ADB:Hach, Friedrich
Dreyer, der seit mehr als 20 Jahren Dompropst und Syndicus in Lübeck war, Bekanntschaft an, ward durch ihn in seiner praktischen Stellung als Advocat und Notar gefördert und, was folgenreicher war, für das Studium der Geschichte Lübecks und seines Rechts gewonnen. Nachdem er 1792 in Kiel unter Trendelenburg in absentia promovirt, erlangte er eine Niedergerichtsprocuratur und mußte als jüngster unter seinen Collegen das Amt eines Defensors für den Jahrgehalt von zwölf Schillingen übernehmen, verschaffte sich aber durch die Gewissenhaftigkeit und Sachkunde, mit der er seine Pflichten erfüllte, das Vertrauen und die Aufträge seiner Mitbürger. Mit besonderer Vorliebe sich dem „Handlungsrechte“ widmend, ward er bald einer der gesuchtesten Sachwalter, namentlich im Gebiete des Versicherungswesens. So konnte er daran denken sich einen Hausstand zu gründen und verheirathete sich im Herbst 1797 mit Leonore Rettich, der Stieftochter des Dr. Danzmann. Seine Praxis war bald so einträglich, daß ihn die Berufung in den Rath bei dem damaligen Senatorengehalte von 2500–3000 Mark Lüb. auf ein Fünftel seiner bisherigen Einnahmen herabsetzte. Am 31. Juli 1805 wurde er in den Senat gewählt, am 2. August eingeführt. Der Eintritt in das öffentliche Leben bedeutete für H. mehr als den in die öffentlichen Geschäfte der Vaterstadt. In all den wichtigen politischen Angelegenheiten, welche das nächste Jahrzehnt im Uebermaß brachte, sehen wir ihn thätig; eine Reihe der bedeutendsten Missionen Namens der Stadt wurden ihm anvertraut. Wenige Monate nach seiner Einführung reiste er, begleitet von dem jungen Sohne seines Collegen, Fritz Overbeck, der zur Malerakademie nach Wien ging, nach Regensburg, um im Collegium der Reichsstädte das nach der Mediatisirung Augsburgs Lübeck anfallende Directorium zu übernehmen. Es waren thatenlose Wochen, die er am Reichstage vom März bis Juli 1806 verbrachte: „man fuhr zu der bestimmten Zeit zu Rath, ging im altgothischen Saale auf und nieder und fuhr wieder von dannen, wenn die fürstlichen Gesandten [290] davon fuhren.“ Während der Sommerferien, die H. in der Heimath zubrachte, gingen Reich und Reichstag auseinander. Der November des Jahres brachte den Krieg in die unmittelbarste Nähe Lübecks; Schweden, Preußen und Franzosen lösten sich ab. Der französische General Maison nahm im Hach’schen Hause Wohnung und H. fiel die Vermittlung zwischen den bedrängten Mitbürgern und der Einquartierung zu. An Murat, an Bernadotte, an den König Gustav von Schweden wurde er mit Collegen zu Verhandlungen entsendet. Zu den diplomatischen Geschäften kamen schwierige Verwaltungsgeschäfte daheim: er leitete die Einquartierungs-, war Mitglied der Hospitalcommission, hatte Theil an den die Einführung des Code Napoleon vorbereitenden Arbeiten, war mit Verbesserung des Zoll- und Finanzwesens beschäftigt. Der aufreibenden sorgenvollen Thätigkeit machte das Decret Napoleons vom 13. December 1810, das die Hansestädte und den ganzen Küstenstrich zwischen Ems und Elbe dem Kaiserreiche einverleibte, ein Ende. H. kehrte zur Advocatur zurück, doch hatte er die drei ersten Monate des J. 1811 mit mehreren seiner Mitbürger dem Gouvernement der Elbmündungen, das in Hamburg seinen Sitz erhielt, bei der neuen Organisation mit seinem Beirathe zur Hand zu gehen und nachher in Gemeinschaft mit dem Maire Gütschow und dem Municipalrath Stolterfoht die gute Stadt Lübeck, die bei der Audienz Napoleon zwischen Livorno und Lyon vorgestellt wurde, bei der Taufe des Königs von Rom zu vertreten. Nachdem am 17. März 1813 Tettenborn in Hamburg eingerückt war, wurde H. mit dem Senator Coht an ihn abgesandt, um ihn nach Lübeck einzuladen, und empfing dann am 21. März Namens des wiederhergestellten Senats die Russen an der Grenze des lübischen Gebiets. Wenige Wochen später traf ihn die so schmerzliche wie schwierige Mission, im Auftrage des wiederaufgelebten Municipalraths das Geschehene vor dem nach Hamburg zurückgekehrten Marschall Davoust rechtfertigen zu müssen. Gleich anderen hervorragenden Lübeckern wurde er von den Franzosen mit einer Strafcontribution belegt und von der gerichtlichen Praxis suspendirt, nachdem er zuvor noch am 7. Juli 1813 den Schlachtermeister Prahl, der vor dem Kriegsgerichte als Urheber revolutionärer Bewegungen in Lübeck angeklagt war, vertheidigt hatte, ohne ihn von dem ihm im Voraus bestimmten Tode retten zu können. Als die Stadt endlich im December 1813 ihre Freiheit wiedererlangte, berief ihn der Senat in die Commission, welche mit Handhabung der Justiz und Sicherheitspolizei betraut wurde; H. konnte sich aber nur kurze Zeit diesen Geschäften widmen, da er schon im folgenden Monat in das Hauptquartier der Alliirten entsandt wurde, um gemäß der Aufforderung des Bremers Smidt für die Unabhängigkeit der Hansestädte zu wirken. Im Juni 1814 aus Paris heimgekehrt, begab er sich im September nach Wien zum Congreß. Die Ende des Jahres drohende Gefahr der Abtretung Lübecks an Dänemark wurde glücklich abgewandt, und am 10. Juni 1815 setzte H. – als erster der vier städtischen Gesandten – seinen Namen unter die deutsche Bundesacte. Vom December bis zum folgenden April an den Frankfurter Vorarbeiten für die Eröffnung der Bundesversammlung betheiligt, führte er an der seit dem 6. November 1816 in Wirksamkeit getretenen gemäß dem unter den Städten vereinbarten Turnus zuerst die Stimme der 17. Curie. Anfang März 1817 kehrte er nach Lübeck zurück, und nur noch einmal ist er den heimischen Geschäften durch eine diplomatische Mission entzogen: durch die Theilnahme an den Wiener Ministerialconferenzen vom November 1819 bis zum Juni 1820. Diese Zeit bildet noch in einem anderen Sinne einen Abschnitt in seinem Leben. Am 26. August 1820 erwählte ihn der Senat zum Mitgliede des neuen Oberappellationsgerichts der vier freien Städte, das am 13. November 1820 unter dem Präsidium Heise’s eröffnet wurde. Aeltestes Mitglied des Gerichtshofes, hat er ihm 30 Jahre bis [291] zum 10. Juni 1850, wo er in Ruhestand trat, angehört. Schriftstellerisch ist H. nach zwei Richtungen hin thätig gewesen. Seine öffentliche Stellung hat ihn wiederholt veranlaßt zur Aufklärung und Vertheidigung von Maßregeln und Einrichtungen der Vaterstadt das Wort zu ergreifen. Eine kleine Schrift: „Worte der Hoffnung zur Prüfung und Beherzigung für mein heimisches Lübeck“, in Frankfurt 1816 verfaßt, bespricht in patriotisch-beredter Weise, wie dem gesunkenen Wohlstand, der Handlungsstille, den städtischen Finanzen aufzuhelfen sei. Eine der gleichen Zeit angehörige Flugschrift hat einen specielleren Anlaß. Nach Abwerfung der Fremdherrschaft hatte der Senat auf Andringen der Bürgerschaft den Juden, die sich in der französischen Zeit in der Stadt Lübeck niedergelassen, Wohn- und Bürgerrecht wieder entzogen und die Uebersiedelung nach dem Dorfe Moisling oder die Auswanderung befohlen. Als diese Maßregel nicht nur heftige Angriffe der Presse auf Lübeck, sondern auch Vorstellungen einzelner Regierungen beim Senate hervorrief, übernahm H., der selbst 1808 für die Aufhebung einer Abgabe, welche die Stadt betretende Juden an die Diener der Bürgermeister zahlen mußten, gewirkt und vor der unpolitischen Heftigkeit, mit der man sofort nach der Befreiung Schritte gegen die Juden verlangt, gewarnt hatte, in einer Schrift: „Die Juden in Lübeck“ (Frankf. 1816), das Verfahren des Senats aus allgemeinen und speciell Lübeck angehenden Gründen zu rechtfertigen, wie er gleichzeitig in Luden’s Nemesis 1816 unter der Chiffre P. H. L., die man irrig auf den Herausgeber deutete, den Lübecker Vertheidiger der Juden, Buchholz bekämpfte. – Eine andere Richtung verfolgen Schriften Hach’s, die das vaterländische Recht behandeln; die früheren vom praktischen Gesichtspunkt des Sachwalters, die späteren von dem rechtsgeschichtlich-gelehrter Forschung. Zu jenen gehören die „Praktischen Beiträge zur Erläuterung des in Lübeck geltenden Privatrechts“ (Lübeck 1801), von denen nur ein dem väterlichen Freunde Dreyer gewidmetes Heft erschienen ist, und eine Abhandlung „Beantwortung der Frage: wann haftet nach Lübeckschem Rechte die beerbte Ehefrau für die Schulden ihres Mannes?“ (Lübeck 1811), gegen ein Memoire von v. Villers (Cassel 1811) gerichtet, das im Interesse der Frau v. Rodde geb. Schlözer im Concurse ihres Mannes dem lübischen Statut eine willkürliche, beschränkende Auslegung zu geben suchte. Die gelehrte Beschäftigung mit dem lübischen Recht scheint nicht viel früher als mit dem Eintritt in das Oberappellationsgericht begonnen zu haben. An dem Aufschwung der germanistischen Studien unter K. Fr. Eichhorn’s Einflusse nahm er lebhaften Antheil. Das zeigen Arbeiten, wie er sie in Carstens’ und Falck’s Staatsbürgerlichem Magazin über eine von ihm aufgefundene Handschrift des lübischen Chronisten Detmar (1821) oder über die mißglückte Ausgabe der Nowgoroder Skrae von Behrmann (1829) veröffentlichte, besonders aber das Resultat 20jähriger Thätigkeit, bei der ihm seine Söhne Hermann Wilhelm und der jung verstorbene Eduard behülflich waren, die Ausgabe des „Alten lübischen Rechts“ (Lübeck 1839). Hier war zum ersten Male der ganze erreichbare Vorrath von Handschriften des lübischen Rechts zusammengefaßt, in kritisch zuverlässigen Texten die Grundlage hergestellt, in dem Apparat von Varianten die Entwickelung des Rechts verfolgbar gemacht. Der Ausgabe ging eine gelehrte Einleitung vorauf, welche die Umrisse einer Geschichte des lübischen Rechts und eine Untersuchung des Alters seiner verschiedenen Formen enthielt. Kurz, es war ein Werk geschaffen, den Anforderungen entsprechend, wie man sie seit Homeyer’s Leistungen für den Sachsenspiegel an die Editionen deutscher Rechtsquellen zu machen berechtigt ist. Es thut dem keinen Abbruch, wenn einer späteren Zeit mit reicheren Hülfsmitteln manches anders, manches schärfer aufzufassen als H. gelungen ist, denn gerade sie hat auf ihren nachprüfenden Wegen Gelegenheit gehabt zu beobachten, [292] wie genau und sauber der Vorgänger gearbeitet hat. – Das altgewohnte Wirken für öffentliche Interessen hat H. auch bei zunehmendem Lebensalter nicht aufgegeben. Wiederholt führte er das Directorium der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit, hielt ihr Vorträge oder nahm das Wort in den Neuen lübeckischen Blättern, in denen er schon in den J. 1841 und 1842 auf die Nothwendigkeit einer Reform der Verfassung hinwies. Eine in denselben Blättern im Herbst 1850 veröffentliche Skizze: „Geist und Leben des Dichters Schmidt von Lübeck, dargestellt von seinem Zeitgenossen, Freund und Vetter J. F. Hach“, war seine letzte öffentliche Aeußerung. Wenige Wochen nach seinem Freunde Heise starb er am 29. März 1851.
Hach: Johann Friedrich H., am 12. August 1769 zu Lübeck geboren, war der Sohn eines aus dem Holstein’schen eingewanderten Kaufmanns, der den Wohlstand, zu welchem ihm Handelsgeschäfte mit Schweden verholfen, durch die Ungunst der Zeiten wieder eingebüßt hatte. Die Rücksicht auf die ökonomische Lage der Eltern, die Abkunft des Vaters aus einer Predigerfamilie, bestimmten den Sohn, als er Ostern 1788 nach Absolvirung der Lübecker Schulen die Universität Jena bezog, zum Studium der Theologie. Aber schon nach Ablauf des ersten Semesters ging er, so schwer auch die väterliche Zustimmung zu erlangen war, zur Rechtswissenschaft über und widmete sich ihr erst in Jena, dann seit Ostern 1790 in Göttingen. Nach einem Jahr kehrte er heim und erhielt durch seinen Vater, der einer der Aeltesten in dem bürgerlichen Collegium der Rigafahrer war, das kleine Amt eines Protokollführers bei demselben. Zugleich knüpfte er mit- Mittheilungen aus dem Leben des Oberappellationsraths Dr. Joh. Fr. Hach. Lübeck 1852 (bis zum Schluß des J. 1810 Selbstbiographie, von da ab Darstellung seines ältesten Sohnes, Dr. H. W. Hach). – Klug, Gesch. Lübecks während der Vereinigung mit dem französischen Kaiserreiche (Lübeck 1856–57). – v. Bippen, G. A. Heise (Halle 1852). – F. Frensdorff, Das Lübische Recht nach seinen ältesten Formen Leipzig 1872), S. 4.