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ADB:Gyulai, Franz Graf von

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Artikel „Gyulay von Maros-Nemeth und Nadaska, Franz Graf“ von Johann Baptist von Hoffinger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 250–252, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gyulai,_Franz_Graf_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 06:57 Uhr UTC)
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Gyulay: Franz Graf G. von Maros-Nemeth und Nadaska, k. k. Feldzeugmeister, geb. am 1. Sept. 1798 zu Pesth, † am 1. Sept. 1868 zu Wien, stammt aus einer alten siebenbürgischen Familie, welche 1701 gegraft wurde und sich bald darauf in eine ältere katholische und eine jüngere reformirte Linie theilte. In der ersteren erwarben sich drei Glieder, Großvater, Vater und Oheim des Grafen G., den militärischen Theresienorden, und zwar der Vater Graf Ignaz (s. o.) das Commandeurkreuz. G. hatte in seiner Jugend nach damaliger Uebung aristokratischer Häuser eine mehr auf glänzende Repräsentation als auf wissenschaftliche Bildung gerichtete Erziehung erhalten, deren Mängel er später noch in hohen Stellungen durch eifrige militärische Studien zu ersetzen trachtete. Vorläufig machte er sich nach seinem im 16. Lebensjahre als Lieutenant im Regimente seines Vaters erfolgten Eintritt in die k. k. Armee durch Diensteifer und Pünktlichkeit bemerkbar, Eigenschaften, durch deren fortgesetzte eigene Bethätigung und energische Forderung an seine Untergebenen er nach und nach [251] einer der tüchtigsten Truppencommandanten, sowol als Oberst des 19. Linien-Infanterieregiments wie später an der Spitze eines Armeecorps wurde. Zugleich sorgte er aber auch eifrig für das materielle Wohl seiner Offiziere und Soldaten, gründete einen Unterstützungsfond für die ersteren und ihre Wittwen, half ihnen oft über die Noth des Augenblickes hinweg und ermöglichte manchem armen, aber verdienten Offizier das Avancement durch Bestreitung der Equipage. Im J. 1848 erwarb er sich als Feldmarschall-Lieutenant, Divisionär und Truppencommandant in Triest das große Verdienst, dem Reiche seine Marine zu retten, indem er, von den Ereignissen in Venedig kaum unterrichtet, sofort auf eigene Verantwortung das Marinecommando übernahm, die zerstreuten Schiffe sammelte, von unzuverlässigen Elementen säuberte und die Küstenvertheidigung in solchen Stand setzte, daß die am 25. Mai vor Triest erschienene italienische Flotte nach wochenlangem Drohen und unthätigem Harren am 4. Juli sich in aller Stille aus dem Gesichtskreise der Seestadt wieder entfernte. Im Juni 1849 wurde G. Kriegsminister, war in der Schlacht bei Raab an seines Kaisers Seite und entwickelte nach Besiegung der Insurrection sein reiches Administrationstalent. Die mit staatsmännischer Ruhe und Milde in kurzer Zeit durchgeführte Reorganisation der ungarischen Truppen, die Revision des gesammten Befestigungswesens, die Aufstellung permanenter Sanitätsbataillone, die Einführung strikter Avancementsvorschriften, das Militärgrenz-Gesetz vom 7. Mai 1850 sind größtentheils sein Werk. Diese Verdienste und nicht Coterierücksichten veranlaßten im Juli 1850 seine Absendung nach Italien als Corpscommandant, um die dortigen Verhältnisse genau kennen zu lernen und seinerzeit den greisen Heldenmarschall ersetzen zu können. Die brillante Entwicklung dieses Corps schien die getroffene Wahl zu rechtfertigen; doch wäre es jedem General, der 1848 und 1849 nicht unter Radetzky gekämpft hatte, schwer gefallen, sich das siegverbürgende volle Vertrauen der Armee zu sichern, wenn er auch populärer gewesen wäre als G., der sein Inneres kaum den vertrautesten Freunden öffnete und vielfach als Aristokrat verschrieen wurde. Als 1859 der Krieg vor der Thür stand, wurde ihm das Armeecommando trotz seines Widerstrebens aufgenöthigt und er beging den Fehler, dasselbe auch dann gehorsam beizubehalten, als seiner energischen Vorstellungen ungeachtet die Armee in Italien lange auf einem absolut unzulänglichen Stande belassen wurde; sie erreichte die von ihm als unentbehrlich bezeichnete Stärke erst zur Zeit der Schlacht von Solferino. Ob und welche andere Fehler ihm zur Last fallen, wird erst die spätere Zeit enthüllen, wenn seine noch in Archiven ruhende Rechtfertigung und die Aufzeichnungen seiner bedeutendsten Mitarbeiter an die Oeffentlichkeit gelangen können. Aus dem seither, nach Gyulay’s Tode, von 1872–76 erschienenen Werke des k. k. Generalstabes „Der Krieg in Italien 1859“ (3 Bde.) geht indeß so viel mit absoluter Gewißheit hervor, daß G. gleich anfangs die Sachlage richtig beurtheilte, die begehrten Verstärkungen nicht erhielt, weil man glaubte den Hauptkriegsschauplatz am Rheine zu finden; ferner daß Gyulay’s Selbständigkeit wie die so mancher Feldherrn früherer Tage durch viele Befehle von Wien doch beirrt wurde, endlich daß vor der Schlacht von Magenta drei kostbare Stunden ohne Gyulay’s Schuld verloren gingen, sowie die von ihm für den 5. Juni geplante Fortsetzung der Schlacht durch die am Vorabend von Untercommandanten auf eigene Faust getroffenen Dispositionen unmöglich wurde. Jedenfalls brachte G. das Heer in schönster Ordnung nach Verona. Am 16. Juni legte er das Obercommando nieder und erbat sich nur, den ferneren Feldzug an der Spitze eines Bataillons seines eigenen Regimentes mitmachen zu dürfen. Doch kam dieses nicht mehr vor den Feind. Wahre Geistesgröße aber und ächten Patriotismus bewies G. dadurch, daß er, obwol von seinen Neidern und von dem nur dem blinden Götzen Erfolg huldigenden [252] Pöbel oft in gemeinster Weiste zum Sündenbock gemacht, doch lieber alle ungerecht auf ihn geworfene Schmach schweigend ertrug, als durch deren begründete Zurückweisung das noch in Andere gesetzte Vertrauen zu erschüttern und damit die Lage des Vaterlandes zu verschlimmern. Als endlich auch das Unglück des J. 1866 über Oesterreich kam, brach sein patriotisches Herz völlig zusammen. Im Gefühle seines herannahenden Endes übertrug er, da seine nur vierjährige Ehe mit der schon 1839 verstorbenen Gräfin Antonie Wratislaw-Mitrowicz kinderlos und er Wittwer geblieben war, 1867 mit kaiserlicher Genehmigung seinen Namen auf den von ihm adoptirten Sohn seiner verstorbenen Schwester Leopold Freiherr v. Edelsheim (jetzt commandirender General in Ungarn), der ein Jahr später auch das fürstliche Vermögen Gyulay’s ererbte. G. war keine Feldherrngröße und glaubte es auch nicht zu sein, aber ein pflichtgetreuer Soldat, ausgezeichneter Administrator und instructiver Corpscommandant, ein Aristokrat zwar, aber im edelsten Sinne, eine durchweg noble Natur und großherziger Patriot.

Vgl. vor Allem obiges Generalstabswerk, und zwar I, 62–100, 146, 159 u. 216, 243, 492–96, 563. – (Schönhals) Erinnerungen eines Veteranen, Bd. II S. 4. – v. Wurzbach, Biogr. Lex., Bd. VI S. 70. – Meynert, Gesch. d. östr. Armee, Bd. IV S. 179–90 (ohne jedoch G. zu nennen!) – W. Rüstow, Der ital. Krieg v. 1859 [leider ohne eigene Kenntniß der Persönlichkeit Gyulay’s].