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ADB:Hartmann II.

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Artikel „Hartmann II., Bischof von Chur“ von Christian Immanuel Kind in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 675–678, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hartmann_II.&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:56 Uhr UTC)
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Hartmann II., Bischof von Chur, stammte aus dem gräflichen Geschlechte derer von Werdenberg-Sargans von der schwarzen Fahne. Sein Vater war H. III., Graf von Werdenberg-Sargans zu Vaduz, seine Mutter, Anna, eine Schwester des Grafen Rudolf von Montfort zu Feldkirch von der rothen Fahne; sein Geburtsjahr ist nicht bekannt. Da die Familie durch mannigfache Ursachen in ihrem Besitze sehr zurückgekommen war, trat H., obwol Erstgeborner und als solcher Nachfolger seines Vaters im Besitze von Vaduz, in den Johanniterorden ein. Im J. 1376 erhielt er die Comthurey zu Wädischweil, eine Würde, die ihn veranlaßte, mit den Eidgenossen freundschaftliche Beziehungen zu pflegen und sich zu verpflichten, daß Wädischweil jeder Zeit ihr offenes Haus sein solle (Urk. 8. Septbr. 1376). Unterdessen trat er sein schwerverschuldetes Erbe pfandweise an seine Halbgeschwister, die Freiherren v. Brandis, ab, ohne je wieder zur Lösung zu gelangen. So verschwand die Linie derer von Werdenberg-Vaduz, da der eine von Hartmann’s Brüdern, Rudolf, auf einer Fahrt nach Jerusalem, ohne Leibeserben zu hinterlassen, in Rhodus starb, während der jüngere Bruder, Heinrich, mit Catharina von Werdenberg, der Wittwe Diethelm’s, Grafen von Toggenburg, nur Töchter erzeugte. H. war aber auch als Fürstbischof von Chur der letzte aus einem der altrhätischen Dynastengeschlechter. Seine Wahl zum Bischofe von Chur erfolgte im J. 1390. Nach dem Hinschiede von Bischof Johannes II., 1388, war eine uncanonische Wahl erfolgt, die vom Domcapitel nicht anerkannt wurde. Letzteres wählte vielmehr mit Einmuth den Comthur von Wädischweil, während Herzog Leopold von Oesterreich im Bunde mit Rom alle Anstrengungen machte, seinen Vicekanzler Anton auf den Stuhl zu Chur zu bringen. Die Behauptung der neuen Würde kostete H. daher um so größere Anstrengung, als Oesterreich seit 1363 im Besitze von Tirol nach den empfindlichen Schlägen, die es im Kampfe wider die Eidgenossen bei Sempach erlitten hatte, alles Gewicht darauf legte, durch seinen Einfluß in Churrhätien sich die Rheinlinie zu sichern und die Verbindung mit Mailand offen zu halten. Dank einem Anschlag des Grafen Albrecht von Werdenberg-Heiligenberg von der weißen Fahne wurde H. auf der Heimreise von Constanz gefangen genommen, und während zwei Jahren auf Heiligenberg gefangen gehalten, und Herzog Albrecht von Oesterreich besetzte mittlerweile das zum Bisthum gehörende Stift Münster, über dessen Schirmvogtei beständige Irrungen obwalteten. Erst 1392 erlangte der Bischof durch einen Vertrag mit Oesterreich seine Freiheit [676] wieder, indem er gegen Verzicht des Vicekanzlers Anton auf den Stuhl zu Chur sich für seine Person, sein Capitel und sein Hochstift verpflichtete, dem Hause Oesterreich allezeit gewärtig zu sein, und sich unter den Schutz dieses Hauses stellte. Auf diese Weise mit seinem mächtigsten Gegner im Frieden, eröffnete H. seine Stiftsregierung damit, daß er die abgekommenen Rechte seiner Kirche von den benachbarten Baronen wieder einzubringen suchte. Um das Vicedominat im Tumlesk und andere damit zusammenhängende Rechte, wie namentlich die Schirmvogtei über das Stift zu Catzis erhob sich nun eine lange, allerdings mehrfach durch Richtungsversuche unterbrochene Fehde mit den Freiherren von Rhäzüns. Sie erhielt dadurch besondere Wichtigkeit, daß Freiherr Ulrich von Rhäzüns den gesammten oberländischen Adel, insbesondere die Grafen von Sax, sowie die Abtei Disentis in seine Bundesgenossenschaft zog, und auf diese Weise die nachmalige Bildung des obern grauen Bundes vorbereitete. Unterdessen wandte sich Bischof H. auch gegen die Vögte von Mätsch, um Vinstgau und Poschiavo wieder zu des Stiftes Handen zu bringen. Diese Unternehmungen entsprangen dem allgemein beobachteten Bestreben jenes Zeitalters an der Stelle des unhaltbar gewordenen Reichsverbandes die Landeshoheit zu begründen und an die Stelle des lockern Lehenverbandes festere Ordnungen einzuführen. Aber auch in Niederrhätien machte H. sein Ansehen als Kirchenfürst und Landesherr gegen die Heiligenberger Linie seines Hauses, mit dem er allerdings mancherlei abzurechnen hatte, geltend. Es handelte sich hierbei vorzugsweise um die Vesten Wartau und Herrenberg. Noch während dieser mit wechselndem Glücke geführten Fehde entspannen sich aber neue Irrungen über die Tumlesker Angelegenheiten. Tief verschuldet ging der Bischof aus diesen Fehden hervor; er durfte kein Mittel mehr verschmähen, sich Geld zu verschaffen. Er trat daher 1399 gegen eine Jahresbesoldung von 400 Gulden als herzoglicher Rath in die Dienste Leopolds, mit dem Gelöbnisse, ihm gegen Jedermann zu dienen. Die Hoffnung des Capitels und des Landes, daß das Hochstift in seinem kriegerischen Bischof einen Halt gegen Oesterreichs Umsichgreifen erhalte, ward damit zu Schanden. Aus einem Bundesgenossen Oesterreichs war ja der Bischof ein Diener und Unterthan des Fürsten geworden. Der Gedanke der Selbsthülfe, des gegenseitigen Schutzverbandes, faßte jetzt unter den Gotthausleuten von Chur immer kräftiger Wurzel. Schon am 21. October 1396 hatten dieselben, Edel und Unedel, Frei und Eigen, Semperleute und Hofleute, Niemand ausgenommen, mit den zur Landschaft des Grafen Hans von Werdenberg zu Sargans gehörigen Herrschaften Schams, Obervaz und Ortenstein ein Verkommniß zu rechtlicher Hülfe gegen Gewalt und Ueberdrang abgeschlossen. Sie behielten dabei das Bündniß mit Oesterreich vor, aber jeder Bischof sollte bei seinem Regierungsantritt diese Verkommniß eidlich beschwören. Es war hiermit der Anfang zu landschaftlicher Selbständigkeit gemacht, die in der Folgezeit sich noch weiter entwickelte. Die Rhäzünser antworteten auf dieses Bündniß mit einem Gegenbündnisse, womit wenigstens soviel erreicht war, daß die Fehde in Oberrhätien erlosch und den erschöpften Landschaften einige Ruhe gewährt wurde. In Unterrhätien dauerten indeß die Raubzüge fort, und waren es hier hauptsächlich die Glarner und Appenzeller, die das bischöfliche Gebiet heimsuchten. Durch Vermittelung des österreichischen Landvogtes zu Sargans, Wilhelm v. Ende, wurde auch diese Fehde 1402, zu einer Zeit, da bereits die heftigen Zerwürfnisse zwischen Abt Cuno von Stoffeln zu St. Gallen und den Appenzellern ausgebrochen waren, beigelegt. Die Versuche, das Bergvolk zur Ruhe zu bringen, waren alle gescheitert, von der Vertheidigung des eigenen Landes ging es zum Angriff über, und rief in der ganzen Landschaft ob dem See ähnliche Freiheitsbestrebungen hervor. Auch die österreichischen Herrschaften waren bereits von den kühnen Ausfällen der Bergleute bedroht und insbesondere [677] die den Werdenbergern in ihrer Verarmung abgenommenen Besitzungen. Unter diesen Umständen konnte Bischof H. den Augenblick gekommen erachten, wo er sich der lästigsten Verpflichtungen Oesterreich gegenüber entschlagen und namentlich zu Maßregeln zu greifen vermochte, welche seine neuerdings in Frage gestellten Rechte im Vinstgau sichern sollten. H. erschien daher persönlich im Vinstgau, um seinen Gegnern zuvorzukommen, wurde aber auf seiner Fürstenburg durch Hans v. Lupfen 1405 belagert und noch ehe seine Gotthausleute zum Entsatze herbeieilen konnten, gefangen abgeführt. Man brachte ihn nach Schaffhausen, um dort durch eine längere Gefangenhaltung den ihm schuldgegebenen Treubruch zu büßen. Daß seine Handlungsweise in diesem Sinne beurtheilt wurde, ergibt sich daraus, daß seine Freilassung erst auf Fürsprache des Capitels und Gotthauses Chur erfolgte, und sich diese letzteren, sowie anderseits die ganze Verwandtschaft des Fürstbischofs für unverbrüchliche Haltung des Bündnisses vom J. 1392, welches H. neuerdings zu beschwören verhalten wurde, verbürgen mußten, und zwar unter der Bedingung, daß ihn bei nochmaligem Treubruche die Ministerialen und die Gemeinden des Gotthauses nicht mehr als Landesherr anerkennen sollten, während die Verwandtschaft gelobte, ihm keine Hülfe mehr zu leisten, wenn der Bischof seine Urfehde nicht halte. Durch diese Verhandlung, zusammengehalten mit derjenigen von 1396, waren die Anfänge eines öffentlichen Rechtes sowol nach innen zur Sicherung des Landfriedens, als nach außen durch jene Verbürgung für die Fortdauer der Bundesgenossenschaft mit Oesterreich gegeben. Die Ministerialen und die Gemeinden des Gotthauses hatten damit landesständische Rechte ihrem Fürsten gegenüber erlangt. Nach Hartmann’s Freilassung wurden die streitigen Verhältnisse im Vinstgau schiedsgerichtlich geordnet, indem Bischof Georg von Trient die Herzoge von Oesterreich zu einer Entschädigung von 3000 Fl. an die Kirche von Chur verurtheilte. Aus dem Inhalt des Schiedsspruches geht wenigstens hervor, daß Bischof H. nicht ohne zureichenden Grund nach dem Vinstgau geeilt war, um daselbst Stellung zu nehmen. Die ihm zugesprochene Entschädigung reichte indeß nicht zu, um die drückende Schuldenlast der Kirche von Chur zu ermäßigen. Durch jüdische Wucherer gedrängt, mußte H. im J. 1409 das Capitel und die Stadt Chur verpfänden, nachdem er schon 1406 das Ammanamt zu Chur für 160 Mark verkauft hatte. In so bedrängter Lage mußte der Bischof fortan darauf verzichten, mit bewaffneter Hand die Rechte seiner Kirche zu schirmen, obwol diese sowol im Vinstgau, als auch von Seite der Rhäzünser fortwährend gefährdet waren, und H. beschränkte sich daher darauf, den Herzog Friedrich mit geistlichen Censuren heimzusuchen. Aeltere Schriftsteller, namentlich Eichhorn und nach ihm selbst Kaiser in seiner Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein, nehmen an, Herzog Friedrich habe den Bischof aus Anlaß dieser neuen Irrungen im Jahre 1412 nochmals in Fürstenburg überfallen und gefangen abführen lassen. Da jedoch bei Lichnowsky aus diesem Jahre keinerlei derartige Andeutungen in den Regesten vorkommen, so scheint hier eine Verwechslung mit dem J. 1405 vorzuliegen. Auf seinem Zuge nach Mailand kam Kaiser Sigismund im August des J. 1413 nach Chur und nahm hier den Bischof und seine Kirche in des Reiches Schirm, worauf dann endlich die Hartmann’s ganze Regierung trübenden Streitigkeiten mit den Freiherren von Rhäzüns durch das Schiedsrichteramt des Landes Glarus zu friedlichem Austrage kamen. Mit der Eröffnung des Concils zu Constanz im J. 1414 bot sich dem Bischofe, der vor der Kirchenversammlung die Beschwerden über die Bedrängnisse seiner Kirche vorgetragen hatte, unerwartet die Gelegenheit, sich noch einmal für die Feindseligkeiten zu entschädigen, welche ihm Herzog Friedrich von Oesterreich so oft zugefügt hatte. In Folge der Verbindung des letzteren mit Papst Johann XXIII. [678] wurde auch über den Herzog der Bann der Kirche und die Acht des Reiches ausgesprochen. In Verbindung mit dem Grafen Friedrich von Toggenburg zog nun Bischof H. aus, um die Reichsacht durch Besetzung der österreichischen Landschaften vollstrecken zu helfen. Feldkirch wurde belagert und eingenommen. Noch einmal aber gerieth bei diesem Anlasse der greise Bischof in die Gewalt des österreichischen Hauptmanns Hans v. Lupfen, der die starke Veste Schattenburg vertheidigte. Erst nach einer Gefangenschaft von acht Monaten durfte er wieder heimkehren, nachdem er nochmals den Erben Herzog Friedrichs das Bündniß mit Oesterreich von 1392 beschworen hatte und zwei seiner Vesten als offene Häuser für Oesterreich erklären mußte. Am 8. December 1415 kam er unter allgemeiner Freude seiner Stiftsleute nach Chur zurück, überlebte aber jenes sein letztes Mißgeschick nur noch um wenige Monate. Am 6. Septbr. 1416 starb er auf Schloß Sonnenberg bei Bludenz und wurde in der Stiftskirche zu Chur beigesetzt. Das Necrologium Curiense, welches seine Regierungszeit vom J. 1388 an rechnet und ihm demgemäß 28 Jahre zuzählt, sagt von ihm: „sub multis rixis et guerris strenue rexit ecclesiam“.

Leu, Allgemeines helvetisches Lexikon, IV. Theil sub Chur 1750. Eichhorn, P. Ambr., Episcopatus Curiensis 1797. v. Lichnowsky, Geschichte des Hauses Habsburg. V. Theil 1841. v. Vanotti, Geschichte der Grafen von Montfort und Werdenberg. 1845. P. Kaiser, Geschichte des Fürstenthums Lichtenstein. 1860. v. Mohr, Geschichte von Churrhätien, I. Bd. 1870.