ADB:Klöntrup, Johan Aegidius
Klöntrup: Johan Aegidius K. wurde am 30. März 1755 in Glane, Kreis Iburg, geboren. Er besuchte bis Ostern 1774 das Rathsgymnastum in Osnabrück. Nach einem kürzeren Aufenthalte in dem Städtchen Melle bei Osnabrück studirte er vom Mai 1775 bis Ostern 1778 in Göttingen Jurisprudenz. Im Mai desselben Jahres suchte er die Zulassung als Advocat des Hochstiftes Osnabrück nach. Nachdem er sich im Sommer und Herbst desselben Jahres als Secretär des kaiserlichen Kammerherrn v. Hammerstein auf Haus Gesmold im Kreise Melle aufgehalten hatte, bestand er die vorgeschriebene Prüfung und nahm im Herbst 1778 als Advocat seinen Wohnsitz in Osnabrück. In den Jahren 1781 und 1782 wohnte er in Melle und Quakenbrück, von 1783 bis 1793 wieder in Osnabrück. Im J. 1794 finden wir ihn auf dem Gute Bruche bei Melle als Secretär des Grafen v. Münster thätig. Nach Osnabrück zurückgekehrt verheirathete er sich im Mai 1797 mit Marie Adelheid Hakmann, der Wittwe seines Freundes E. F. Berghof. Der Ehe entsprossen zwischen 1798 und 1807 ein Sohn und drei Töchter. Bis zum Jahre 1808 erscheint K. in der Liste der in Osnabrück wohnhaften Advocaten. Nach Einführung der französischen Verwaltung, welche die Zahl der Rechtsanwälte in der Stadt auf ein Drittel reducirte, scheint er hier nicht länger eine befriedigende Thätigkeit gefunden zu haben. Im J. 1811 bewarb er sich vergebens um eine Stelle als Advocat im Oberemsdepartement, Arrondissement Osnabrück, wurde dagegen im selben Jahre als Notar des Kantons Berge im selben Bezirke vereidigt. Seine Frau war 1807 gestorben. Nach der Restauration hielt er sich, wie es scheint, ziemlich mittellos und gebrechlich in Quakenbrück auf. Seine Kinder wurden von Verwandten aufgezogen. Als er am 25. April 1830 aus der Apotheke in Badbergen, wo er Beschäftigung und Geselligkeit zu finden pflegte, nach Quakenbrück zurückkehrte, ertrank er in einem Teiche in der Bauerschaft Lechterke und wurde in Badbergen „gratis“ begraben.
K. verdient als Jurist, Dialektforscher und als lyrischer Dichter Beachtung. Als letzterer hat er freilich kein einziges Gedicht aufzuweisen, welches dauernde Schätzung fand. Aber für die Geschichte des Göttinger Hainbundes und der poetischen Stimmung der siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts überhaupt haben seine Erzeugnisse erheblichen Werth. Die wenigen aus seiner Gymnasialzeit erhaltenen Oden zeigen den Einfluß Klopstock’s und der Macpherson’schen Uebersetzung des Ossian.
In Göttingen schloß er innige Freundschaft mit einzelnen Mitgliedern des dortigen Dichterbundes, namentlich mit Friedrich Hahn. Er muß sich selber als Mitglied der Vereinigung angesehen haben, er spricht in der Ode „Beim Abschied einiger Freunde“ 1775 von „unserm Bunde“, noch im Jahre 1779 klagt er: „Verstummt ist nun der Hainegesang“. Als seine besonderen Freunde nennt er, außer Hahn, v. Closen und Krause. In den von 1775 ab entstandenen Gedichten und Liedern macht sich der Einfluß von Goethe’s Lyrik geltend. Sie sind meist von Leidenschaft oder Schwermuth getragen. Eine mildere, friedlichere Stimmung liegt über den Oden, Elegien und Liebesliedern, zwischen 1780 und 1783.
In den Jahren 1793 bis 1795 regte ihn der Zorn über Deutschlands Schmach und die Begeisterung für den jungen nordamerikanischen Staat, das neue Frankreich und heldenmüthige Polen zu Gesängen an, wie „An Deutschland“, „Nachtgesang“, „An Broxtermann“, denen fast nur noch eine Anzahl meist satirischer Epigramme, zum Theil in niederdeutscher Sprache, folgen. Ihr bisweilen derber, einige Male cynischer Ton scheint auf den von K. hochgeschätzten Maler Müller zurückzugehen. Von Klöntrup’s Hand sind zwei [239] Sammlungen seiner Gedichte erhalten. Aus dem geliebten Ossian nimmt er eine Stelle des Gedichts Croma V. 48–58 zum Motto, wie er denn zur Bearbeitung aus demselben nur Strophen düsterer Klage und Trauer wählt. Von den 106 Nummern der Sammlung stehen 15 in den Göttinger Musenalmanachen von 1784–86 und 1789, andere im „Westphälischen Magazin“ und in Leipziger Musenalmanachen. Eine kleine Auswahl gibt J. Riehemann, Osnabrücker Dichter und Dichtungen. Osnabrück 1903, einige niederdeutsche H. Hartmann in seinem Schatzkästlein westfälischer Dichtkunst. Minden 1885, drei Fr. Runge in seinem Aufsatze über K. in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte von Osnabrück 23, 91 ff. (1898). Vgl. auch Korrespondenzblatt des Vereins f. ndd. Sprachforschung 14, 50 ff. und 57 f. (1890).
Wie manche seiner Zeitgenossen war der jugendliche K. von einem so glühenden Verlangen nach Natur, Liebe und Freundschaft beseelt, daß das Leben nicht verfehlen konnte, an die Stelle der „Wonne der Wehmuth“ jene tiefe Enttäuschung, jenen tiefen Gram zu setzen, der uns in manchen seiner Gedichte entgegentritt. Leicht hätte er an diesem Lebensüberdrusse zu Grunde gehen können. Denn die Lust zum Erwerben und Bewahren, die nach Justus Gruner’s Zeugniß (Wallfahrt zur Ruhe und Hoffnung II, 526) damals einem Osnabrücker Advocaten die Gewinnung eines Vermögens leicht machte, hat ihm sein Leben lang gefehlt. Glücklicher Weise trat der Trieb dazwischen, das heimathliche Recht zu ergründen und es litterarisch darzustellen, und schuf aus einem mäßigen Poeten mit verdüsterter Seele den besten und scharfsinnigsten Kenner jenes Zeugen altgermanischen und mittelalterlichen Wesens, kurz ehe es unterging.
Schon 1782 gab K. mit seinem Freunde J. Fr. A. Schledehaus „Das osnabrückische gemeine Markenrecht“ heraus. Es sollte eine Probe eines Werkes über das Osnabrückische Recht sein, an welchem die beiden seit 1779 arbeiteten. Dasselbe ist nicht weiter erschienen und das Manuscript wie auch die anderer ungedruckter Schriften Klöntrup’s verloren.
Es folgten: „Von den Erbexen und Gutsherrn in Rücksicht auf das Markenrecht“ (Osnabrück 1783); „Beytrag zu einer nöthigen Revision von der Lehre von der (ehelichen) Gemeinschaft der Güter“ (ebd. 1791). Sein Hauptwerk ist: „Alphabetisches Handbuch der besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück mit Rücksicht auf die benachbarten Provinzen“ (3 Bde., Osnabrück 1798–1800); „Abhandlung von der Lehre vom Zwangsdienste, den die Kinder einiger Eigenbehörigen ihren Gutsherrn leisten müssen“ (ebd. 1800); „Bemerkungen zu einer künftigen Theorie von dem Anerbrechte bey westphälischen reihepflichtigen Bauerngütern“ (ebd. 1802); „Beitrag zur Lehre von dem Anerbrechte bei Osnabrückischen freien Bauerngütern“ (1802); „Beitrag zur Bestimmung der weiblichen Erbfolgeordnung in den osnabrückischen Lehngütern“ (Osn. 1808). Andere juristische und satirische Abhandlungen stehen in den „Westphälischen Beiträgen“ und im „Osnabrücker Intelligenzblatte“. Im J. 1815 kündigte er eine vollständige Theorie, einen vergleichenden Commentar über die Hörigkeit und das sogenannte Leibeigenthum an. Das Werk ist nicht erschienen.
Als Schüler durch Möser angeregt ist der juristische Schriftsteller Klöntrup „den Rechtsgewohnheiten des Volkes bis in die innersten Winkel nachgegangen und hat seine Einrichtungen in ihrer historischen Entwicklung bis ins Kleinste erfaßt und mit großer Schärfe dargestellt“. Sein Handbuch wird, wie es dem Studium der mittelniederdeutschen Sprache wesentliche Dienste geleistet hat und noch leistet, auch der westfälischen und niedersächsischen Geschichtsforschung unentbehrlich bleiben.
[240] Das Lesen der niederdeutschen Rechtsurkunden führte K. Vom Jahre 1782 ab auch auf die Beobachtung und Sammlung der heimischen niederdeutschen Sprache. So entstand bis 1820 sein „Niederdeutsch-Westphälisches Wörterbuch“ (in südosnabrückischer Mundart), welches seiner Zeit als die erste lexikalische Darstellung der westfälischen Volkssprache den deutschen Philologen von großem Nutzen hätte sein können und sie vor manchem Irrthume hätte bewahren können, wenn des Verfassers Bemühungen um die Herausgabe von Erfolg begleitet gewesen wären. Die Handschrift ist, wie die eine Handschrift seiner Gedichte, im Besitz des Rathsgymnasiums in Osnabrück. Ein Auszug daraus steht in Bezzenberger’s Beiträgen zur Kunde indogermanischer Sprachen II. Vgl. auch Runge in den Osnabrücker Mittheilungen 23, S. 86–90.