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ADB:Heinze, Rudolf

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Artikel „Heinze, Rudolf“ von Albert Teichmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 153–155, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinze,_Rudolf&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:03 Uhr UTC)
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Heinze: Karl Friedrich Rudolf H., Strafrechtslehrer und Parlamentarier, wurde am 10. April 1825 in dem damals coburgischen, dann sachsen-meiningischen Saalfeld a. d. Saale als Sohn des Conrectors Dr. phil. et theol. Karl H. geboren, besuchte die Gymnasien zu Naumburg und Meiningen und widmete sich auf der Universität Leipzig dem Rechtsstudium 1844–47. Nach dem ersten Staatsexamen trat er in Herzoglich Meiningischen Justizdienst und absolvirte 1852 die dritte Staatsprüfung, wurde 1853 am Kreisgericht Hildburghausen Staatsanwalt, 1856 an die Oberstaatsanwaltschaft (unter Oskar Schwarze) in Dresden versetzt, welche Stelle er 1860 mit der eines Ersten Staatsanwaltes beim Bezirksgericht vertauschte. In dieser Zeit wandte er sein Interesse der Reform des Strafverfahrens, speciell dem Geschworenengericht zu. Seine Gedanken über die beste Gestaltung des Geschworenengerichts veröffentlicht er zuerst in der Deutschen Vierteljahresschrift 1862 (anonym), ferner in einer Abhandlung über den englischen Gerichtsorganismus und die Jury in Haimerl’s Vierteljahrsschrift XV, 1–68, auch in „Parallelen zwischen der englischen Jury und dem französisch-deutschen Geschworenengericht“ (1864 Beilageheft zum 16. Jahrgang des Gerichtssaales), zuletzt zusammengefaßt in „Ein deutsches Geschworenengericht“, Leipzig 1865. In seiner psychologischer Schilderung des Zusammenwirkens von Richtern und Geschworenen wünscht er namentlich Besetzung der Geschworenenbank mit Männern von besonderer Sachkenntniß für den zu entscheidenden Fall, Wegfall des Resumé des Vorsitzenden und Ersetzung desselben durch Betheiligung der Richter an den Berathungen der Geschworenen (wie dies 1890 in Genf eingeführt wurde). Dazu kamen Studien über die Einstimmigkeit des Juryverdictes in Goltdammers Archiv Bd. 13 u. 14 (1865, 1866) – über den Einfluß des Rechtsirrthums im Strafrecht (Gerichtssaal 13, 397–449) – über Beweisfragen (ebenda 15, 292–318 und 466–478), über Zeugenpflichten (ebenda 14, 452–463). Im J. 1865 folgte er einem Rufe als ordentlicher Professor für Strafrecht, Strafproceß und Rechtsphilosophie nach Leipzig an Stelle von Marezoll. In den Jahren 1866–71 wurde er dreimal zum Vertreter der Universität in der Ersten Sächsischen Kammer gewählt, in welcher Stellung er eine große Thätigkeit bei Berathung der Gesetzentwürfe über Aenderungen der Verfassung und des Wahlrechts, Einführung der kirchlichen Synodal- und Presbyterialverfassung, Abschaffung der Todesstrafe, Einführung der Geschworenen- und Schöffengerichte entfaltete. Hierbei sah er sich veranlaßt, gegen Eingriff der sächsischen Gesetzgebung in das Reichsrecht zu protestiren, und erfuhr dann im März 1872 bei Berathung des Etats der Universität Leipzig einen unerwarteten und unverschuldeten Angriff schwerster Art von seinem früheren Collegen, damaligem Cultusminister v. Gerber (vgl. A. D. B. XLIX, 291–297). Vielfach angefeindet und ziemlich vereinsamt, folgte er, der schon 1870 eine Berufung an das Hanseatische Oberappellationsgericht in Lübeck abgelehnt und einen Ruf nach Tübingen 1872 erhalten hatte, schließlich 1873 einem Rufe nach Heidelberg als Nachfolger von Emil Herrmann (vgl. A. D. B. L, 248 f.). In diese Zeit fallen wichtige Arbeiten. Es gehört dahin seine Leipziger Antrittsvorlesung: „Das Recht der Untersuchungshaft“, Leipzig 1865, [154] worin er sehr beredt gegen deren übermäßige Anwendung sich aussprach und dringend Entschädigung für unschuldig erlittene Haft forderte. Dieser Forderung der Gerechtigkeit ist jetzt endlich genügt worden. Eine verwandte Frage: (Sicherheitsstellung) behandelte er für römisches Strafverfahren (Gerichtssaal Bd. 23, 136–153, 169–183) und für das germanische (Ztschr. f. Rechtsgeschichte Bd. 10, 450–465); er brachte Mittheilungen aus den Sächsischen Entwürfen und Kammerverhandlungen über Einführung der Jury und der Schöffengerichte (Goltdammers Archiv Bd. 16, 612–624, 673–690), eine Arbeit über Verbrechen gegen fremde Gemeinwesen, deren Güter und Angehörige (ebd. Bd. 17, 556–568, 609–621, 673–683, 737–750), die sehr wichtigen „Staatsrechtliche und strafrechtliche Erörterungen zu dem amtlichen Entwurfe eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund“, Leipzig 1870 – „Zum revidirten Entwurf eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bunds (in d. Sammlung von Abhandl. d. Mitglieder d. Juristenfacultät zu Leipzig Bd. II, Heft 1, 1870) – „Das Verhältniß des Reichsstrafrechts zu dem Landesstrafrecht mit besonderer Berücksichtigung der durch das norddeutsche Strafgesetzbuch veranlaßten Landesgesetze“, Leipzig 1871 – „Strafrechtstheorien und Strafrechtsprincip“ (in v. Holtzendorff’s Handb. d. deutschen Strafrechts Bd. I, 241–344) – „Reichsstrafrecht und Landesstrafrecht“ (ebd. Bd. II, 1–22) – „Wegfall der Strafe“ (ebd. Bd. II, 587–637), womit noch eine Arbeit über die Tragweite des § 5 des Einführungsgesetzes zum St.G.B. im Gerichtssaal Bd. 30, 561–588 zu verbinden ist, sowie eine Besprechung der „Mittel und Aufgaben der Universitätsbibliotheken“ in der Tübinger Ztschr. f. die ges. Staatswissenschaft Bd. 26, 261–314. Es folgten dann besonders werthvolle Beiträge zum Strafproceßrecht, zuerst „Strafprocessuale Erörterungen. Beitrag zur Kritik der dem Reichstag vorliegenden Entwürfe einer Strafproceßordnung und eines Gerichtsverfassungsgesetzes“ (Beilageheft zu Bd. 27 des Gerichtssaales, 1875) – Bemerkungen zu diesen Entwürfen in Goltdammer’s Archiv Bd. 23, 241–267 – „Dispositionsprincip und Officialprincip; Verhandlungsform und Untersuchungsform, insbesondere im Strafproceß“ (ebd. Bd. 24, 265–310) – „Zur Physiologie des Strafprocesses“ (Gerichtssaal Bd. 28, 561–588). Mehr politischen Gehalts ist die Schrift: „Die Straflosigkeit parlamentarischer Rechtsverletzungen und die Aufgabe der Reichsgesetzgebung“, Stuttgart 1879, und die aus Anlaß der Vergewaltigung der deutschen Sachsen in Ungarn geschriebene flammende Anklageschrift „Hungarica“, Freib. 1882, die in Siebenbürgen begeisterte Verehrung für den Verfasser hervorrief, wie sich dies in dankbaren Nachrufen später in ergreifender Weise äußerte. In Heidelberg entfaltete H. nach Ablehnung eines Rufes an die Universität Wien (1875) eine umfassende Thätigkeit nach den verschiedensten Richtungen. Er war Mitglied des Bürgerausschusses, des Kirchengemeinderaths, der badischen Generalsynode, des Allgemeinen deutschen Schulvereins, längere Zeit Vorsitzender der akademischen Krankenhauscommission, 1883/84 Prorector der Universität (Festrede vom 22. November 1883: „Heidelberger Universitätsjubiläen“), in akademischen Kreisen ein gern gehörter, den Studirenden sich widmender Lehrer, der über zwanzig Jahre sich große Verdienste erwarb; Auf dem Gebiete des Kirchenrechts, das er auch vertrat, hat er nur eine Arbeit „Das Lehramt der katholischen Kirche und der päpstliche primatus ordinis“ in Grünhut’s Ztschr. Bd. 3, 535–570 geliefert, für den St. Petersburger Gefängnißcongreß (1890) über die Frage der Strafbarkeit der Trunkenheit ein Gutachten erstattet und schließlich sich mit einem Beitrag „Universelle und particuläre Strafrechtspflege“ an der Festgabe der Heidelberger Juristenfacultät zum 70. Geburtstagsfest des Großherzogs Friedrich von Baden betheiligt. – [155] Diese letzte Arbeit erschien, als er nicht mehr unter den Lebenden war. Mannigfach ausgezeichnet, lebte er in glücklicher Ehe mit Elise v. Zastrow, in freundlichsten Beziehungen zu seinem Schwiegersohne Prof. Dr. Richard Loening und zu seinem Bruder Max, Prof. d. Philosophie in Leipzig. Er starb am 18. Mai 1896.

Nekrolog von R. Loening in den Badischen Biographien Bd. V (1904) S. 270–276. – Karl v. Lilienthal in der Festschrift „Heidelberger Professoren aus dem neunzehnten Jahrhundert“, Heidelberg 1903, S. 243–251.