ADB:Halen, Goswin van
[411] Kreis gelehrter Männer, zusammen, ganz vom Geiste Wessel Gansforts durchdrungen. Besonders zeichnete sich das Kloster Adwert bei Gröningen, wo sich zahlreiche Gelehrte, wie Rudolf Agricola, Alexander Hegius, Johann Canter, Lambert Fryling und Andere länger oder kürzer aufhielten, unter seinem Abt, Heinrich von Rees, durch wissenschaftliches Streben aus. Aber auch das 1457 gestiftete Fraterhaus zu Gröningen, wo am Anfange des 16. Jahrhunderts Torrentinus, Nicolaus Lesdorp und später Reinier Praedinius blühten, erwarb sich durch seine vielbesuchte Schule einen so außerordentlichen Ruf, daß, wie Erasmus sagt, es nirgends eine Anstalt gab, welche so reiche Gelegenheit zur wissenschaftlichen Belehrung bot. Am Ende des 15. Jahrhunderts erhielt diese Stiftung in H. einen trefflichen Vorsteher, dessen Lebensumstände zwar wenig bekannt sind, der sich aber durch Gelehrsamkeit, Frömmigkeit und Sittenreinheit besonders auszeichnete. Um 1460 geboren, hielt er sich zeitweise im Kloster Adwert auf, einst der Schüler, dann der vertraute Freund Wessel Gansforts, dessen freieren Unterhaltungen mit Agricola über die kirchlichen und religiösen Zustände er manchmal beiwohnte. Er schloß sich daher frühzeitig jenen humanistischen Geistern an, welche ohne aus der Kirche zu treten, doch eine Reformation innerhalb ihrer Schranken beabsichtigten. Von Erasmus hochgehalten als „ein in jeder Art der Wissenschaft wohlbewanderter“, und mit dem Gröninger Pastor Wilhelm Frederiks freundschaftlich verbunden, unterhielt er auch einen Briefwechsel mit Philipp Melanchthon, und wurde von diesem als ein vernünftiger und wahrheitsliebender Greis und kräftiger Vertreter einer reineren Glaubenslehre gepriesen. Seine größte Wichtigkeit ist jedoch auf dem Gebiete der Pädagogik zu suchen; zahlreiche Schüler zog seine Gelehrsamkeit nach Gröningen, unter welchen vor allen Praedinius nicht unerwähnt bleiben darf. Sehr beachtenswerth sind die Vorschriften, welche er für den Gang der gelehrten Studien in einem seiner uns erhaltenen Briefe gibt. Dem Ovid und ähnlichen Schriftstellern will er nur eine einmalige Lectüre einräumen, um dafür dem Studium des Virgil, Horaz und Terenz um so mehr Eifer zu widmen. Weiter seien Plutarch, Sallust, Thukydides, Herodot und Justinus zu empfehlen, und es möge der Schüler die Schriften Cicero’s nicht vernachlässigen, bevor er sich an Plato und Aristoteles mache. Am meisten aber sei die Heil. Schrift ein vielgelesenes Buch, dazu auch Augustinus, Hieronymus, Ambrosius, Chrysostomus, Gregorius, Bernardus und Hugo von St. Victor. Der biblische und classische Charakter dieser pädagogischen Ansichten übte unzweifelbar großen Einfluß aus in jener so unverkennbar nach Reformation hinstrebenden Zeit, weshalb denn Ullmann mit Recht den Goswin van H. zu den Reformatoren vor der Reformation rechnet. Während seiner letzten Lebensjahre hielt er sich, wie es scheint, im Franciscanerkloster zu Gröningen auf, wo er in hohem Alter 1530 starb. Von seiner Hand existiren nur einige Briefe, abgedruckt in den Opera Wesseli ed. Groning. p. 7 sqq.
Halen: Goswin van H. Als sich im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts die humanistisch-wissenschaftliche Bildung auch in den nördlichen Provinzen der damaligen Niederlande geltend machte, fand sich hier bald ein hervorragender- Glasius, Godgel. Nederl., Delprat, Broederschap van G. Groote bl. 140 sqq., Groning. Volksalmanak 1842 und 1844, Ullmann, Reform. vor der Reform. II. S. 390 ff.