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ADB:Jüngken, Johann Christian

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Artikel „Jüngken, Johann Christian“ von Ernst Gurlt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 727–732, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:J%C3%BCngken,_Johann_Christian&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:16 Uhr UTC)
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Jüngken: Johann Christian J., Geh. Ober-Medicinalrath und Professor der Chirurgie und Augenheilkunde an der Universität Berlin, war am 12. Juni 1793 zu Burg bei Magdeburg geboren, als Sohn des dortigen Physikus Dr. Johann Christian J., der 1800 nach Magdeburg übersiedelte und daselbst als Hof- und Medicinalrath 1814 am Lazareth-Typhus starb. J. stammt aus einer alten Patrizierfamilie Augsburgs, deren einer protestantisch gewordene Zweig nach den Rheinlanden auswanderte und unter seinen Angehörigen mehrfach bekannte Geistliche und Aerzte zählte; unter Letzteren im 17. Jahrhundert einen berühmten Arzt Johann Helferich J. zu Frankfurt a. M. Der Großvater unseres J. war Geistlicher, zuerst in Tangermünde, dann in Halle, wo auch der Vater 1780 zum Dr. med. promovirt wurde. Unser J. besuchte in Magdeburg zuerst eine Elementarschule, dann, von 1807 an, das dortige Domgymnasium. Bereits auf diesem hatte er Gelegenheit, sich mit den Naturwissenschaften näher bekannt und propädeutisch-medicinische Studien zu machen; ein aufgeklärter Geistlicher, der Superintendent und Domprediger Koch, wußte durch seine Vorträge über Botanik, Anthropologie und Physiologie die Jugend zu fesseln. Da J. entschlossen war, Medicin zu studiren, hörte er auch als Primaner bereits die Vorträge, welche Dr. Fauché über Osteologie an der unter der Westfälischen Regierung errichteten Chirurgenschule hielt. Nach abgelegter Maturitätsprüfung ging J. 1812 nach Göttingen, woselbst er namentlich bei Blumenbach, Stromeyer, Langenbeck, Osiander, Himly u. A. naturwissenschaftlich-medicinischen Vorlesungen und praktischen Uebungen beiwohnte, aber auch Vorlesungen über Aesthetik, deutsche und englische Litteratur etc. nicht vernachlässigte. Er war zugleich eifrig beflissen, in Privatissimis bei Langenbeck und Himly sich in chirurgischen und Augenoperationen zu üben und hatte die Genugthuung, daß von beiden Lehrern sein Talent und Geschick für diese Zweige der Kunst anerkannt wurde. – Als 1815 der Krieg gegen Napoleon wieder ausbrach, ging J. nach Berlin und trat als Volontär-Lazarethchirurg bei den Reserve-Feldlazarethen, die unter Graefe’s Leitung standen, in den militärärztlichen Dienst ein. Er brachte den größten Theil seiner Dienstzeit in Brüssel zu, wo er in den mit Schwerverwundeten erfüllten Lazarethen reiche Erfahrungen über die Behandlung von Kriegsverletzungen zu sammeln Gelegenheit hatte und wo er auch bereits mit der sogenannten ägyptischen Augenentzündung, die unter den verschiedenen Armeen furchtbare Verheerungen anrichtete, nähere Bekanntschaft machte, eine Bekanntschaft, die er 19 Jahre später, als er bereits ein berühmter Augenarzt geworden war, auf höhere Veranlassung, wie wir weiterhin sehen werden, erneuern sollte. Als im December 1815 mit der Evacuation der großen Lazarethe in Brüssel auch Jüngken’s Thätigkeit daselbst ein Ende erreichte, eilte er zur Vollendung seiner unterbrochenen akademischen Studien nach Berlin zurück und besuchte daselbst namentlich die Kliniken von Graefe, Berends, Horn und Hufeland; auch war es ihm vergönnt, durch den Umgang mit dem damals populärsten Arzte Berlins, Dr. Heim, seine Kenntnisse zu erweitern, ebenso wie er andererseits Gelegenheit hatte, sich von der Haltlosigkeit der damals auch in Berlin grassirenden Lehre vom thierischen Magnetismus, dem selbst einer der Universitätslehrer, Professor Dr. Wolfart, huldigte, zu überzeugen. Bei Jüngken’s besonderer Vorliebe für Chirurgie und Augenheilkunde [728] mußte er es als ein Glück ansehen, daß ihm gegen Ende 1816 die Stelle eines zweiten Assistenten an der Graefe’schen Universitätsklinik zu Theil wurde. Nach der im Frühjahr 1817 zurückgelegten Facultätsprüfung promovirte er am 3. Mai dieses Jahres zum Dr. med. mit der Dissertation „De pupillae artificialis per Coreoncion Graefianum conformatione“, in welcher er ein von Graefe für die künstliche Pupillenbildung erfundenes, Coreoncion genanntes Instrument näher beschrieb, auf das er in einer in demselben Jahre (Nov. 1817) deutsch geschriebenen Abhandlung („Das Coreoncion. Ein Beitrag zur künstlichen Pupillenbildung“, 1818) noch einmal zurückkam. Nachdem J. noch im J. 1817 sich mittelst einer der Facultät eingereichten Habilitationsschrift („Specimen pro venia docendi: Nunquam lux clara ophthalmiae neonatorum causa est occasionalis“) und durch die am 25. October gehaltene öffentliche Disputation als Privatdocent an der Berliner Universität für das Fach der Chirurgie und Augenheilkunde habilitirt hatte, gab er, während er inzwischen zum ersten Assistenten der Graefe’schen Klinik aufgerückt war, bereits im Winter 1817–18 Privatissima über chirurgische und Augenoperationen. – Im Sommer 1818 trat der junge Docent eine wissenschaftliche Reise an, die ihn über Wien, Gastein, Landshut, München nach Italien führte, wo er namentlich Padua, Florenz, Rom, Neapel besuchte. Die wissenschaftlichen Ergebnisse derselben veröffentlichte er später in „Ophthalmiatrischen und chirurgischen Bemerkungen“ (Graefe und Walther’s Journal der Chirurgie und Augenheilkunde, Bd. I. 1820 S. 513; Bd. II. 1821 S. 344). Der Winter 1818/19 fand ihn wieder in seinem Lehrfache thätig; namentlich waren es seine Privatissima über chirurgische Operationen an der Leiche und Augenoperationen an Thieraugen, die sich eines besonderen Beifalles erfreuten, und die er erst 1825, nachdem er am 17. Januar zum Professor extraordinarius in der Berliner medicinischen Facultät und zum Mitgliede der medicinischen Ober-Examinations-Commission ernannt worden war, dem damaligen Professorgehülfen Dr. Schlemm, dem er zu diesem Behuf zweimal ein besonderes Privatissimum gegeben hatte, überließ. Durch Cabinetsordre vom 27. Februar 1828 wurde ihm die Leitung der neugegründeten Klinik für Augenheilkunde im Charité-Krankenhause übertragen und er gleichzeitig zum dirigirenden Arzte an diesem ernannt, 1831 auch zum technischen Mitgliede des Curatoriums für die Krankenhaus-Angelegenheiten. Bereits am 19. März 1828 eröffnete J. jene Klinik, in der er 40 Jahre lang segensreich gewirkt und die vorzugsweise seinen Ruhm als Lehrer und Operateur verbreitet hat. – Die nächsten Jahre waren, neben seiner immer mehr sich vergrößernden Praxis, einer angestrengten litterarischen Thätigkeit gewidmet. 1829 erschien „Die Lehre von den Augenoperationen. Ein Handbuch für angehende Aerzte und Wundärzte“ und 1832 ein größeres Werk „Die Lehre von den Augenkrankheiten. Ein Handbuch zum Gebrauche bei Vorlesungen und zum Selbstunterricht für angehende Aerzte“, das noch zwei weitere Auflagen, 1836 und 1842, erlebt hat. Für die Uebersendung dieses Werkes erhielt J. vom Kaiser von Rußland einen Brillantring und für die zweite Auflage desselben vom Könige von Preußen eine goldene Medaille. Seinen 40. Geburtstag im J. 1833 feierten seine Schüler dadurch, daß sie ihm einen kostbaren silbernen Pokal überreichten. – Ereignißreich nach verschiedenen Richtungen war für J. das Jahr 1834. Im Februar desselben verheirathete er sich mit Marie Seidler, der Tochter der berühmten Berliner Opernsängerin, mit der er bis zu seinem Tode in glücklichster, jedoch kinderloser Ehe gelebt und die ihn nur um etwa ein Jahr überlebt hat. Wenige Wochen später, unter dem 1. März, erfolgte seine Ernennung zum Professor ordinarius der Chirurgie und Augenheilkunde. Gleichzeitig erging durch den König Leopold von Belgien der Ruf an ihn, einer in Brüssel tagenden Commission von Augenärzten beizutreten, deren [729] Aufgabe es war, nähere Untersuchungen anzustellen und Rathschläge zu ertheilen wegen der epidemisch bei der belgischen Armee herrschenden und in vielen Fällen zur Erblindung führenden Augenentzündung (etwa 4000 junge Leute hatten beide und etwa 10,000 ein Auge durch Erblindung verloren und mußten vom Staate pensionirt werden), die über das ganze Land sich weiter zu verbreiten drohte. J., der, wie bereits erwähnt, die Krankheit bei seinem früheren Aufenthalt in Belgien schon kennen gelernt hatte, trat Ende Februar 1834 seine Reise dorthin an, indem er seinen Weg über Mainz, Koblenz, Trier, Bonn, Köln, Aachen nahm, um zunächst die sowol bei den Garnisonen dieser verschiedenen Orte, als auch unter den Landbewohnern der Rheingegenden herrschenden epidemischen Augenkrankheiten näher kennen zu lernen. Nach zweimonatlichem Aufenthalt in Belgien in die Heimath zurückgekehrt, gab J. den von ihm an den belgischen Kriegsminister erstatteten und in der belgischen Armee in 4000 Exemplaren verbreiteten Bericht („Mémoire sur l’ophthalmie qui règne dans l’armée belge; présenté à M. le général Baron Évain, ministre-directeur de la guerre“, Bruxelles 1834), auch deutsch, seinem alten Lehrer in Göttingen, C. J. M. Langenbeck in dankbarer Erinnerung gewidmet, heraus, unter dem Titel: „Ueber die Augenkrankheit, welche in der belgischen Armee herrscht; nebst Bemerkungen über die Augenkrankheiten am Rhein, über Augenblennorrhoeen im Allgemeinen“, 1834. Auf Befehl des Kaisers von Rußland, von dem J. für die Ueberreichung der Schrift einen Brillantring erhalten hatte, wurde dieselbe in’s Russische übersetzt und in der Armee verbreitet. Der König von Belgien hatte J. vor seiner Abreise den von ihm gestifteten Orden verliehen. In einer wenige Jahre später (1837) erschienenen akademischen Gelegenheitsschrift („De blennorrhoeis oculi humani. Commentatio patholog. pro loco in facultate“) behandelte J. einen ähnlichen Gegenstand und empfahl ferner in demselben Jahre, durch ein von ihm geschriebenes Vorwort, eine Schrift von L. H. Lorch, „Makrobiotik der Augen, oder die Kunst die Augen gesund zu erhalten“, eine Materie betreffend, die er, wie wir sehen werden, in hohem Alter selbst noch einmal abhandelte. Im J. 1837 wurde J. auch der Charakter als Geheimer Medicinalrath verliehen. – 1840, nach dem Tode Rust’s, der die chirurgische Klinik in der Charité geleitet hatte, erhielt J. im October die interimistische Leitung derselben und im August 1841 deren definitive Direction, sowie der ganzen Station für äußerlich Kranke in der Charité, so daß er nunmehr die chirurgische und die Augenklinik vereinigte und das gesammte Material des Krankenhauses für klinische Zwecke zu verwenden in der Lage war. Ein halbes Jahr später wurde er auch zum ordentlichen Professor der Chirurgie und Augenheilkunde an der medicinisch-chirurgischen Akademie für das Militär ernannt. – Zweimal übernahm er die Aufgabe, bei dem jährlich am 3. August stattfindenden Stiftungsfeste der militärärztlichen Bildungsanstalten die Festrede zu halten, einmal 1844 und das zweite Mal 1861, wo er über Pyämie und Hospitalbrand sprach. – Fünf Mal im Laufe der Jahre, auch in dem stürmischen Jahre 1847–48, verwaltete J. das Decanat der medicinischen Facultät; die Wahl zum Rector hatte er wiederholt abgelehnt. – Jüngken’s Thätigkeit, bei einem im Ganzen nur zarten Körper, war in der Blüthezeit seines Lebens und Wirkens eine bewunderungswürdige. In den Sommersemestern las er bereits von 6–8 Uhr Morgens die Operationslehre, hielt darauf eine sehr besuchte Sprechstunde für Privatkranke in seiner Wohnung ab, eilte dann zur Charité, wo ihn die Klinik einige Stunden in Anspruch nahm, hatte darauf eine umfangreiche Privatpraxis zu besorgen und Nachmittags noch chirurgische Vorlesungen zu halten, um Abends noch einmal seine Kranken in der Charité zu sehen; dazu die Examina und Sitzungen in der Facultät, die Staatsprüfungen, die Sitzungen der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen [730] im Kultusministerium, der er gleichfalls angehörte. Diese großen Anstrengungen zogen ihm im J. 1839 eine schwere Erkrankung zu, die ernstlich für sein Leben besorgen ließ und ihn nöthigte, einen Theil des Winters in einem südlichen Klima zuzubringen. Dieses und der wiederholte Gebrauch der Heilquellen zu Ems und Wiesbaden stellten jedoch seine Gesundheit so weit wieder her, daß er seine sämmtlichen Berufsgeschäfte, mit Ausnahme der Vorträge über Operationslehre, die er von da an aufgab, wieder übernehmen konnte. – Er war einer der Ersten, welche das erst kürzlich erfundene Betäubungsmittel bei Operationen, das Chloroform, auch bei Augen-, namentlich Staar-Operationen, bei denen man es zu gebrauchen bisher Bedenken getragen hatte, anwendete; in einer kleinen Schrift „Ueber die Anwendung des Chloroforms bei Augenoperationen“, 1850, berichtete er über seine damit gemachten sehr günstigen Erfahrungen und empfahl es wiederholt in einem Sendschreiben an Professor Dr. van Roesbroeck (Deutsche Klinik 1851 S. 48). – Nachdem ihm 1861 der Charakter eines Geheimen Ober-Medicinalrathes verliehen worden, hatte er das Glück, in voller geistiger und körperlicher Frische am 3. Mai 1867 sein 50jähriges Doctorjubiläum zu begehen. Es waren dazu die umfassendsten Vorbereitungen von Seiten seiner Collegen und der Gesammtheit der Berliner Aerzte getroffen worden. Zahllose Glückwünsche, die von allen Seiten, auch von den Höchstgestellten dargebracht wurden, Festschriften, ein silberner Tafelaufsatz, eine Adresse der Berliner Aerzte, sowie andere Adressen und Gedenkblätter, die überreicht wurden, ein von Freunden und Collegen des Jubilars veranstaltetes Festessen waren der Ausdruck der allgemeinen Liebe und Verehrung, welche der Gefeierte in ärztlichen und nichtärztlichen Kreisen genoß. Die Universität Berlin, welcher der Jubilar, trotz mehrfacher an ihn ergangener Rufe nach auswärts (nach Bonn, Freiburg, München) von Anfang bis zu Ende treu geblieben ist, beging einen Ehrentag, wie sie deren nicht viele aufzuweisen hat. – Bereits im folgenden Jahre, mit Ausgang des Sommersemesters, am 31. Juli 1868, legte J. die Direction der beiden von ihm geleiteten Kliniken nieder, von denen er der Augenklinik über 40, der chirurgischen Klinik 28 Jahre vorgestanden hatte. Eine ihm bei dieser Gelegenheit von den Studirenden überreichte Adresse und eine von Seiten älterer Schüler und Freunde gehaltene Ansprache gaben der Wehmuth in dieser Scheidestunde einen warmen Ausdruck. – J. konnte die wohlverdiente Ruhe noch eine Anzahl von Jahren genießen. Wenn er auch von den Beschwerden des Alters nicht gänzlich frei blieb, so schirmte ihn doch ein günstiges Geschick vor schweren Leiden und bewahrte ihm seine volle Geistesfrische bis an sein Lebensende. Noch an seinem Lebensabende war er mehrfach schriftstellerisch thätig. So hatte er, der von Jugend auf, bei seinen vielen Reisen, stets eine besondere Vorliebe für Heilquellen und Kurorte gehabt und viele derselben durch eigene Anschauung und Gebrauch gründlich kennen gelernt hatte, noch im J. 1866 ein Schriftchen über Wiesbaden („Wiesbaden als Kurort“) verfaßt. 1870 gab er in einer für das Laienpublikum bestimmten Schritt („Die Augendiätetik oder die Kunst das Sehvermögen zu erhalten und zu verbessern“), auf seine mehr als halbhundertjährigen Erfahrungen als Augenarzt gestützte Rathschläge, wie das wichtigste Sinnesorgan des Menschen am Besten zu schonen und zu erhalten sei. Nach Ausbruch des deutsch-französischen Krieges ließ er, an seine in früher Jugend, 1815 in Belgien, gemachten Erfahrungen anknüpfend, eine kleine Schrift als Mahnung erscheinen („Der Krieg und die Mittel, seine feindlichen Folgen für Gesundheit und Leben zu bekämpfen. Ein Beitrag zur Kriegsheilkunde. Nebst Beschreibung der Barackenstadt auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin.“ 1870); auch als die Aerzte durch die neue Reichsgesetzgebung unter die Gewerbtreibenden versetzt wurden, erhob J., der stets der idealsten Auffassung der Stellung seines [731] Standes gehuldigt hatte, seine Stimme in einem „Promemoria, die medicinischen Studien, medicinischen Prüfungen und die Stellung der Aerzte unter das neue Gewerbegesetz betreffend“, 1872. – Nachdem J. im Sommer 1875 neue Kräftigung seiner geschwächten Gesundheit durch einen Aufenthalt in Pyrmont gesucht hatte, wurde er, auf der Rückreise von dort, zu Hannover von einem plötzlichen Unwohlsein befallen, welches am 8. September 1875 durch einen sanften Tod seinem thatenreichen Leben ein Ende machte. Bereits längere Zeit vor seinem Tode hatte J., der, wie schon erwähnt, in kinderloser Ehe lebte, Veranstaltungen getroffen, daß nach dem Tode seiner ihn überlebenden Frau und seiner beiden Schwestern das von ihm hinterlassene bedeutende Vermögen voll und ganz der Universität Berlin zufallen und für Stipendienzwecke verwendet werden solle.

Jüngken’s Thätigkeit in der Privatpraxis beschränkte sich keineswegs auf die beiden Fächer, die er als klinischer Lehrer vertrat, auf die Chirurgie und Augenheilkunde, sondern er war auch als Arzt beliebt und gesucht und wurde aus der einen oder anderen Veranlassung vielfach von einheimischen und auswärtigen fürstlichen Personen consultirt. Als Augenarzt war J. viele Jahre hindurch für den Norden von Deutschland die berühmteste Persönlichkeit, seine Klinik war überfüllt von Zuhörern, Studirenden wie fremden Aerzten, die durch seine klinischen Vorträge und durch seine glänzende Geschicklichkeit als Operateur angezogen wurden. Gleichwol darf nicht verschwiegen werden, daß er für sein specielles Fach, die Augenheilkunde, wenig Originelles geleistet hat, wenn wir von der schon erwähnten Einführung des Chloroforms in die Technik der Augenoperationen absehen. Durch die menschliche Natur vollkommen erklärlich war es auch, daß in der neuen, einer Revolution gleichkommenden Epoche, welche in der Augenheilkunde mit der Erfindung des Augenspiegels (1850) begann, J., der lange über den Zenith des Lebens hinaus war, nicht bei den von jener Wissenschaft gemachten Riesenschritten mitzugehen Neigung hatte und daß er in Folge dessen bald von dem neben ihm auftauchenden Sterne ersten Ranges, dem Sohne eines Lehrers und seinem Schüler, Albrecht v. Graefe, in den Schatten gestellt wurde, so daß ihm fast nur noch seine alten Freunde treu blieben, die Mehrzahl der Hilfesuchenden aber dem neue Bahnen eröffnenden jungen Collegen und dessen Schülern sich zuwendete. – In der Chirurgie hat J., welcher derselben erst in der zweiten Hälfte seiner klinischen Thätigkeit durch die gleichzeitige Uebernahme der chirurgischen Klinik sich specieller zuzuwenden eine Veranlassung hatte, kaum irgend welche Spuren von einer durch ihn bewirkten Förderung hinterlassen. Als Schriftsteller in derselben ist er nur sehr vereinzelt aufgetreten. Abgesehen von den auf seine Veranlassung (besonders in der „Deutschen Klinik“) veröffentlichten Berichten aus seiner Klinik sind aus dieser späteren Zeit nur einige wenige von ihm herrührende Aufsätze (in Casper’s Wochenschrift, in der Deutschen Klinik) anzuführen. – Wenn wir J. auch keinen epochemachenden Einfluß auf die Förderung der von ihm vertretenen Wissenschaften beizulegen vermögen, so muß auf der anderen Seite die Lauterkeit seines Charakters, seine Liebenswürdigkeit im Umgange, seine Humanität gegen Kranke und Schüler, seine über alles Lob erhabene Pflichttreue in der Besorgung aller seiner amtlichen und außeramtlichen Geschäfte, sein ächt collegialischer Sinn, sein unermüdlicher Fleiß und die Gewissenhaftigkeit, mit der er sich seiner Aufgabe als Lehrer unterzog, rühmend anerkannt werden. – Einer seiner langjährigen Assistenten und Freunde, Dr. Gustav Hauck, hat unter dem Titel „Jüngken-Reminiscenzen“ (Deutsche medicinische Wochenschrift, 1875 S. 25) durch Zusammentragung von 39, meistens mündlichen Aeußerungen und Vorträgen entnommenen Bruchstücken ihm ein Ehrendenkmal, welches gleichzeitig sein ganzes Sein charakterisirt, gesetzt.

[732] Vgl. Göschen in Deutsche Klinik, 1867 S. 157. 173; 1868 S. 295. – Rigler in Berliner klinische Wochenschrift, 1867 S. 210; 1868 S. 338; 1875 S. 512.