ADB:Haug, Martin
Bopp’s Nal und Damajanti erlernte. Um sich ganz seinen Studien widmen zu können, trat er gegen den Willen seines Vaters aus dem Schulamte aus und wanderte, einen Kronenthaler in der Tasche, 1848 nach Stuttgart, wo er das Gymnasium bezog und schon im nämlichen Jahre die Maturitätsprüfung bestand, studirte hierauf in Tübingen unter Roth orientalische, besonders Sanskrit-, unter Teuffel und Schwegler classische Philologie, promovirte 1851 und wandte sich dann nach Göttingen, wo er unter Ewald und Benfey seine orientalischen Studien, besonders über das Zendavesta, die Keilschrift und den Bundehesch mit Eifer fortsetzte. 1854 habilitirte er sich als Privatdocent in Bonn; seine Habilitationsrede, über die Lehre Zoroasters nach den Liedern des Zendavesta, erschien im 9. Bande der Zeitschr. d. deutschen morgenländischen Gesellschaft. All diese Jahre hindurch hatte er sich fast ausschließlich durch Ertheilung von Privatunterricht, oft unter den größten Entbehrungen, durchbringen müssen; daher nahm er gerne eine Aufforderung des bekannten Frhrn. J. v. Bunsen an, bei ihm in Heidelberg als Privatsecretär einzutreten, und ihn bei seinem Bibelwerk zu unterstützen. Im J. 1859 nahm er eine Berufung nach Indien an [55] als Professor des Sanskrit an dem englischen College in Puna. Schon vorher hatte er sein großes Werk „Die fünf Gâthâ’s“ (Leipzig 1858, 1860, in den Abhandlung. zur Kunde des Morgenlandes), vollendet, eine eingehende kritische Bearbeitung dieses wichtigsten und ältesten Documents der zoroastrischen Religion. Der Aufenthalt in Indien (1859–66) bezeichnet eine neue Periode in Haug’s wissenschaftlicher Thätigkeit, während deren sein Streben hauptsächlich darauf gerichtet ist, die an Ort und Stelle lebendigen Traditionen über die alte zoroastrische sowol als über die altindische Religion der Vedas zu sammeln und zu studiren. Er verstand es, sich mit gelehrten Parsenpriestern und Brahmanen näher bekannt zu machen, die ihn über ihre Gebräuche und besonders ihr Opferritual unterrichteten und vermochte insbesondere einen Bramahnen dazu, trotz des strengen religiösen Verbots, das auf einer solchen Profanation lastete, ihn auf das Genaueste mit den Gebräuchen bei dem aus der vedischen Zeit stammenden Somaopfer bekannt zu machen. Durch das Interesse und Verständniß, das er im Privatverkehr und in zahlreich besuchten öffentlichen Vorträgen für die alte Religion der Parsen bekundete, regte er diese selbst zu eifrigem Studium ihrer alten Religionsbücher an, verfeindete sich freilich auch durch seinen allzu großen Eifer die christliche Propaganda. Die Reizbarkeit, welche eine harte Jugend in ihm erzeugt hatte, verwickelte ihn bei dieser Gelegenheit und noch mehr in späterer Zeit seinen europäischen Fachgenossen gegenüber in bedauerliche Streitigkeiten. Während seines Aufenthalts in Indien veröffentlichte H. außer kleineren Arbeiten 1862 seine „Essays on the sacred language, writings and religion of the Parsees“, ihrem Hauptzweck nach eine für das englische Publicum bestimmte populäre Zusammenfassung der Ergebnisse der Zendphilologie, aber auch manches damals Neue, namentlich den ersten Versuch einer Zendgrammatik enthaltend; und 1863 in 2 Bänden seine Ausgabe und Uebersetzung des Aitareya Brâhmana, in der er seine aus längerem intimen Verkehr mit indischen Pandits und Opferpriestern geschöpften Kenntnisse bezüglich des vedischen Opferrituals mit größtem Erfolg verwerthete. Eine bedeutende wissenschaftliche Ausbeute ergab auch Haug’s zur Aufsuchung alter Handschriften unternommene Reise durch Guzerat im J. 1863–64, wobei er im Auftrag der englischen Regierung eine Menge werthvoller Handschriften aufkaufte, zugleich auch den Grund zu seiner eigenen umfassenden Sammlung Zend-, Pehlevi- und vedischer Handschriften legte, die nach seinem Tode von der Münchener Staatsbibliothek angekauft wurde. 1866 zur Wiederherstellung seiner durch das indische Klima zerrütteten Gesundheit nach Europa zurückgekehrt, lebte er zunächst in Zurückgezogenheit in Reutlingen und Stuttgart, wo er sein in Gemeinschaft mit Destur Hoschengdschi herausgegebenes Zend-Pahlavi Glossary vollendete, wurde 1868 auf den neu errichteten Lehrstuhl für Sanskrit und vergleichende Sprachwissenschaft an die Universität in München berufen und wirkte hier bis zu seinem in Folge eines Nerven- und Lungenleidens erfolgten frühzeitigen Tode (in Ragaz 5. Juni 1876). In seinen Vorlesungen behandelte er wie in seinen litterarischen Arbeiten mit Vorliebe das Gebiet der Zend- und Pehlevilitteratur und machte daher auch vornehmlich nach dieser Richtung Schule; aber er las auch über Sanskritgrammatik und die verschiedenen Zweige der Sanskritlitteratur, über Keilschriften, über vergleichende Grammatik der indogermanischen Sprachen und über allgemeine Sprachwissenschaft, und seine Collegien erfreuten sich bis zu seinem letzten Semester eines steigenden Besuchs. Selbst aus dem Auslande kamen Schüler herbei: aus Nordamerika, England, Spanien, Portugal, Griechenland. Neben seiner Lehrthätigkeit setzte H. mit einer für seine zarte Constitution nur allzu großen Kraftanspannung seine gelehrten Forschungen fort und veröffentlichte namentltch 1870 „An old Pahlavi-Pazand Glossary“, in Gemeinschaft mit [56] Destur Hoschengdschi, und 1871–74 „The book of Arda Viraf“, in Gemeinschaft mit demselben und E. W. West. Diese Werke (nebst der kleinen Schrift „Ueber den Charakter der Pehlevisprache“, 1869) wirkten epochemachend auf das Studium des Pehlevi ein. Unter den auf die Erklärung des Zendavesta bezüglichen Arbeiten dieser Periode sind besonders seine Uebersetzungen des 18. Capitels des Vendidâd und der Ahunavairyaformel, des heiligsten Gebets der Zoroastrier und unter seinen Forschungen aus dem Gebiete der Sanskritphilologie seine Abhandlungen über Brahma und die Brahmanen und über Wesen und Werth des vedischen Accents (in den Sitzungsber. und Abh. der baier. Akad. d. Wiss. 1871, 1872, 1873) hervorzuheben. In der letztgenannten Schrift entwickelte er in gelehrter und scharfsinniger Weise eine neue Theorie über die Natur der indischen Accentbezeichnung, wonach man in derselben keinen eigentlichen Wort-, sondern vielmehr einen gesanglichen Accent zu erblicken habe. Begründet ist diese Ansicht namentlich auf die heutige Recitationsweise der Vedas bei den Indern, wie es überhaupt als der wissenschaftliche Grundzug der so vielseitigen Haug’schen Forschungen, nur mit Ausnahme seines Werkes über die Gâthâ’s, bezeichnet werden kann, auf allen Gebieten den Werth der modernen orientalischen Tradition gegenüber der gelehrten Kritik der europäischen Philologen hervorzuheben. In seinem Nachlasse fanden sich noch verschiedene kleinere Beiträge zur Zendphilologie vor, die in der zweiten von Dr. West besorgten Ausgabe seiner „Essays“ (London 1878) gedruckt wurden. Zahlreiche mehr populäre Aufsätze Haug’s sind in der Beilage der Augsb. Allgem. Zeitung, streng wissenschaftlich gehaltene Recensionen in den Gött. Gel. Anz. enthalten.
Haug: Martin H., hervorragender Orientalist, geb. am 30. Januar 1827 zu Ostdorf in Würtemberg als Sohn eines Landmanns, zeigte schon früh Neigung zu gelehrten, besonders sprachlichen Studien. Zum Schullehrer bestimmt und schon im J. 1843 zum Lehrgehilfen ernannt, trieb er nebenher Latein, Griechisch und Hebräisch, bald auch Sanskrit, das er ohne Grammatik mit Hülfe von- Vgl. Bezzenberger’s Beiträge zur Kunde der indogerman. Sprachen I. 70–80 (daselbst auch ein Verzeichniß seiner Schriften), 175, 176. Trumpp in der Beil. zur Augsb. Allgem. Zeitung 1876, Nr. 182.