen dieses Instrumentes Erwähnung that, wurde ihm vorgehalten, daß er in Deutschland etwas „Ungetauftes“ nicht finden werde, wo zwar chirurgische Instrumente nicht, wol aber Glocken und Kinder getauft würden; in Rom aber, von woher er komme, könne allerdings der Papst eine Ausnahme von der Regel gestatten. Im Uebrigen erfreuten sich die Epistolae medicinales bei Lange’s Zeitgenossen großer Anerkennung. – Auch gegen den Aberglauben, wie er namentlich durch die damaligen Kalender gefördert wurde, welche bestimmte Tage angaben, an welchen es gut sei, dieses oder jenes vorzunehmen, zog er zu Felde; ebenso eiferte er gegen die Harnbeschauer und die herumziehenden zahlreichen Pseudoärzte und suchte den von ihnen ausgehenden Betrügereien zu steuern.
Lange: Johannes L., kurpfälzischer Leibarzt zu Heidelberg, einer der ausgezeichnetsten Aerzte im Anfange des 16. Jahrhunderts, war 1485 zu Löwenberg in Schlesien geboren, besuchte die Universität Leipzig und erhielt 1514 von dem damaligen Decan Peter Wirth, einem seiner Verwandten, die Magisterwürde. Bei seiner Neigung für philosophische und naturhistorische Studien erklärte er selbst einigen Studenten, unter denen auch der später berühmt gewordene- Vgl. die erwähnte Biographie von Reusner. – Melchior Adam, Vitae Germanorum medicorum etc., Heidelbergae 1620, p. 140. – Gottlieb Stolle, Anleitung zur Historie der medicin. Gelahrtheit, Jena 1731, S. 181.