ADB:Hoffbauer, Johann Christoph
Eberhard eine Einwirkung auf ihn ausübten. Seine Promotion, behufs deren er „Tentamina semiologica seu quaedam generalem theoriam signorum spectantia“ schrieb, war zugleich mit der Habilitation verbunden (1789), und nach nicht langer Zeit wurde er (1794) zum außerordentlichen und hierauf (1799) zum ordentlichen Professor der Philosophie befördert, als welcher er in den ersten Jahren sich eines großen Lehrerfolges erfreute. In Folge zunehmender Schwerhörigkeit mußte er großentheils auf Verkehr verzichten und wurde hierdurch allmählich ein Sonderling, welcher einem reichlichen Genusse des Weins, jedoch mit einem gewissen Raffinement, huldigte und sich mit einer großen Anzahl von Hunden umgab, an welchen er thier-psychologische Studien machte. In seinen zahlreichen litterarischen Leistungen gehört er zu den hervorragenderen Theilnehmern an der durch Kant hervorgerufenen Bewegung. Abgesehen von einer kleinen pädagogischen Schrift „Ueber die Perioden der Erziehung“ (1800) und einer recht brauchbaren „Geschichte der Universität Halle bis 1805“ gehören zunächst dem Gebiete der Logik an: „Analytik der Urtheile und Schlüsse“ (1792); „Anfangsgründe der Logik“ (1794, 2. Aufl. 1810); „Uebersicht des Vorzüglichsten, was seit 1781 für die Logik geleistet ist.“ (1795 in Niethammer’s Journal); sodann veranlaßt durch eine Preisaufgabe der Berliner Akademie „Ueber die Analysis in der Philosophie“ (1810) und „Versuch über die sicherste und leichteste Anwendung der Analysis in den philosophischen Wissenschaften“ (1810). Er nahm hierbei eine völlig selbständige Stellung zu Kant ein und knüpfte mehr an die nächsten Vorläufer desselben, nämlich an Baumgarten und Lambert, an; seine Erörterungen über analytische und synthetische Methode, bei welchen er sich auch als gut geschulter Mathematiker zeigt, sind ebenso scharfsinnig als anregend. Aehnliches gilt von dem Umkreise der Psychologie, in welcher wir wol Berührungspunkte mit Kant’s „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht“ (aber nicht mit dem betreffenden Abschnitte der Kritik der reinen Vernunft) finden, jedoch einen weit größeren Einfluß der dem Kantianismus vorhergegangenen empirischen Richtung erkennen. Er hatte schon 1796 eine „Naturlehre der Seele in Briefen“ veröffentlicht und ließ dann zwei für die damalige Zeit höchst bedeutende Werke folgen. Nämlich einerseits „Untersuchungen über die Krankheiten der Seele“ (3 Bde., 1802–7, der dritte Band hat den besonderen Titel „Psychologische Untersuchungen über den Wahnsinn“), worin er unter kritischer Begründung des Begriffes „Krankheit“ die pathologischen Seelenzustände, je nachdem sie in den einzelnen Seelenvermögen (nach wolffischer Eintheilung) oder in den gegenseitigen Wechselbeziehungen derselben oder endlich in der Gemeinschaft [568] zwischen Seele und Leib beruhen, einer durch feine Beobachtung gestützten Untersuchung unterzieht und sowol pädagogische Verhütungsmaßregeln als auch das eigentliche Heilverfahren erörtert. Andererseits füllte er durch die Schrift „Die Psychologie in ihren Hauptanwendungen auf die Rechtspflege“ (1808) eine in der damaligen Litteratur noch fühlbare Lücke in einer Weise aus, daß man auch seinem juristischen Wissen Anerkennung zollen muß. Außer diesen psychologischen Hauptwerken gab er auch einen „Grundriß der Erfahrungs-Seelenlehre“ (1810) und bezüglich einer vielbesprochenen Persönlichkeit „Joh. Adam Müller, der Prophet und sein Vater, eine Parallele von Hans Engelbrecht, einem Propheten des 17. Jahrhunderts“ (1817), worin er die Wurzeln und Verzweigungen solch schwärmerischer Verrückung darlegte. Auch auf die mehr medicinischen Seiten dieses Gebietes richtete er seinen Blick sowol in den gemeinschaftlich mit dem berühmten Reil verfaßten „Beyträgen zur Beförderung einer Kurmethode auf psychischem Wege“ (2 Bde. 1808) als auch in einer Monographie „Ueber die Gelüste der Schwangeren und ihren Einfluß auf rechtliche Zurechnung“ (1817 im Neuen Magazin des Criminalrechts), sowie durch Uebersetzung von Alex. Crichton’s Untersuchungen über die Geisteszerrüttung (1810) und von Th. Trotter’s Schrift über die Trunkenheit (1820). Als einen wirklichen Anhänger Kant’s zeigt er sich in der Ethik, wohin seine „Anfangsgründe der Moralphilosophie“ (1798) und „Untersuchungen über die wichtigsten Gegenstände der Moralphilosophie“ (1799) gehören; bezüglich der Rechtsphilosophie aber nahm er wieder eine Modification mit Kant’s Auffassung vor, insofern er den Begriff des Rechts näher an jenen der Befugniß rückte. Sein „Naturrecht aus dem Begriffe des Rechts entwickelt“ (1793) wurde ein sehr beliebtes Compendium, so daß noch eine 4. Auflage desselben erschien (1824); als einen Commentar dazu gab er seine „Untersuchungen über die wichtigsten Gegenstände des Naturrechts“ (1795), während die nicht weiter fortgesetzte Schrift „Allgemeines Staatsrecht, erster Theil“ (1797) eine kritische Erläuterung der kantischen Rechtslehre enthält; endlich veranlaßt durch eine Drontheimer Preisaufgabe schrieb er „Das allgemeine oder Naturrecht und die Moral in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und Unabhängigkeit“ (1816), worin er nunmehr hauptsächlich den formalen Charakter des Rechtes hervorhob. In all seinen Schriften machen die Klarheit und die Bündigkeit des Stiles, sowie die Ruhe der fortschreitenden Entwicklung einen durchaus günstigen Eindruck.
Hoffbauer: Johann Christoph H., geb. am 19. Mai 1766 in Bielefeld, † am 4. Aug. 1827 in Halle, hatte seine erste Bildung in seiner Vaterstadt empfangen und bezog 1785 die Universität Halle, wo besonders die Vorlesungen des Antikantianers- Ersch-Gruber, Allg. Encyklopädie, Section II, Bd. 9, S. 246 ff.