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ADB:Hoefer, Albert

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Artikel „Hoefer, Albert“ von Alexander Reifferscheid in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 385–387, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hoefer,_Albert&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:38 Uhr UTC)
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Hoefer: Karl Gustav Albert H., Forscher auf den Gebieten der vergleichenden Sprachwissenschaft und der deutschen, besonders der niederdeutschen Philologie, geboren zu Greifswald am 2. October 1812, † daselbst am 9. Januar 1883. (Vgl. den folgenden Artikel Edmund H.) Als zweiter Sohn des Stadtgerichtsdirectors Dr. Karl Andreas H. und seiner Frau Christiane Sophie Luise, geb. Waldeck, der Schwägerin von K. G. Gauß, erhielt er im elterlichen Hause vielfache Anregung, besonderen Einfluß übte seine Großmutter, die geistreiche Hofräthin Waldeck auf ihn. Das Gymnasium seiner Vaterstadt verließ er mit dem Zeugnisse der Reife am 17. April 1832. Gerühmt werden sein sittlicher Ernst, seine Zurückgezogenheit, sein gleichmäßiger musterhafter Fleiß, sowie seine ausgezeichneten, fast gelehrten Kenntnisse der alten Sprachen. Weniger günstig lautet das Urtheil im Deutschen: „Er hat sich oft die Aufgabe für seine Kraft zu hoch gesteckt und sie hat mehr das Wollen als das Können bekundet. Gedankengehalt im Einzelnen und Ordnung im Ganzen hat nie gefehlt. In dem Vortrage und in den Sprachformen sind mehr und weniger Dunkelheit, Ueberflüssiges und sonst Verfehltes zu rügen gewesen“. Er studirte darauf je zwei Semester in Greifswald und Göttingen, dann noch drei Semester in Berlin Sprachwissenschaft, classische und orientalische, indische und deutsche Philologie, besonders angeregt von Schoemann, Kosegarten, K. O. Müller, H. Ewald, J. Grimm, G. F. Benecke, A. Boeckh, K. Lachmann und Fr. Bopp. Letzterem widmete er 1836 seine Erstlingsarbeit, Untersuchungen über den Prakritdialekt, auf Grund deren (propter eximiam literarum orientalium cognitionem dissertatione de pracrita dialecto comprobatam) er am 29. April 1837 von der philosophischen Facultät der Universität Königsberg zum Doctor promovirt wurde. Am 1. August 1838 habilitirte er sich mit einer Vorlesung „De studio etymologico recte instituendo“ an der Berliner Universität für Sanskrit, Sprachvergleichung und altdeutsche Philologie. 1839 erschien sein erstes größeres Werk „Beiträge zur Etymologie und vergleichenden Grammatik der Hauptsprachen des Indogermanischen Stammes. I. Band: Zur Lautlehre“, „den Manen Wilhelm von Humboldts in Ehrfurcht gewidmet“, durch das er sich aufs vortheilhafteste als feinsinniger Sprachforscher aus der Schule Fr. Bopp’s und J. Grimm’s einführte. Daher wurde er schon am 4. Juli 1840 zur „Anerkennung seiner bisherigen wissenschaftlichen Leistungen und seines beifallswerthen wissenschaftlichen Strebens“ als außerordentlicher Professor für das Fach der orientalischen Sprachen, der vergleichenden Sprachwissenschaft und der altdeutschen Philologie nach Greifswald berufen. Ungern verließ er Berlin, nachdem er seine etymologisch-syntaktische Abhandlung vom Infinitiv, besonders im Sanskrit, die als Probe und Vorläufer einer Sanskritsyntax auftrat, druckfertig gemacht. Gleich nach dem ersten Semester in Greifswald ließ er sich beurlauben und ging mit einem Staatsstipendium nach London, um an den Schätzen des East India House seine Sanskritstudien zu erweitern und zu vertiefen. Er war bis zum Herbste 1842 in England, wo er sich bleibende Verdienste um die indischen Studien erwarb. Unterstützt von seinen Gönnern, A. v. Humboldt und J. v. Bunsen, bewirkte er es, daß König Friedrich Wilhelm IV. die werthvollen Sanskrithandschriften des Sir Robert Chambers für die kgl. Bibliothek in Berlin ankaufte, die so eine der bedeutendsten Sammlungen von Sanskrithandschriften gewann. Die Katalogisirung [386] dieser Handschriften beschäftigte H. bis zum Herbste 1844 in Berlin. Seine wohlgelungenen Uebersetzungen aus dem Indischen, der „Urwasi Kalidasas“, 1837, und die „Indischen Gedichte in Nachbildungen“, 1841 u. 1844, fanden bei den Kennern und bei dem größeren Publicum großen Beifall. Er galt als einer der Hauptvertreter der indischen Philologie und hatte Aussichten, der Nachfolger des damals kränkelnden Bopp zu werden. Da sich diese Hoffnung nicht erfüllte, mußte H. mit dem Wintersemester 1844/5 seine Greifswalder Lehrthätigkeit wieder aufnehmen. Er begründete in Greifswald 1845 die erste „Zeitschrift für die Wissenschaft der Sprache“, für die ihm Beiträge der angesehensten Fachgenossen zuflossen. Leider scheiterte der vierte Band 1853 an der Theilnahm- oder Mittellosigkeit des Verlegers. Am 15. Mai 1847 wurde H. in Greifswald ordentlicher Professor und zwar für das Fach der orientalischen Sprachen und der vergleichenden Sprachwissenschaft. Mit ausgesprochener Vorliebe hielt er grammatische Vorlesungen auf dem Gebiete des Sanskrit, Lateinischen und Deutschen, erklärte ausgewählte Proben aus dem Althochdeutschen, dem Mittelhochdeutschen, das Nibelungenlied, die Gedichte Walther’s von der Vogelweide, Hartmann’s Gregorius, den Beowulf und den Heliand. Knappe litterarhistorische Bemerkungen eröffneten diese Interpretationsvorlesungen, zu einer eingehenden Behandlung der deutschen Litteraturgeschichte konnte er sich nie entschließen. Als Mitglied der wissenschaftlichen Prüfungscommission wirkte H. fast zwanzig Jahre hindurch mit großer Milde und Sachlichkeit, die er auch in seinem Decanat 1858/9 und in seinem Rectorat 1860/61 bethätigte. 1873 veranlaßte er durch seine Ablehnung einer ferneren Betheiligung an der wissenschaftlichen Prüfungscommission die Begründung eines Ordinariates für deutsche Philologie an der Universität Greifswald. Am 24. April 1878 entschloß er sich, seine definitive Entlassung zu fordern. In seiner Eingabe heißt es: „Ich bin allmählich je älter desto kränker und müder geworden und fühle deutlich, daß ich meinem Amte nicht mehr vorstehen kann und mag. Denn ich leide u. A. an Brust und Hals und vermag lange schon nicht ohne Beschwerde anhaltend zu sprechen. Unter diesen Umständen, von allem Anderen ganz abgesehen, schien es mir längst unabweisbare Pflicht und Nothwendigkeit, meine definitive Entlassung zu fordern und ich muß auch jetzt bei diesem Entschlusse beharren, es wäre denn, daß Ew. Excellenz mir zunächst noch versuchsweise für das ohnehin kurze Sommersemester einen vollständigen Urlaub gewähren wollten, der sich ja vielleicht doch für meine Gesundheit besonders vortheilhaft erweisen möchte“. Die Rücksicht auf seine Gesundheit zwang H., sich immer aufs neue beurlauben zu lassen, bis er am 30. November 1880 auf seinen Antrag von allen akademischen Verpflichtungen dispensirt wurde. Er lebte seitdem, soweit seine Leiden es gestatteten, seinen niederdeutschen Studien, durch die er sich ganz besonderer Beachtung werth gemacht hat.

Schon früh wandte H., der von frühester Jugend an in seinem Elternhause plattdeutsch sprechen und lieben gelernt, seine volle Aufmerksamkeit der niederdeutschen Volkskunde zu. Nach umfassenden Untersuchungen über das gesammte Niederdeutsche wollte er zunächst ein Pommersches Idiotikon veröffentlichen. Herbst 1838 forderte er in Nr. 72 der Sundine zur allgemeinen Unterstützung dieses Unternehmens auf, das den im Munde des Volkes erhaltenen Sprachschatz in möglichster Vollständigkeit umfassen und an der Hand des fleißigen und sorgsamen „Platt-Deutschen Wörterbuchs nach der alten und neuen Pommerschen und Rügischen Mundart“ von J. C. Dähnert sprachwissenschaftlich bearbeiten sollte. Im Anhang sollten alte Sprichwörter, Aberglauben, Lieder und dergleichen beigefügt werden, als Proben der Mundart [387] und als Beitrag zur Geschichte der Entwicklung und Fortbildung des deutschen Volksliedes. Fast gleichzeitig trat J. G. L. Kosegarten mit dem Plan eines „Allgemeinen Wörterbuchs der niederdeutschen oder plattdeutschen Sprache älterer und neuerer Zeit“ hervor, deren erste Lieferung aber nicht 1839, wie versprochen, sondern erst 1856 herauskam. H. ließ jetzt seine lexikalischen Pläne, das Pommersche Idiotikon und ein mittelniederdeutsches Wörterbuch bei Seite und beschränkte sich auf die Veröffentlichung der sicheren Ergebnisse seiner niederdeutschen Forschungen in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften. Von seiner Arbeit über Entstehung und Entwicklung des deutschen Volksliedes erschien nicht einmal der geplante Vorläufer „Das Lied von den drei Königskindern in 15 verschiedenen germanischen Sprachen und Mundarten als Probe historisch-kritischer Behandlung des Volksliedes“. Um der unverdienten Nichtachtung des Niederdeutschen entgegenzuwirken, begründete H. 1850 die „Denkmäler der niederdeutschen Sprache und Litteratur nach alten Drucken und Handschriften“, die aber schon nach dem zweiten Bändchen infolge der Energielosigkeit des banausischen Verlegers ins Stocken geriethen. Später beabsichtigte H. noch eine Sammlung von Erzählungen aus Korner’s niederdeutscher Chronik nach der hannoverschen Handschrift herauszugeben. Seine peinliche Genauigkeit ließ ihn auch hier nicht zum Abschluß gelangen. Am meisten ist zu beklagen, daß er infolge zunehmender Kränklichkeit seine schönen lexikalischen Pläne nicht verwirklichen konnte. Selten ist jemand während seines Lebens so falsch beurtheilt worden wie H. Auch er war von Hause aus eine lebensfrohe offene Natur, zog sich aber infolge mancher Enttäuschungen und trüber Lebenserfahrungen je länger je mehr zurück. Eine unerwiderte Herzensneigung, der er seit seiner Göttinger Studienzeit treu geblieben, verbitterte seit 1844 sein Leben. So erklären sich leicht die folgenden Strophen S. V der zweiten Lese seiner „Indischen Gedichte in deutschen Nachbildungen“:

Blumen hab’ ich hier und dort gelesen,
In der Heimath, fern am heil’gen Flusse,
Nicht zu prunken, nein! das liebste Wesen
Zu erfreun mit holdem Frühlingsgruße.

Hab’ Ihr manchen bunten Strauß gewunden,
Dacht’ Ihr manche reife Frucht zu brechen,
Sonnenlicht, wie bald bist du verschwunden!
Früchte hofft’ ich, wo nun Dornen stechen.

H. blieb unverheirathet. Seine einzige Freude war die emsige, unablässige Arbeit, bis schwere körperliche Leiden ihm auch diesen Trost nahmen. Er bedurfte für sich wenig und war beglückt in dem Gedanken, durch seine Ersparnisse auch nach seinem Tode noch wohlzuthun.

Nach Briefen und Tagebuchaufzeichnungen Alb. Hoefer’s. – Vgl. meine Nekrologe im Biographischen Jahrbuch f. Alterthumskunde, hsg. von Iwan Müller, VII (1885), S. 99 ff., im Jahrbuch des Vereins f. niederdeutsche Sprachforschung X (1885), S. 148 ff.