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ADB:Kappler, August

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Artikel „Kappler, August“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 41–44, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kappler,_August&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 04:41 Uhr UTC)
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Band 51 (1906), S. 41–44 (Quelle).
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Kappler: August K., Kaufmann und Forschungsreisender, wurde am 10. November 1815 in Mannheim als Sohn eines Lehrers geboren. Da der Vater frühzeitig starb und die Familie in Mittellosigkeit zurückließ, wuchs der Knabe unter Fremden auf und konnte sich keine höhere Bildung aneignen. Nachdem er die Elementarschule durchlaufen hatte, widmete er sich dem Kaufmannsstande. Da ihm in der Heimath das Glück nicht günstig war und er überdies eine unbezwingliche Sehnsucht nach fernen Ländern empfand, begab [42] er sich im Alter von 20 Jahren nach Holland, um eine Commisstelle in einer der Colonien zu suchen. Leider fand er keinen ihm zusagenden Posten, und um nicht zu verhungern, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich in Harderwijk für die niederländische Colonialarmee anwerben zu lassen. Sein Wunsch, nach Java versetzt zu werden, ging nicht in Erfüllung, vielmehr wurde er nach Surinam eingeschifft und diente hier sechs Jahre lang zuerst als gemeiner Soldat, dann als Corporal, endlich als Fourier. Anfangs gehörte er der Garnison des Forts Zelandia bei Paramaribo an. Später verweilte er auf den Posten Armina am Maroni, Victoria am Surinam und Saron am Saramacca. Als Corporal erhielt er das Commando über verschiedene kleine Truppenabtheilungen im Innern des Landes. Da ihm eine leichte Auffassungsgabe eigen war, erlernte er allmählich die holländische, französische und englische Sprache, sowie durch steten Verkehr mit den Buschnegern und den übrigen Eingebornen das Negerenglisch und die verschiedenen Mundarten der Indianer. Im November 1841 nahm er seinen Abschied vom Militär und kehrte über Holland nach Stuttgart zurück, doch fand er keine geeignete Stellung und bemerkte auch, daß ihm das deutsche Klima nicht mehr zusagte. Er beschloß deshalb nach Surinam zurückzukehren und sich dort dauernd niederzulassen. Um sich eine Existenz zu gründen, knüpfte er mit dem Stuttgarter Naturaliencabinet und anderen öffentlichen Museen Unterhandlungen an und erhielt von diesen den Auftrag, Naturalien aller Art zu sammeln. Vor seiner Abreise verfaßte er über seine bisherigen Expeditionen in das Innere von Surinam einen Bericht, der bald darauf in der Zeitschrift „Ausland“ veröffentlicht wurde (1843, S. 1235 ff.). Im Juli 1842 traf er wieder in Guayana ein und unternahm nun von Paramaribo aus theils im Ruderboot, theils zu Fuß eine Reihe ergebnißreicher Streifzüge in das Hinterland. Mit den gesammelten Pflanzen, Schmetterlingen, Vogelbälgen und anderen Naturalien betrieb er, ohne anfangs irgend ein Geschäftscapital zu besitzen, einen schwunghaften und einträglichen Handel nach Europa. Um alle Ansprüche befriedigen zu können, schloß er Freundschaft mit Plantagensklaven, Buschnegern und freien Indianern, die ihm allerhand für ihn unerreichbare Seltenheiten aufspürten und gegen ein Billiges überließen. Als sich sein Kundenkreis immer mehr erweiterte, begab er sich mit einer reichen und werthvollen Collection von Naturalien im Juni 1845 zum zweiten Male nach Holland und Deutschland. Nachdem er verschiedene neue persönliche Beziehungen zu Museumsverwaltungen und Händlern angeknüpft hatte, kehrte er im nächsten Frühjahr wieder nach Surinam zurück. Da ihm aber das unruhige Leben eines umherziehenden Sammlers auf die Dauer nicht behagte, beschloß er sich in einer gesunden und fruchtbaren Gegend Surinams dauernd niederzulassen. Am meisten gefiel ihm das Gebiet des Flusses Maroni, der die Grenze zwischen dem holländischen und französischen Guayana bildet und den er schon von seiner Soldatenzeit her kannte. Mit Genehmigung der Colonialverwaltung wählte er sich fünf Stunden oberhalb der Mündung dieses Stromes ins Meer einen hochwasserfreien, vom Fieber nur selten heimgesuchten Platz aus und erbaute dort mit Hülfe einheimischer Arbeiter eine Ansiedlung, die er Albina nannte, und wo er nun bis 1879 lebte. Er verständigte sich in friedlicher Weise mit den umwohnenden Buschnegern und Indianern, die den Stämmen der Caraiben und Arowaken angehörten, ließ sie Naturalien sammeln, legte mit ihrer Hülfe eine ausgedehnte Pflanzung an, auf der er Tabak, Cacao und andere Nutzgewächse anbaute, ließ sie in den Uferwäldern Holz fällen, für das er auf den Antillen und in Holland Absatz fand, und errichtete außerdem einen Kaufladen, in dem er europäische Waaren nicht nur an die Eingebornen, sondern [43] auch an die französischen Sträflinge verhandelte, die das andere Ufer des Flusses bewohnten. Da ihm die holländische Colonialverwaltung wohlgesinnt war, ernannte sie ihn zum Posthalter und übertrug ihm die Ueberwachung der farbigen Uferbewohner und des gesammten Stromverkehrs. Theils in amtlicher Eigenschaft, theils aus eigenem Forschertriebe unternahm er nun zahlreiche oft höchst mühselige und gefahrvolle Reisen in das Innere des Landes und erwarb sich auf diese Weise im Laufe der Jahre allmählich eine gründliche Vertrautheit mit allen Verhältnissen der Colonie und ihrer Bewohner. Im Interesse seiner Handelsgeschäfte fuhr er außerdem mehrfach nach den Antillen und noch fünf Mal nach Europa. Auf einer dieser Fahrten im Herbst 1852 brachte er als Frucht seiner Mußestunden ein Manuscript mit, in dem er die Erlebnisse seiner Soldatenzeit in holländischer Sprache schilderte. Er ließ es in Holland drucken („Zes jaren in Suriname. Schetsen en tafereelen uit het maatschappelijke en militaire leven in deze kolonie“, Utrecht 1854, 2 Bde.) und gab auch eine deutsche Uebersetzung heraus („Sechs Jahre in Surinam oder Bilder aus dem militärischen Leben dieser Colonie und Skizzen zur Kenntniß seiner socialen und naturwissenschaftlichen Verhältnisse“, Stuttgart 1854). Das Buch zeigt zwar die mangelhafte wissenschaftliche Vorbildung des Verfassers, bot aber in anspruchsloser Form vieles Neue und fand darum verdiente Anerkennung. Während dieses Aufenthaltes in Deutschland verheirathete er sich auch, da er nicht dauernd mit farbigen Frauen zusammen zu leben wünschte. Auch verpflichtete er contractlich eine Anzahl württembergische Waldarbeiter und Landleute, ihm nach seiner neuen Heimath zu folgen, um dort den Versuch einer deutschen Pflanzungscolonie im größeren Maßstabe als bisher zu wagen. Im Sommer 1853 traf er mit seiner Frau und den neuen Ansiedlern in Albina ein. Anfangs schien das Unternehmen zu gedeihen. Die Colonisten richteten sich rasch häuslich ein und begannen mit der Urbarmachung des Bodens. Die Regierung begünstigte sie und ernannte K. zum Bürgermeister und Standesbeamten des neuen Ortes. Bald aber entstanden Streitigkeiten, die K. durch sein Dazwischentreten nur verschlimmerte, Krankheiten brachen aus, allgemeine Unzufriedenheit riß ein, und obwol mehrfach Nachschub aus Deutschland eintraf, löste sich die Colonie theils durch Todesfälle, theils durch Wegzug allmählich wieder völlig auf. Nur K. mit seiner Familie blieb zurück und mußte nun statt der deutschen Arbeiter chinesische Kulis anwerben. Viele Jahre hindurch führte er ein sehr unruhiges Leben, da ihn geschäftliche Sorgen und Schwierigkeiten aller Art bedrängten. Um sich zu erholen, unternahm er von Zeit zu Zeit Reisen ins Ausland oder nach dem Innern der Colonie. Besonders bemerkenswerth ist eine Wanderung zu den Buschnegern im Herbst 1857, denen er Geschenke der Regierung brachte und die er vergeblich zur Annahme eines Herrnhuter Missionars zu bewegen suchte, sowie eine Fahrt im Ruderboot, die er 1861 in Begleitung einer holländisch-französischen Grenzregulirungscommission durch bisher unerforschte Gegenden den Maroni und dessen Quellflüsse Lava und Tapanahoni aufwärts bis zur Grenze der Schiffbarkeit zu Vermessungszwecken ausführte. Ueber diese Expedition veröffentlichte er in Petermann’s Mittheilungen (1862, S. 173 bis 179) einen interessanten Bericht. Auch sonst beschäftigte er sich in seinen Mußestunden vielfach mit schriftstellerischen Arbeiten. Da er seine Manuscripte in Guayana nicht verwerthen konnte, brachte er sie auf seinen Reisen gelegentlich mit nach Europa und ließ sie hier drucken. Besondere Beachtung fand ein Aufsatz im „Ausland“ (1875, S. 651 ff.) über die von ihm mehrfach besuchte Insel Guadeloupe und ein Buch „Over kolonisatie met Europeanen in Suriname“ (Amsterdam 1875), worin er nachwies, daß es unter Anwendung der [44] nöthigen Vorsichtsmaßregeln entgegen der allgemeinen Annahme wohl möglich sei, tropische Pflanzungscolonien mit Hülfe europäischer Arbeiter anzulegen und zu erhalten.

Nachdem er 43 Jahre in Guayana gelebt und sich durch seine ausgebreiteten Handelsgeschäfte trotz vieler Unglücksfälle ein beträchtliches Vermögen erworben hatte, beschloß er seinen Lebensabend in der alten Heimath zuzubringen. Er übergab deshalb die Ansiedlung Albina seinem Neffen, der ihm seit langer Zeit ein getreuer Gehülfe gewesen war, suchte um seine Pensionirung nach und kehrte im Juli 1879 nach Stuttgart zurück. Da er noch sehr rüstig war, unternahm er in den nächsten Jahren mehrere große Reisen durch Italien, nach dem Orient und um die Erde. Die Ruhepausen benutzte er zur Ueberarbeitung seiner Tagebücher und zur Aufzeichnung seiner reichen Erfahrungen. Als Frucht dieser Bemühungen erschien zunächst ein etwas übereilt hervorgebrachtes Werk „Holländisch Guiana. Erlebnisse und Erfahrungen während eines 43jährigen Aufenthaltes in der Colonie Surinam“ (Stuttgart 1881, mit einer Karte), das auch ins Holländische übersetzt wurde („Nederlandsch-Guyana. Vertaald door F. L. Postel.“ Winterswijk 1883), aber trotz der Fülle neuen Stoffes nur mäßigen Beifall fand, da es völlig ungesichtet in wirrem Durcheinander Berichte über persönliche Erlebnisse, über Ausflüge und Entdeckungsfahrten, sowie Schilderungen des Lebens in der Ansiedlung Albina, in den französischen Strafcolonien des rechten Maroni-Ufers und in den Dörfern der Buschneger und Indianer, vermischt mit allerhand unzusammenhängenden naturgeschichtlichen Bemerkungen und Beobachtungen enthält. Besser sind einige umfangreiche Aufsätze in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften: „Eine Reise zu den Auca-Buschnegern in Holländisch Guiana“ (Globus 1880. 38, S. 121 ff.), „Surinam und seine Vegetation“ (Ausland 1885, S. 96 ff.), „Die Thierwelt in Holländisch Guiana“ (Ausland 1885, S. 537 ff.) und „Surinam“ (3. und 4. Jahresbericht des württembergischen Vereins für Handelsgeographie, Stuttgart 1886). Aus der Zusammenarbeitung dieser Aufsätze und der wesentlichen Ergebnisse der früheren Bücher entstand endlich das letzte und wichtigste Werk seines Lebens: „Surinam, sein Land, seine Natur, Bevölkerung und seine Kulturverhältnisse mit Bezug auf Colonisation“ (Stuttgart 1887, mit Abbildungen und einer Karte). Dasselbe behandelt systematisch und übersichtlich in gesonderten Abschnitten das Land und seine Bodengestalt, die Pflanzen- und Thierwelt mit besonderer Hervorhebung der nützlichen Erzeugnisse, die klimatischen Verhältnisse, die Bewohner und ihre socialen Zustände, die Stadt Paramaribo, die Verwaltung der Colonie, endlich die Möglichkeit einer Besiedelung durch Europäer und deren Beschäftigung mit Ackerbau und Viehzucht. – Kurz nach dem Erscheinen dieses Buches starb K. am 20. October 1887 in Stuttgart an den Folgen wiederholter Schlaganfälle drei Wochen vor Vollendung seines 72. Lebensjahres. Er war ein einfacher, überaus fleißiger und strebsamer Mann von gesundem Geist und Körper, von bedeutender Willens- und Thatkraft, voll Wahrheitsliebe und Redlichkeit. Er würde auf wissenschaftlichem Gebiete noch weit mehr geleistet haben, wenn es ihm nicht an der nöthigen Vorbildung gefehlt hätte.

Ausland 1877, S. 899. – Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik 10, 88–90. – Geographisches Jahrbuch 12, 374.