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ADB:Ibell, Karl von

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Artikel „Ibell, Karl von“ von Ernst Joachim in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 737–739, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ibell,_Karl_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 03:08 Uhr UTC)
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Ibell: Karl Friedrich Justus Emil v. J., geb. den 29. Octbr. 1780 als Sohn des nassau-usingischen Amtmanns Karl I. zu Wehen. Erzogen auf dem Gymnasium zu Idstein und gebildet auf der Universität Göttingen, wo er sich den juristischen Fächern widmete, aber auch mit Eifer naturwissenschaftliche, historische, archäologische, philosophische und linguistische Studien betrieb, trat er nach abgelegter Staatsprüfung 1801 als Privatsecretär in den Dienst des nassau-usingischen Regierungspräsidenten v. Kruse, welcher den jungen Mann, dessen Fähigkeiten bald erkennend, mit nach Regensburg nahm, wo derselbe, zum Legationssecretär ernannt, Gelegenheit fand, in nicht gewöhnlichem Grade an den Verhandlungen der Reichshauptdeputation sich zu betheiligen, deren Ergebniß gerade auch für das Haus Nassau-Usingen sehr wichtig war, da demselben für die während der Wirren der französischen Revolutionskriege verloren gegangenen linksrheinischen Besitzungen auf dem rechten Rheinufer bedeutende Entschädigungen zu Theil wurden. Im April 1804 zum Regierungesassessor befördert, stieg I. rasch zum Range eines Regierungsrathes (1805), Geheimen Regierungsrathes (1809), Geheimen Rathes (1812) und Regierungspräsidenten und Mitgliedes des Staatsrathes (1815) empor, eine Folge seiner hervorragenden Fähigkeiten und bewundernswerthen Arbeitskraft, die er zum Heile seines Heimathlandes zu entwickeln bemüht war. Im J. 1806 wurde das Fürstenthum Nassau-Usingen zu einem Herzogthum erhoben (Rheinbund) und in eine lose Verbindung mit dem Fürstenthum Nassau-Weilburg gebracht, aber mit demselben im J. 1816 zu einem Staatsganzen einheitlich organisirt. Seit 1806 hatte dieses die Lande Weilburg und Usingen umfassende Herzogthum Nassau ein die Angelegenheiten beider zugleich verwaltendes Ministerium. An dessen Spitze stand Ernst Marschall v. Bieberstein und diesem zur Seite trat I. An dieser beiden Männer Namen knüpfen sich nun die zahlreichen freisinnigen und heilsamen Reformen auf dem Verfassungs- und Verwaltungsgebiete, deren Bedeutung für Nassau denselben Werth in Anspruch nehmen darf, wie die der gleichzeitig von Stein in Preußen in das Leben gerufenen. Wir erwähnen die Aufhebung der Leibeigenschaft, sowie des Frohn- und Dienstzwanges (1. Jan. 1808), den Erlaß eines Steueredictes (10. und 14. Febr. 1809), dem damals der Ruhm, das „einfachste und zweckmäßigste“ zu sein, nicht versagt ward, ferner eines Edictes wegen Aufhebung der älteren Abgaben (3. Septbr. 1812), die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit der Standes- und Grundherren, desgl. der Bergzehnten, die Freigabe des Regales des Bergbaues auf bituminöses Holz, Aufhebung der Kopf-, Personal-, Militär- und Patentsteuern, der Gerichtsgebühren, Sporteln, Taxen und Dispensationsabgaben, ferner der Binnenzölle, die Reduction der zahlreichen Amtsbezirke auf eine beschränktere Anzahl und die damit verbundene Verminderung eines kostspieligen Beamtenapparates, Verbesserung der Gerichtsordnung und der Polizei, Anlage guter Landstraßen, Fürsorge für den Gemeindehaushalt und die [738] Armenpflege, Einführung einer eigenthümlichen, aber noch jetzt nach ihrer Aufhebung von vielen gerühmten Medicinalverfassung, Bemühungen um Hebung der Landwirthschaft, Organisation des Schulwesens (Edict vom 24. März 1817) und damit im Zusammenhang die Errichtung eines Lehrerseminars, vorzüglich auch die Vereinigung der evangelischen mit der reformirten Kirche in Nassau (1817), ganz besonders aber die Ertheilung einer (octroirten) Verfassung (Septbr. 1814), so daß am 3. März 1818 die erste nassauische Ständeversammlung eröffnet werden konnte, dann auch die Einrichtung eines Staatsrathes neben dem Staatsministerium und der 8 höheren Justiz- und Landescollegien. Ibell’s Theilnahme an der äußeren Politik seines Vaterlandes bethätigte sich 1813 in einer gefahrvollen Reise mitten durch die Stellungen der französischen Truppen in das Blücher’sche Hauptquartier behufs Erklärung des Anschlusses des die Sache Napoleons aufgebenden Landesherrn an die Alliirten, 1814 in der Betheiligung an den Arbeiten der im Haag zusammengetretenen Commission wegen Abtretung der deutschen Landestheile des Hauses Nassau-Oranien an das Herzogthum Nassau, Verhandlungen, deren günstiger Erfolg der ganz besonderen Gewandtheit Ibell’s zugeschrieben werden darf, und 1816 in der Leitung der Unterhandlungen, welche zur Erwerbung der Niedergrafschaft Katzenelnbogen für Nassau gegen Cession von Siegen, Neunkirchen, Burbach und Atzbach an Preußen führten. Auch verdient als Ibell’s Werk hervorgehoben zu werden der Abschluß einer Convention zwischen Nassau und Hannover betr. Erklärung der Hochschule zu Göttingen als Landesuniversität für die studirenden Nassauer. Diese vielseitige Thätigkeit Ibell’s lenkte die Augen manches seiner hervorragendsten Zeitgenossen auf ihn; eine Zeit lang scheint sogar der Staatskanzler Fürst Hardenberg daran gedacht zu haben, den rührigen, gewandten Staatsmann aus dem Rahmen seines kleinen, engen Vaterländchens heraus in preußische Dienste herüberzuziehen. Da – unvermuthet und unverdient – erfolgte das Attentat eines fanatischen Schwärmers, dessen Eitelkeit das Vorbild eines Sand reizen mochte, des Apothekers Löning auf I., welcher bei aller Freisinnigkeit, die er bewiesen, in jenen dunkelen Tagen Manchen doch noch als ein Reactionär erscheinen mochte (1. Juli 1819). Der Todesstoß glückte nicht, allein I., durch diesen Vorfall in seinem Gemüth heftig erschüttert und infolge davon auch körperlich stark angegriffen, nahm 1820 seinen Abschied, um sich in das Privatleben zurückzuziehen, aus dem er nach sechsjähriger Pause in das öffentliche Leben wieder hinaustrat, um seine staatsmännischen Kenntnisse und Erfahrungen zunächst vorübergehend dem Herzog Bernhard von Sachsen-Meiningen durch Rathschläge bei der von diesem vorgenommenen Neuorganisation der Landesverwaltung leihen, dann aber dauernd dem Landgrafen Friedrich VI. von Hessen-Homburg zu widmen, der ihn 1827 als Geh. Rath und Regierungspräsidenten an die Spitze der Verwaltung berief. In dieser Stellung entwickelte J. seine frühere Frische und Thatkraft, namentlich in Beziehung auf die Ordnung der Finanzverhältnisse des Ländchens. Aber schon 1832 zwang zunehmende Krankheit den verhältnißmäßig frühzeitig ermattenden Mann auch dieser Thätigkeit zu entsagen. Nach zweijähriger Ruhepause im Sommer 1834, fühlte J. sich wieder stark genug, um im Auftrage des Landgrafen nach Wien zu reisen und an den dortigen Ministerconferenzen sich zu betheiligen. Dort wagte er, der Vertreter eines der kleinsten Bundesstaaten, den mit dem Untergange bedrohten Repräsentativverfassungen mannhaft das Wort zu reden. Er lenkte dadurch, wie überhaupt wol durch sein ganzes Wesen und Auftreten, die besondere Aufmerksamkeit Metternich’s auf sich. Aber er ward zusehends kränker und kehrte bald wieder in die Heimath zurück, wo er schon am 6. Octbr. 1834 zu Homburg v. d. H. aus dem Leben schied. Sein Fürst, welcher zugleich sein Freund gewesen, ehrte ihn, noch im Tode [739] mit einem anerkennenden dankbaren Nachruf, wie er ihm auch im Leben die ihm gebührende Anerkennung, auch rein äußerlich, erwiesen hatte, als er ihm z. B. 1830 bei dem König von Preußen die Erhebung in den erblichen Adelsstand ausgewirkt hatte, welche unter besonderer Betonung der Verdienste erfolgte, welche I. sich um Ausdehnung des Zollvereins und den Anschluß der kleineren Bundesstaaten an Preußen erworben hatte.

K. Schwartz, Lebensnachrichten über den Reg.-Präs. Karl v. Ibell, in den Annal. d. Ver. f. Nass. Alterthumsk. u. Geschichtsforschung, Bd. XIV, 1875.