Zum Inhalt springen

ADB:Karmarsch, Karl

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Karmarsch, Karl“ von Christian Moritz Rühlmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 400–409, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karmarsch,_Karl&oldid=- (Version vom 10. November 2024, 18:28 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Karoch, Samuel von
Band 15 (1882), S. 400–409 (Quelle).
Karl Karmarsch bei Wikisource
Karl Karmarsch in der Wikipedia
Karl Karmarsch in Wikidata
GND-Nummer 118776835
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|15|400|409|Karmarsch, Karl|Christian Moritz Rühlmann|ADB:Karmarsch, Karl}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118776835}}    

Karmarsch: Karl K., der berühmteste, verdienstvollste deutsche Technolog, wurde am 17. October 1803 in Wien von braven, aber nicht sehr bemittelten Eltern geboren. Sein Vater war Schneidermeister und bekleidete als solcher das Amt eines sogenannten Abrichtemeisters, welchem die Anweisung und Ueberwachung derjenigen Gesellen oblag, die mit der Anfertigung ihres Meisterstückes beschäftigt waren. Die nicht immer ganz sorgenfreie Ehe war mit 12 Kindern gesegnet und zwar war unser Karl das zweite. Den ersten Schulunterricht erhielt K. von 1809–1814 in der zur Pfarrkirche am Hofe gehörigen Volksschule, worauf der Besuch der Normalhauptschule und dann der sogenannten Realakademie zu St. Anna folgte. Im November 1817 trat K. in die commercielle Abtheilung des 1815 gegründeten Wiener Polytechnischen Instituts. Die gedachte [401] Abtheilung desselben absolvirte er mit glänzenden Zeugnissen, konnte jedoch keinen Platz auf einem kaufmännischen Comptoir erlangen und entschloß sich deshalb 1818 in die technische Abtheilung des Polytechnischen Instituts zu treten. Mit ganz besonderem Erfolge studirte er hier Physik unter Neumann, Chemie unter Scholz und Technologie unter Altmütter. Letztgenannter Professor wählte im November 1819 K. zu seinem Assistenten und damit beginnt seine Laufbahn als Forscher, Schriftsteller und Lehrer. Für alle drei Richtungen bildete sich K. durch das eifrigste Selbststudium fort, obwol er die Technologie als Hauptfach vorzugsweise im Auge behielt, worin er durch die von Altmütter am Wiener Polytechnikum angeschafften, außerordentlich reichen Sammlungen von Werkzeugen und Fabrikaten sehr unterstützt wurde. Von der Emsigkeit seiner Selbstunterrichtsbestrebungen während der vier Assistentenjahre (1819–1823) entwirft K. in seiner Selbstbiographie (vom Professor Hoyer in München herausgegeben unter dem Titel: „Karl Karmarsch. Ein Lebensbild gezeichnet nach dessen hinterlassenen Erinnerungen aus meinem Leben.“ Hannover 1880. Die hier aufgenommene Stelle befindet sich Seite 12) folgendes Bild: „Ich legte mir kleine Sammlungen von Mineralien und Drogueriewaaren, sowie ein nicht unbedeutendes Herbarium an; war ein fleißiger Besucher des botanischen Gartens der Universität, sowie der beiden öffentlichen Bibliotheken, wo ich nicht nur las, sondern auch in umfassender Weise excerpirte. Mit der Feder in der Hand nahm ich z. B. in der kaiserlichen Hofbibliothek die vier Bände von Thenard’s Traité de Chimie und drei Bände von Lichtenstern’s Geographie des österreichischen Staates Zeile für Zeile durch und sammelte einen Berg schriftlicher Auszüge. Ich compilirte in vielen sorgsam geschriebenen Heften ein Handbuch der Naturgeschichte und ein Handbuch der Geographie, welchem letzteren ich Landkarten (einzelne sogar von mir selbst gezeichnet) einverleibte. Durch dieses Treiben, unterstützt von einem vortrefflichen Gedächtnisse, erwarb ich eine große Menge mannigfaltigen Wissens, übte mich im schriftlichen Ausdruck und auch im schnellen Uebersetzen aus dem Französischen, in welcher letzteren Sprache ich durch Conversations- und Uebungsstunden bei einem Lehrer (1827–1830) noch fester zu werden mich bemühte. Die allmähliche Sammlung einer nicht ganz unbedeutenden eigenen Bibliothek lief nebenher. Wenn ich so beinahe unvermerkt mir eine fast encyklopädische Bildung aneignete, so kam mir dies später bei meiner Stellung in Hannover ungemein zu Statten, weil ich dort keinem der unter meiner Direction wirkenden Lehrer als ein völlig Unkundiger seines Wissenschaftsfaches gegenüber stand.“

Die ersten schriftstellerischen Arbeiten (vorzugsweise Mittheilungen aus englischen und französischen Zeitschriften) unseres K. datiren von 1820 und finden sich im zweiten Bande der „Jahrbücher des Wiener Polytechnischen Institutes“. Diesen folgte im J. 1821 sein erstes selbständiges Werk unter dem Titel: „Grundriß der Chemie nach ihrem neuesten Zustande, besonders in technischer Beziehung:“ K. selbst nennt in seiner Selbstbiographie (a. a. O. S. 14) dieses Buch „das Ergebniß unreifer Thätigkeit als chemischer Schriftsteller“ und setzt hinzu „es sei sehr schnell völlig nach Verdienst verschollen“. Das ungünstige Urtheil über dieses Werk war wahrscheinlich der Grund, daß K. den Gedanken aufgab, die „chemische Technologie“ vornehmlich zum Hauptziele seiner Studien zu machen und an deren Stelle die „mechanische Technologie“ treten zu lassen. Als Ergebniß dieser veränderten Richtung ist von 1823 ab sein 1825 (in Wien) erschienenes zweibändiges Werk: „Einleitung in die mechanischen Lehren der Technologie“ zu betrachten. Der erste Band hiervon umfaßt „die Mechanik in ihrer Anwendung auf Gewerbe“, während der zweite Band eine „Vollständige Aufzählung und Charakteristik der in den technischen Künsten angewandten Maschinen mit vorzüglicher [402] Berücksichtigung der neuesten Erfindungen“ enthält. K. beurkundete durch dies Werk zum ersten Male seine kolossale Arbeitskraft und sein schriftstellerisches Talent im Behandeln und Beherrschen eines Stoffes, welcher damals noch als ein wahres Chaos durcheinander geworfen vorlag. Gelang es ihm auch nicht, in diesem Erstlingswerke einigermaßen Systematik in die Sache zu bringen, so bereicherte er doch damit sein eigenes Wissen in eminenter Weise, lernte Litteratur beherrschen und ausnutzen, so daß es in letzterer Beziehung noch heute als ein vortreffliches Gerippe für geschichtliche Notizen bis zur Zeit seiner Abfassung dienen kann.

Im J. 1829 hatte der Druck von Prechtl’s Technologischer Encyklopädie begonnen, worin K. der wichtige Artikel „Baumwollspinnerei“ übertragen worden war und für welches Werk er einer der fleißigsten und tüchtigsten Mitarbeiter wurde. Noch in der zweiten Hälfte desselben Jahres erhielt K. die ersten Anfragen aus Hannover wegen eines tüchtigen Directors für eine polytechnische Lehranstalt, die man dort zu errichten beabsichtigte. K. consultirte damals den Münchener Professor (späteren Staatsrath) v. Hermann, der ihn besonders aus seinen technisch-litterarischen Arbeiten kannte. Auf Hermann’s Rath folgte K. in dem darauf folgenden Jahre (1830) dem Rufe als erster Director der damals im Entstehen begriffenen höheren Gewerbeschule. Den Namen polytechnische Schule hielt man zu dieser Zeit in Hannover für staatsgefährlich, weil inzwischen die Zöglinge der Ecole polytechnique in Paris beim Straßenkampfe Barrikaden vertheidigt und die Kanonen gegen die Regierungstruppen gerichtet hatten. Die sich bald überall herausstellende Energie, gestützt auf eine Menge wissenschaftlicher Kenntnisse, war es, welche dem verhältnißmäßig sehr jungen, erst 27 Jahre alten Director die Leitung der Lehranstalt möglich machte, an welcher man ihm zugleich das Lehramt für Technologie und theoretische Chemie überwiesen hatte. Am 2. Mai 1831 wurde die höhere Gewerbeschule eröffnet, deren Schülerzahl in demselben Jahre auf 64 anwuchs.

Das Jahr 1834 hatte für K. eine besondere Bedeutung, indem sowol von der Regierung der Bau eines neuen Schulhauses beschlossen, als auch der Gewerbeverein für das Königreich Hannover gegründet wurde. Für den Bau eines eigenen Hauses wurde der höheren Gewerbeschule ein geeignetes Grundstück an der Georgstraße angewiesen. Dies schöne vom Architekten Ebeling in Hannover entworfene Gebäude, wobei sich der Künstler die Façaden der Paläste Riccardi und Strozzi in Florenz zum Muster genommen hatte, diente bis zum J. 1880 mit seinen Räumlichkeiten für Lehrzwecke und Sammlungen, bis es sich in letzteren Beziehungen in jeder Weise als unzureichend herausgestellt hatte.

Im J. 1837 begann K. die Bearbeitung seines Grundrisses der mechanischen Technologie (wovon eine schwedische Uebersetzung durch Almroth in Stockholm und eine dänische durch Wilkens in Kopenhagen besorgt wurde). Im J. 1840 erhielt K. die Berufung zu einer ordentlichen Professur an der staatswissenschaftlichen Facultät der Universität Tübingen (an Stelle des altersschwach gewordenen Hofraths Poppe). Obwol K. anfänglich nicht abgeneigt war, dem Rufe zu folgen, so wurden ihm doch bald von der Regierung nicht nur bedeutende Gehaltszulagen gewährt, sondern auch, was für K. von noch größerem Werthe war, dadurch eine Arbeitserleichterung verschafft, daß ihm der Vortrag der Chemie abgenommen wurde. Noch in demselben Jahre (1840) war K. bei der dritten Gewerbeausstellung für Hannover thätig und um dieselbe Zeit erhielt er den Antrag der Buchhandlung Gottlieb Haase Söhne in Prag zur deutschen Bearbeitung von Ure’s Dictionary of Arts. Diese Arbeit wurde von ihm, dem Professor Heeren und mehreren anderen Collegen der höheren Gewerbeschule ausgeführt. Das so entstandene „Technische Wörterbuch“ (auch Handbuch der Gewerbekunde) [403] erschien von 1843–1844 in 3 Bänden und in zweiter, ganz umgearbeiteter Auflage von 1854–1857. Hauptbeschäftigung für K. boten ihm im J. 1844 die drei industriellen Ausstellungen, die (zehnte) zu Paris, die (vierte) in Hannover und endlich die allgemeine deutsche Industrieausstellung in Berlin. Im J. 1845 wurde K. mit seinem Collegen Professor Rühlmann zur ersten Wiener Industrieausstellung abgesandt, wodurch beide Herren viel Gelegenheit bekamen sich mit den verschiedenartigsten Zweigen der österreichischen Industrie bekannt zu machen. In demselben Jahre empfing auch K. die Insignien des preußischen Rothen Adlerordens 3. Klasse, in Veranlassung seiner Theilnahme an den Arbeiten der Berliner Industrieausstellung des vorigen Jahres. K. spricht sich hierüber in den bereits wiederholt genannten „Erinnerungen aus meinem Leben“ (S. 81) wie folgt aus:

„Es stand zwar diese Auszeichnung in richtigem Verhältnisse zu den sonstigen bei dieser Gelegenheit verliehenen Decorationen; doch glaube ich nicht ohne Grund, daß einflußnehmende Freunde in Berlin mit Vergnügen den Anlaß ergriffen, um mir für die vor zwei Jahren empfangene hannoversche silberne Verdienstmedaille gewissermaßen eine Genugthuung zu verschaffen. Jedenfalls zeigte der Contrast die Verschiedenheit des Maßstabes, welchen der eigene und ein fremder Staat an meine Stellung und Wirksamkeit legten.“ (K. sagt speciell hierüber a. a. O. S. 72, folgendes: „Obgleich ich kein Großkreuz des Guelphenordens erwarten konnte, so war ich doch überrascht die – silberne Verdienstmedaille (von 35 Millimeter Durchmesser und 261/2 Gramm Gewicht) in rothsaffianenem Etui zu empfangen. Noch größer war aber meine freudige Ueberraschung, als neben mir auch der Leibkutscher des Königs Ernst August dieselbe Medaille erhielt. Meine untergeordnete Stellung erlaubte mir nicht, das Zeichen allerhöchster Gnade zurückzugeben; ich hatte aber die Genugthuung, daß sozusagen die ganze Stadt Hannover ein Hohngelächter aufschlug, das – nicht mir galt.“)

Im März 1845 verheirathete sich K. zum zweiten Male (nachdem er die Quälereien eines fünfjährigen Scheidungsprozesses überwunden hatte, den er wegen seiner ersten Frau, einer tollköpfigen Wienerin, führen mußte) mit der Schwester des Fabrikanten und Kaufmanns Wessel in Hameln. Diese Ehe war eine höchst glückliche und fand K. reichen Trost und Entschädigung für die vielfachen Leiden, zu welchen sein erster Ehebund Veranlassung gegeben hatte. Noch in demselben Jahre wurde K. zugleich mit Professor Rühlmann vom hannoverschen Ministerium zum Besuche der (dritten) allgemeinen österreichischen Industrieausstellung beordert, welche am 15. Mai in Wien eröffnet wurde. Da der Besuch in Begleitung seiner zweiten Frau erfolgte, so bezeichnete K. diese Tour sehr gern als seine „Hochzeitsreise“.

Im J. 1846 empfing K. (zugleich mit seinen Collegen Professor Heeren, Professor Rühlmann und dem Eisenbahn-Maschinendirector Kirchweger) das Diplom eines Ehrenbürgers der Stadt Hannover, vorzugsweise als Anerkennung der Verdienste um das Gewerbewesen der Stadt Hannover, für desfallsige im Gewerbevereine gehaltene Vorträge etc. Das folgende Jahr (1847) war für die hannoversche „Höhere Gewerbeschule“ insofern von nicht geringer Bedeutung, als diese Lehranstalt zufolge vielfacher Erweiterungen, insbesondere durch Errichtung von Lehrkanzeln ganz neuer Fächer (namentlich der Bau- und Ingenieurwissenschaften), nicht mehr ihrem seitherigen Namen entsprach. Laut Ministerialrescript vom 12. Juni 1847 wurde vom Könige Ernst August genehmigt, daß die höhere Gewerbeschule für die Folge den Namen „Polytechnische Schule“ führe, übereinstimmend mit denjenigen ähnlicher Anstalten Deutschlands, mit welchen sie ihren Einrichtungen, Zwecken und Leistungen nach auf gleiche Linie gebracht worden war. Das verhängnißvolle Jahr 1848, welches auch in Hannover gewaltige [404] politische Veränderungen herbeiführen sollte, äußerte naturgemäß seine Wirkungen auch auf die neue Polytechnische Schule. Zur Verstärkung der städtischen Sicherheitswache bildete sich zunächst ein bewaffnetes Corps der Polytechniker, dem sowol K. als die meisten Lehrer als Offiziere beitraten. Am 17. December 1848 leistete das neue studentische Corps (bei einer Parade in der Herrenhäuser Allee) dem Bürgerwehrgeneral, Hofrath Holscher, durch Handschlag den Diensteid. Am 21. August 1848 wurde bei K. von Wien aus angefragt, ob er gesonnen sei den Platz des Directors Prechtl am Wiener Polytechnikum einzunehmen. Mancherlei Gründe wurden Veranlassung, daß K. eine abschlägige Antwort ertheilte. K. selbst urtheilt (S. 109 der Erinnerungen aus seinem Leben) über letzteren Schritt wie folgt: „Verhehlen kann ich nicht, daß ich mir später Glück wünschte den entsetzlichen Ereignissen entgangen zu sein, welche in Wien nach dem August von 1848 stattfanden.“ Am 3. Mai 1849 mußte, verschiedener ordnungswidriger Handlungen wegen, das Wehrcorps der Polytechniker aufgelöst und die Vorlesungen eine Zeit lang geschlossen werden. Im folgenden Jahre (1850) wurde K. als Preisrichter zu der während der Ostermesse in Leipzig veranstalteten allgemeinen deutschen Industrieausstellung berufen, und dies Geschäft von seinen Freunden als ostensibler Anlaß gebraucht, um ihm das Ritterkreuz des königlich sächsischen Verdienstordens verschaffen zu können. Noch in demselben Jahre veranstaltete der hannoversche Gewerbeverein, vom 5. August bis 8. September, eine (fünfte) Gewerbeausstellung für das Königreich Hannover, wobei K. sowol zum Vorsitzenden der Ausstellungs- wie der Beurtheilungscommission gewählt wurde, und auch hierbei wiederum seine energische, rastlose Thätigkeit nach allen Seiten hin mit Erfolg entwickelte.

Im J. 1851 wurde K. mit Heeren und Rühlmann zur ersten Weltausstellung nach London entsandt. Alle drei kamen allerdings zu spät, um sich vollständig an den Arbeiten der Preisrichter zu betheiligen, indeß lieferten sie doch sämmtlich werthvolle, amtliche Berichte für die deutsche Zollvereinscommission. K. lieferte selbständig das Referat über Klasse XXI, dritter Theil des amtlichen Berichtes S. 1–35 (Messerschmiedearbeiten), Rühlmann ebenfalls selbständig das Referat über Klasse XXVII (Fabrikate aus Mineralstoffen), ebendaselbst S. 440–455, und Heeren war einer der drei Berichterstatter, welchen man Klasse III, Erster Theil des amtlichen Berichtes (Nahrungsmittel etc.), S. 292, zugewiesen hatte.

Zur allgemeinen deutschen Industrieausstellung in München, im Sommer von 1854, ward K. wieder mit Rühlmann und dem Apotheker Angerstein (nachherigem Kommerzrath in Hannover) zur Betheiligung am Beurtheilungsgeschäfte abgesandt. Letzteres Geschäft war in nothwendigster Weise kaum erledigt, als die asiatische Cholera mit solcher Heftigkeit auftrat, daß wenigstens diejenigen Preisrichter Ende August oder Anfang September München eiligst verließen, welche nicht durch besondere Umstände zum Verbleiben veranlaßt waren. Im folgenden Jahre 1855 fand die zweite Weltausstellung in Paris statt, zu welcher das hannoversche Ministerium wiederum K. und seine beiden Collegen Heeren und Rühlmann absandte. Bekanntlich war der Vetter des Kaisers, der Prinz Napoleon, bekannt durch seine frappante Aehnlichkeit mit Napoleon I., oberster Leiter dieser Ausstellung und als solcher auch Vorsitzender im Classen-Präsidentenrathe. Obwol der Prinz durch allerlei Einladungen zu besonderen Festlichkeiten bemüht war, den Mitgliedern der Beurtheilungscommission mit zuvorkommender Liebenswürdigkeit zu begegnen, so hatte sich doch K. durch seine offene und richtige Opposition (namentlich in den Gruppensitzungen) so sehr bei einflußreichen Personen in Ungunst versetzt, daß der für ihn vorgeschlagene Ehrenlegionsorden nicht ertheilt wurde. Auch die deutschen Ausstellungscommissäre und Preisrichter [405] hielten (im Ausstellungsgebäude „Salon des Kaisers“) mehreremals Versammlungen zu Berathungen und freundschaftlichen Verkehr unter Vorsitz des Geheimen Oberfinanzrath v. Viebahn aus Berlin, welcher Präsident der preußischen Ausstellungscommission war und der durch seine Liebenswürdigkeit und Zuvorkommenheit überhaupt allgemein erfreute und nützte.

Von Karmarsch’s größeren litterarischen Arbeiten sind aus den 50er Jahren vorzüglich drei hervorzuheben. Erstens die 2. Auflage des „Technischen Wörterbuches“ (Handbuchs der Gewerbekunde), ferner die ebenfalls zu einem völlig neuen Werke umgeschaffene 2. Auflage seines „Grundrisses der mechanischen Technologie“ und drittens „Supplemente zu Prechtl’s Technologischer Encyklopädie“. Das erste Werk (ursprünglich nach Ure’s Dictionary of Arts, Manufactures and Mines frei bearbeitet) wurde völlig zu einer selbständigen Arbeit umgestaltet, so daß das englische Buch factisch aufgehört hatte, die Grundlage der Gewerbekunde von K. und Heeren zu bilden.

Das zweite, größte und wahrhaft Epoche machende Werk unseres K. erschien 1851 unter dem Titel: „Handbuch der mechanischen Technologie“. K. selbst sagt noch 1872 (Geschichte der Technologie. Elfter Band der Geschichte der Wissenschaften in Deutschland [Neuere Zeit], herausgegeben durch die historische Commission bei der königlichen Akademie der Wissenschaften [in München], S. 889) über diese seine Arbeit Folgendes: „Ich brachte zuerst den Gedanken zur Ausführung, wenige große Abschnitte nach dem Principe der speciellen Technologie zu bilden, die Einzelbehandlung aber nach der Methode der allgemeinen Technologie (doch wesentlich abweichend von den Vorgängern Beckmann, Poppe u. A.) zu organisiren, dabei den Details große Berücksichtigung zu schenken. Es dürfte dem Verfasser selbst wol gestattet sein zu sagen, daß dieser neue Weg und daneben das Bemühen, in allen Angaben thunlichst zuverlässig zu sein, Beifall gefunden hat etc.“ Ganz vortrefflich charakterisirt der Bearbeiter der jüngsten Auflage (1875) (Handbuch der mechanischen Technologie. Fünfte Auflage, Hannover 1875, S. III [Vorrede], Herr Regierungsrath Professor Dr. Hartig in Dresden, den Werth dieses Werkes unseres K. in folgenden Worten: „Bei Uebernahme der Neubearbeitung des berühmten Handbuches war mir die Wahrnehmung bestimmend, daß der technologische Bildungsgang der jetzt lebenden Ingenieure und Constructeure Deutschlands durch hundert Fäden mit diesem Buche verknüpft ist, und daß unsere polytechnischen Schulen ein so bewährtes Hülfsmittel beim Studium der mechanischen Technologie auch in Zukunft schlechterdings nicht entbehren können. Es leistet in der sprachlichen Darstellung technischer Objecte das anerkannt Höchste und vereinigt in unübertroffener Klarheit und in concentrirtester Form einen großen und überwiegend wichtigen Theil des mechanisch-technologischen Wissens. Durch seine zahlreichen und sorgfältig ausgewählten litterarischen Nachweisungen orientirt es zugleich den Leser in der gesammten übrigen technischen Litteratur.“

Beim dritten Werke, den fünf Supplementbänden zu Prechtl’s Technologischer Encyklopädie, führte zwar K. vorzugsweise die Redaction, lieferte aber dennoch mehrere werthvolle, wenn auch vorzugsweise kleinere Artikel (insbesondere die Artikel: Aetzen, Alkohol, Ausdehnung, Bohren und Bohrmaschinen, Bronze, Chokolade, Durchschnitt, Eisengießerei, Stahlschreibfeder, Fraise, Glas, Gyps, Hobelmaschine – Kalander, Stearinkerzen, Knopffabrikation, Lampe, Zinkguß, Zinngießerei und Zwirn), die sämmtlich Zeugniß ablegen, daß er 1868 den Schlußartikel „Zwirn“ des ganzen Werkes noch mit derselben geistigen Frische, Klarheit und Sachkenntniß abfaßte, als dies im J. 1829 mit der ersten von ihm verfaßten Abhandlung „Baumwollspinnerei“ der Fall war.

Am 2. Mai 1856 fand das 25jährige Jubiläum der Polytechnischen Schule [406] statt, als deren Schöpfer und Förderer K. unzweifelhaft hoch gefeiert und geehrt werden mußte. Behörden, Corporationen, ehemalige Studirende, Freunde und die Studirenden der Gegenwart bemühten sich eifrig, unserem K. in würdiger Weise Dank und Ehre zu erweisen, in welcher letzteren Beziehung hervorgehoben werden muß, daß er das ihm überreichte Ehren-Doctordiplom der Universität Göttingen als eine ganz besondere Anerkennung und Auszeichnung betrachtete. Im folgenden Jahre 1857 ward K. im Auftrage des Minister v. d. Heydt die Directorstelle des Berliner Gewerbeinstituts angetragen. K. war anfänglich zweifelhaft, ob er sich für das Verbleiben oder Fortgehen entscheiden sollte, namentlich wenn er sich die noch kurz vorher erfahrene üble Behandlung Seitens seines hannoverschen Ministers (v. Borries) ins Gedächtniß rief. Mit Rücksicht auf das ihm als zweite Heimath durch 26jährigen Aufenthalt lieb gewordene Hannover und mehr noch aus Anhänglichkeit an die von ihm geschaffene und groß gezogene Lehranstalt trug K. die Angelegenheit dem Vorsitzenden der Verwaltungscommission der Gewerbeschulen, dem Oberschulrath Kohlrausch, vor, und dieser scheute nicht den „schweren“ Gang zu dem damals noch allmächtigen Minister v. Borries zu machen, um für Festhaltung eines Verfehmten (wie in der That K. war, da ihn König Georg V. selbst lange Zeit für einen rothen Republikaner hielt!) zu sprechen. Mit ausdrücklicher Genehmigung König Georgs (dessen geringe Hinneigung, richtiger Abneigung zu Preußen nicht ohne Einfluß gewesen sein mochte), wurde Kohlrausch ermächtigt, mit K. wegen seines Bleibens zu unterhandeln. Letzterer mit dieser Genugthuung zufrieden, setzte große Schwierigkeiten nicht entgegen und erklärte sich nach Erfüllung der von ihm gestellten Bedingungen bereit, den Ruf abzulehnen. Im folgenden Jahre wurde unserem K. die Stelle des Directors der polytechnischen Schule in Stuttgart angeboten, natürlich aber ebenfalls dankend abgelehnt. Vom 8. Mai bis 2. Juni 1859 fand auf Veranstaltung des hannoverschen Gewerbevereins die sechste Ausstellung von Gewerbe- und Industrieerzeugnissen des Königreichs statt, wobei K., wie gewöhnlich, wieder die Aemter als Vorsitzender, sowol der Ausstellungs- wie der Beurtheilungscommission übernehmen mußte. Das am Abende des Eröffnungstages (8. Mai) folgende Festessen im Börsensaale galt gleichzeitig der Feier des 25jährigen Bestehens des hannoverschen Gewerbevereins. Am Geburtstage des Königs (27. Mai) erhielt K. die dritte Klasse des Guelphenordens, wodurch er zugleich hoffähig wurde.

Im Januar 1861 wurde K. von Seite des hannoverschen auswärtigen Ministeriums als Mitglied einer Commission zur Einigung im Maß- und Gewichtswesen nach Frankfurt a. M. abgeordnet. Dem Minister des Innern – dem seit Juni 1860 in den Grafenstand erhobenen Herrn v. Borries – schien jedoch durch Karmarsch’s Entsendung das Interesse der Sache nicht hinlänglich gewahrt, weshalb er einige Tage nach Karmarsch’s Abreise als hannoverschen „Mitcommissär“ den Stadtdirector Rasch nachsandte, desen unerwartete Ankunft im Kreise des Frankfurter Fachcollegiums eine nicht geringe Verwunderung erweckte! K. erfuhr dafür Seitens der Commission die Auszeichnung, daß er zum Referenten für die Aufstellung und Begründung des Maß- und Gewichtssystems auf Basis des Meters ernannt wurde und daß sich die betreffende von K. gelieferte Arbeit (das Commissionsgutachten) nicht nur eines höchst schmeichelhaften Beifalls zu erfreuen hatte, sondern daß dasselbe auch im Wesentlichen unverändert endgültig angenommen wurde.

Im J. 1862 wurde Seitens der hannoverschen Regierung K. in Gemeinschaft mit Rühlmann zur zweiten Londoner „Weltausstellung“ abgeschickt. K. war als (erster) hannoverscher Commissär, beide aber als Mitglieder der Jury betheiligt, wobei K. der 32. Klasse (Stahlwaaren, Messerschmiedewaaren und [407] Werkzeuge) angehörte, Rühlmann aber stellvertretender Vorsitzender der 7. Klasse (Werkzeugmaschinen) wurde. Die desfallsigen amtlichen Berichte beider wurden durch die deutsche Zollvereinscommission veröffentlicht. Später wurde auch Professor Heeren der hannoverschen Commission beigesellt, der auch, nach K. und Rühlmann, zeitweise als Regierungscommissär thätig sein mußte. Unserem K. wurde im folgenden Jahre (1863) von Oesterreich für sein ungewöhnliches Interesse, was er an österreichischen Ausstellern genommen, das Komthurkreuz des Franz-Joseph-Ordens verliehen. Auch König Georg V. äußerte (bei Gelegenheit der Einhändigung des letztgenannten Ordens) „seine besondere Zufriedenheit mit K. in auffällig hervorgehobener Weise.“ Hierzu bemerkt K. (S. 162 der „Erinnerungen aus meinem Leben“), daß er zwar hierauf bescheiden erwiederte, „er werde sich bestreben dieser Allerhöchsten Gnade würdig zu sein“, jedoch auch nachher gestanden habe, daß er nicht wisse, was er gethan, solche Ehre zu erwerben? Durch Schmeichelei und Krummbuckelei habe er sie sich wahrlich nicht zugezogen!“ Am 1. Februar 1864 empfing K. das Diplom als auswärtiges Mitglied der königlich schwedischen Akademie der Wissenschaften.

Im J. 1865 wurde K. vom hannoverschen Ministerium des Auswärtigen (Grafen v. Platen) berufen, durch Theilnahme an einer desfallsigen Commission das 1861 in Frankfurt begonnene Werk „Aufstellung eines einheitlichen Maß- und Gewichtssystems“ mit zur Vollendung zu bringen. Diesmal unterschied sich die Commission dadurch, daß nunmehr auch Preußen, sowie Kurhessen und Mecklenburg diese beschickten. Leider führten alle betreffenden Verhandlungen nicht zu dem erwünschten Ziele, als Preußen – neben dem Meter – den Fuß zu 300 Millimetern unbedingt festhielt und sogar die betreffenden Commissäre zu der Erklärung veranlaßte, ihre Regierung werde von der Sache zurücktreten, wenn man ihr nicht hierin willfahre! Damals machte die Sache böses Blut und muß die damalige Opposition um so bedauerlicher erscheinen, als drei Jahre später (1868) auf Preußens eigenen Betrieb der norddeutsche Bund (später auch Süddeutschland) das metrische System ohne den Fuß bekam, mit der Bestimmung, daß dasselbe vom 1. Januar 1872 an alleinige Gültigkeit haben sollte.

Die Besetzung des Königreichs Hannover durch preußische Truppen, die am 17. Juni 1866 die Residenzstadt erreichten und der bald darauf die Annexion folgte, brachte auch K. anfänglich in einige unliebsame Verhältnisse. Referent berichtet in dieser Beziehung am Besten das, was K. (S. 181 der „Erinnerungen aus meinem Leben“) in Bezug auf zwei hervorragende Persönlichkeiten mittheilt. Er sagt wörtlich folgendes: „Am 27. October 1866 erhielt die polytechnische Schule auch einen Besuch des Ministerialdirectors Delbrück. Dieser Herr zeigte die mir schon längst an ihm bekannte Unnahbarkeit, zu der jetzt noch meine untergeordnete Stellung eines eroberten Directors kam.“ Als ferner (im März 1867) K. nach seiner Ernennung zum Mitgliede des Preisgerichtes für die Pariser Weltausstellung in Hannover dem damaligen Civilcommissär v. Hardenberg seinen Abschiedsbesuch vor Antritt der Reise nach Paris machte, suchte dieser Herr mit wohlgestellten und sehr verständlichen Worten begreiflich zu machen, welche große Auszeichnung K. durch die Ernennung zum Juror erwiesen sei. K. äußert sich hierüber (S. 181 der „Erinnerungen“ etc.) wörtlich wie folgt: „Das erste Mal ließ ich die Phrase verklingen, ohne mich so gerührt zu zeigen, wie es v. Hardenberg erwartet haben mochte. Als er aber mit Betonung darauf zurückkam, konnte ich nicht umhin, merken zu lassen, daß ich mich allerdings darüber freute, übrigens aber ein solcher Auftrag mir nicht zum ersten Male komme und ich annehmen dürfe, der Minister habe mich für den Posten tauglich gehalten.“ „Es gab in jener Zeit Leute – und v. Hardenberg gehörte offenbar unter diese – welche vermeinten, einer der eroberten Hannoveraner müsse es sich zum höchsten [408] Glücke rechnen, wenn von seinen Kräften und Fähigkeiten durch Preußen Gebrauch gemacht würde. Zur Steuer der Wahrheit sage ich gerne, daß nicht alle so dachten und daß auch die Zeit bessere Ansichten allmählich gereift hat.“ Am 3. Februar 1869 wurde K. vom Könige mit dem Titel Geheimer Regierungsrath beehrt, auch ihm zugleich der Rang eines Rathes dritter Klasse ertheilt. Noch in demselben Jahre (durch Schreiben vom 7. August) ernannte der norddeutsche Bundeskanzler unseren K. zum „beigeordneten Mitgliede“ der in Berlin eingerichteten „Normal-Aichungs-Commission“ (obersten technischen Bundes- – jetzt Reichs- – Behörde für das Maß- und Gewichtswesen) auf 5 Jahre. Diese Bestellung, welche keinen Gehalt, wol aber Reisekosten und Diäten für die in Berlin stattfindenden Plenarsitzungen einbringt, wurde für K. am 23. Mai 1874 auf weitere 5 Jahre erneuert. Durch königliches Patent vom 18. Januar 1872 wurde K. mit dem Preußischen Rothen Adlerorden 2. Klasse beehrt und ebenfalls in demselben Jahre vollendete er seine „Geschichte der Technologie“, die er, seinen Freunden gegenüber, gern als sein „litterarisches Testament“ bezeichnete. Es bildet das Werk zugleich den 11. Band der „Geschichte der Wissenschaften in Deutschland“, welche auf Veranlassung und mit Unterstützung Sr. Majestät des Königs von Baiern, Maximilian II., durch die historische Commission bei der königlichen Akademie der Wissenschaften herausgegeben wird. Diese Arbeit besteht dem Inhalte nach aus zwei Theilen, wovon der erste Theil „Geschichte der Industrie“ 850 Seiten umfaßt, der zweite Theil „Geschichte der technologischen Wissenschaft“ aber nur aus 30 Seiten besteht, so das es etwas zweifelhaft erscheint, ob sich Titel und Inhalt des Werkes in rechter Uebereinstimmung befindet. Nichtsdestoweniger hat K. in diesem Werke einen so colossalen Schatz von litterarischen Notizen und anderem höchst werthvollen Materiale für alle die aufgespeichert, welche in der Folge an einer Geschichte der technologischen Wissenschaften sich versuchen wollen, worin deren Einfluß auf die Kultur der ganzen Menschheit in das rechte Licht gestellt wird *).

Leider begann K. von 1874 ab an einem Augenübel zu leiden, während er sich bis dahin einer vortrefflichen Sehkraft erfreuen konnte. Von etwas zu ängstlichem Gefühle, mit mehr oder weniger unbrauchbaren Augen dem Geschäfte eines Directors der technischen Hochschule zur eigenen Zufriedenheit vorstehen und daneben der gerechte Wunsch, ein paar vom Himmel gegönnte Lebensjahre in Ruhe genießen zu können, reichte K. am 2. Februar 1875 sein Gesuch um Pensionirung ein. Durch verbindliche Schreiben des Herrn Handelsministers Achenbach und des Oberpräsidenten der Provinz Hannover, des Grafen Eulenburg, wurde Karmarsch’s Wunsch ganz seinem Antrage gemäß erfüllt. Er hatte zur Pensionirungszeit den 1. August 1875 gewählt; die königliche Entlassungsurkunde ist vom 11. Juni und aus Bad Ems datirt. Von mehreren Mitgliedern der Direction des hannoverschen Gewerbevereins angeregt und von Studirenden der Hochschule lebhaft unterstützt, wurde eine Karmarsch’s Namen führende Stipendien-Stiftung gegründet, die bald auch in weiteren Kreisen, in ganz Deutschland, Oesterreich, in den Ostseeprovinzen, Rußland etc. so sehr Einklang fand, daß gegenwärtig das Gesammtkapital nicht weniger als 30 000 Mark beträgt. Im Frühjahr 1876 begann K. seine hier überall benutzten und wiederholt genannten „Erinnerungen aus meinem Leben“ zu schreiben, worin sich seine noch fortdauernde Frische und erstaunliche Arbeitskraft in merkwürdiger Weise immer noch [409] erhalten zeigte. In der kurzen Zeit von weniger als drei Monaten, bis zum Abschlusse des Jahres 1875, beschrieb er zu diesem Zwecke (und zwar verhältnißmäßig sehr eng) mehr als 200 Bogen in Schreibpapierformat. Eine heftige Neuralgie beider Arme veranlaßte K. im J. 1877 zur Kur nach Wildbad zu reisen, an welchem Orte er sich derartig erfrischte, daß er nach der Kur eine ziemlich umfangreiche Reise durch Holland, Belgien, Lothringen, Elsaß und einen Theil Badens machen konnte. Im folgenden Jahre 1878 trieb es K., nachdem er alle europäischen Gewerbe- und Weltausstellungen von irgend welcher Bedeutung kennen gelernt hatte, auch noch zum Besuche der (dritten) Pariser Weltausstellung, obwol allein seine immer mehr abnehmende Sehkraft zum Wegbleiben von einer solchen Stelle der gewaltigen Aufregung hätte rathen müssen. Noch im Herbst 1878 wurde er auf ein schweres Krankenlager geworfen. Fünf Monate hindurch litt er die unsäglichsten Schmerzen, bei vollkommener Geistesfrische, bis ihm am 24. März 1879 der Tod die wünschenswerthe Erlösung brachte. Die am 6. October 1879 erfolgte Einweihung des Welfenschlosses zur hannoverschen technischen Hochschule sollte K. leider nicht erleben.

Unmittelbar nach seinem Tode wurde der Plan zur Errichtung eines Standbildes für K. in Hannover gefaßt, dessen Ausführung in Marmor jetzt beschlossen ist und dessen Aufstellung wahrscheinlich an einer höchst passenden Stelle, unweit der sogenannten alten Polytechnischen Schule (dem jetzigen Continental-Hôtel) in nicht zu langer Zeit erfolgen wird. Zum Schlusse hält sich Referent verpflichtet, noch einige ausgezeichnete, im Vorstehenden nicht erwähnte Eigenschaften unseres K. in Erinnerung zu bringen. Zunächst verstand er über die einfachsten Dinge in merkwürdig anregender Weise und zwar oft wirklich unvorbereitet klar und scharf zu sprechen. In der Regel war seine Ausdrucksweise vollendet, ungekünstelt, markig und doch edel. Bei Discussionen war K. durch Schneidigkeit, Schlagfertigkeit, zündenden Witz und, wenn es nöthig war, durch niederschmetternde Derbheit ein fast unbesiegbarer Gegner, glänzende Eigenschaften, welche ihm bis zu seinen letzten Lebensjahren treu blieben *). Was K. so äußerst beliebt und unvergeßlich, insbesondere bei seinen Collegen an der hannoverschen technischen Hochschule machte, war sein offener, gerader, ehrlicher Charakter, frei von diplomatischen Künsten und ohne jede hinterlistige Ränkesucht. Die frappante Behauptung zu üben, „daß dem Menschen die Sprache deshalb gegeben sei, um damit seine Gedanken verbergen zu können“, lag völlig außer Karmarsch’s Charakter. War er selbst zuweilen grob und rücksichtslos, so währten derartige Zustände meist nur so kurze Zeit, daß man dem wackeren Manne bereits Alles nachgesehen und vergeben hatte, bevor man ihn verließ.

Verzeichnisse der vorzüglichsten litterarischen Arbeiten unseres K. liefert er selbst (bis zum J. 1856 und beziehungsweise bis 1863 reichend) in der zweiten Auflage seines Buches „Die polytechnische Schule zu Hannover“ und im ersten Bande von Poggendorff’s „Biograph.-Litterar. Handwörterbuche“ S. 1224. Dann finden sich weiter gehende Angaben in dem vorerwähnten, vom Geh. Reg.-Rathe Launhardt geschriebenen Nekrologe (Jahrg. 1879 der Zeitschr. des Hannov. Arch.- und Ing.-Vereins S. 487) und in dem von demselben Herrn (Rector etc. Launhardt) 1881 verfaßten Buche „Die Königl. Technische Hochschule zu Hannover von 1831–1881“ S. 174.

[408] *) Der Verfasser gegenwärtiger Biographie befindet sich hier zum Theil im Widerspruche mit den Bemerkungen des Herausgebers von Karmarsch’s „Erinnerungen aus meinem Leben“, über Karmarsch’s „Geschichte der Technologie“, weshalb er unparteiische Leser bitte, vorstehende Urtheile mit den Notizen des Herrn Professor Hoyer (Note 11 von Seite 99 der Erinnerungen ab) gütigst vergleichen zu wollen.

[409] *) Der Verfasser folgte hier fast wörtlich den Urtheilen des Geh. Reg.-Rathes Launhardt, des gegenwärtigen Rectors der Hannov. Techn. Hochschule im Jahrgange 1879 (Bd. XXV) S. 486 der Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Hannover. Diese Urtheile sind so richtig und vortrefflich gefaßt, daß Referent erklärt, damit, nach eigenen Erfahrungen, völlig übereinstimmen zu können.