ADB:Kolroß, Johannes
Sixt Birk (Allg. d. Biogr. II, 657) angeregt war. Unter den Liedern, die ihm mit Wahrscheinlichkeit zugeschrieben werden, ist das weitverbreitete, alle Hauptgedanken der Reformation umfassende, aber milde und weiche Morgenlied auszuzeichnen: „Ich dank dir, lieber Herre, daß du mich hast bewahrt“. Es klingt in die Bitte aus: „Daß wir im Fried entschlafen, mit Gnaden zu uns eil, gieb uns des Glaubens Waffen fürs Teufels listig Pfeil.“ Bei einem anderen sehr bekannten Liede: „So Gott zum Haus nicht giebt sein Gunst“, wird Kolrosens Autorschaft erst seit dem Beginn des 17. Jahrhundertes behauptet. [497] Die Nachricht, daß K. „ein christlicher Lehrer und Pfarrer unserer (d. h. der protestantischen) Kirche“ im J. 1558 gestorben, findet sich zuerst in Georg Goezius Liederbetrachtung, herausg. von Olearius (Jena 1703) S. 48; sie ist oft, auch ungenau und falsch wiederholt, aber nie verificirt worden.
Kolros: Johannes K., Orthograph, Dramatiker, geistlicher Liederdichter. Er nennt sich „deutsch Lehrmeister zu Basel“ und schreibt als solcher, vermuthlich im J. 1529 (spätere Ausgaben 1534, 1564) sein „Encheridion“ (so), ein Handbuch der Orthographie, eine Anleitung zum Lesen und Schreiben, ein Lehrbuch für Kinder und Erwachsene, welches insbesondere dem plötzlich durch die Reformation und die deutsche Bibel gesteigerten Lesebedürfnisse entgegenkommen will und daher auch über die Benutzung und das Verständniß der Bibelcitate ausführlichen, höchst populären Unterricht ertheilt. Es ist „vornehmlich für die Hochdeutschen gemacht“, nimmt aber auch auf mundartliche, speciell auf schwäbische Abweichungen Rücksicht. Man sieht darin, wie der Unterricht im Deutschen anfängt, eine deutsche grammatische Terminologie herauszubilden: die Vocale heißen Stimm- oder Lautbuchstaben oder blos Stimmen oder Rufer; die Diphthonge Doppel- oder gülden Stimmen; die Consonanten mitstimmende, heimliche, stumme oder todte Buchstaben. Es gelingt dem Verfasser nicht, die Umlaute und Diphthonge richtig zu scheiden. Er versucht sich in sehr elementaren und, wie man denken kann, sehr mangelhaften Angaben über die Hervorbringung und den Klang der Laute. Bei den Consonanten gebraucht er zum Theil ganz drastische Bilder: den reinen Consonant m vergleicht er mit dem Tone, den eine Kuh von sich giebt, wenn sie zu brüllen anfangen will, oder mit dem des großen Rohres in der Sackpfeife; das ch klingt nach ihm, als wenn man in die Hand haucht oder „wie eine Gans pfeift, die Junge hat, so man gegen ihr geht“. – Kolrosens Drama, das „Spiel von fünferlei Betrachtnissen“ (Basel 1532, zweite Ausgabe 1535), ist ein rechtes volksthümliches Lehrstück, wie sie zu Basel beliebt waren. Es beruht auf dem Motive des Todtentanzes und enthält neben ein paar frischen drastischen Scenen breit erbauliche, mit Bibelstellen reichlich geschmückte Partien: einen weltlich gesinnten Jüngling trifft der Tod mit seinem Pfeile, verschont ihn aber und der Sünder bessert sich, folgt den Vorschriften des Prädicanten, widersteht den menschlichen Versuchern wie dem Teufel: ein Engel lehrt ihn den Weg zum Paradies und führt ihn dahin. Ein schlecht erzogener, religiös verwahrloster Knabe dagegen wird vom Tod erschossen und vom Teufel in die Hölle befördert. Chöre singen am Anfang, am Ende und zwischen den drei Scenen oder Acten sapphische Strophen, zu denen K. wohl durch- Raumer, Unterricht im Deutschen, S. 15. Weller, Volkstheater der Schweiz, S. 20. Goedeke, Every–man S. 77–86, 218 f. Ph. Wackernagel, Kirchenlied 3, 85–89. Fischer, Lieder-Lexikon, S. 325, 405.