Zum Inhalt springen

ADB:Grumbkow, Wilhelm von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Grumbkow, Friedrich Wilhelm v.“ von Richard von Grumbkow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 22–25, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Grumbkow,_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:31 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 10 (1879), S. 22–25 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich Wilhelm von Grumbkow in der Wikipedia
Friedrich Wilhelm von Grumbkow in Wikidata
GND-Nummer 118698532
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|10|22|25|Grumbkow, Friedrich Wilhelm v.|Richard von Grumbkow|ADB:Grumbkow, Wilhelm von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118698532}}    

Grumbkow: Friedrich Wilhelm v. G., zweiter Sohn von Joachim Ernst v. G. (s. u.) ward geb. 4. Oct. 1678 zu Berlin, † daselbst 18. März 1739. Erst 6 Jahre alt, erhielt er schon das Patent eines Kammerjunkers beim Kurprinzen Friedrich, 1686 war er Fähnrich, 1688 begleitete er seinen Bruder Otto Christian zur [23] Universität Utrecht und suchte sich durch Studienreisen allgemeine Weltbildung anzueignen. Von seinem Vater zum Soldaten bestimmt, wohnte er 1689 den Belagerungen von Kaiserswerth und Bonn bei, 1690–93 befand er sich wieder in Utrecht und Leyden. 1695 ward er Lieutenant, 1696 Kammerjunker und Adjutant des General von Heyden, wohnte dem Feldzuge in den Niederlanden bei und avancirte 1697 zum Hauptmann und Compagniechef. Der (zum König 1701 gekrönte) Kurfürst Friedrich III. ernannte ihn bald darauf zum Oberschenk, 1702 zum Major, dann Oberstlieutenant, 1703 zum Obersten, als welcher er das bisher vom Oberst von Sydow innegehabte Regiment an sich brachte, mit dem er, da dasselbe zum preußischen Hülfscorps gehörte, unter Herzog von Marlborough in den Niederlanden stand und in der Schlacht bei Höchstedt (15. August 1704) sich rühmlich auszeichnete. 1706 und 7 ward er, wol infolge seiner besondern diplomatischen Begabung, mit Glück zu Unterhandlungen in den schwedischen und holländischen Angelegenheiten verwandt und infolge dessen 1708 zum Brigadier ernannt. G. kämpfte rühmlichst in der Schlacht bei Malplaquet (1709), lernte hier Prinz Eugen kennen und avancirte zum Generalmajor, 1712 zum Vicedirector des Generalkriegs-Commissariats, Amtshauptmann zu Wittstock und 1713 zum Geheimen Staats- und Kriegsminister. Nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms I. wurde er in allen seinen Würden und Titeln bestätigt, obgleich er sich des letzteren Gunst früher durch seine bekannten österreichischen Neigungen zum Theil sehr verscherzt hatte. G. fand im Minister Ilgen, Prinz Leopold von Anhalt und dem österreichischen Gesandten von Seckendorff Männer, die seine Pläne gut hießen, was zur offenen Fehde zwischen dem König, der zur österreichischen und der Königin, die zur englischen Partei hielt, führte. G. gelang es, das Vertrauen des Königs ungeschmälert mit der Zeit wieder zu erlangen, ja man ließ ihm sogar vollständig freien Willen in der Reorganisation der Finanzangelegenheiten, bei den Reformen der innern Verwaltung der Provinz Preußen. 1715 wohnte er dem Kriege gegen Schweden (Rügen) bei, zu dessen Führung er dem Könige selbst gerathen. Nachdem er 1717 zum Generallieutenant befördert worden, erhielt er ein Jahr später infolge der guten Beziehungen Preußens und Rußlands vom Czaar Peter den Andreasorden. Neue Intriguen am preußischen Hofe veranlaßten G. 1722 um seine Entlassung einzukommen, die der König jedoch ablehnte und ihn im folgenden Jahre sogar zum Chef des General-Obersten-Finanz-, Kriegs- und Domainendirectoriums ernannte. Bei Ausbruch der Differenzen wegen der jülich’schen Lande, rieth G. den Krieg, verfeindete sich deshalb mit Leopold von Dessau, ging jedoch aus der Sache siegreich hervor, da der König selbst das Fatale des Bündnisses mit England und Frankreich (Vertrag von Hannover 1725) einsah, infolge dessen Graf Seckendorff von Wien sich nach Berlin begab und Grumbkow’s besonderer Fürsprache es gelang, den König umzustimmen. Allgemein nimmt man an, daß G. im österreichischen Solde gestanden, ja „bestochen“ worden sei! Dem ist jedoch zu entgegnen, daß der König von den Geldgeschenken, die G. von Seiten Oesterreichs erhielt, wohl wußte, solche damals auch keine Seltenheit waren, und G. erwiesenermaßen nie durch dieselben sich zu irgend einem Werk bestimmen ließ, um Preußens Interessen hinter die Oesterreichs zu setzen; von Bestechungen, deren man bisher und fast ausnahmslos in größeren historischen Werken Erwähnung that, kann somit, wie Privatstudien und noch ungedruckte Urkunden und Acten beweisen, nicht wol die Rede sein. G. besaß eine zahlreiche Familie, und, obgleich seine jährlichen Revenuen an 36000 Thaler betrugen, mußte er doch an Vermehrung seiner Einnahmen denken, umsomehr, Als der König es liebte, sich selbst sowol wie fremde fürstliche Gäste in Grumbkow’s Wohnung und Tafel einzuführen, für G. Ausgaben von beträchtlicher [24] Höhe, so daß er nie mit seinem baaren Vermögen ausreichen konnte. – Die wachsende Gewalt und Entwickelung Preußens erfüllte dessen Nachbarstaaten mit Mißtrauen und Neid, obgleich der König sich bemühte, mit denselben stets ein erträgliches Verhältniß zu unterhalten; seine Politik war ja im Grunde die traditionelle des brandenburgischen Hauses. Der König hoffte, leider allerdings zum Theil vergebens, eine verläßliche Stütze eher in Oesterreich als in England zu finden, eine Politik, die Grumbkow’s vollste Zustimmung fand, kein Wunder, daß der König jetzt von G. stark beeinflußt wurde, was diesem wiederum Mißgunst schuf, die seitens des Königs jedoch stets unbeachtet blieb. G. schuf sich, ohne es zu wollen oder auch verhindern zu können, namentlich am englischen Hofe viele Feinde, nicht minder bei der preußischen antiösterreichischen Partei, deren Haupt die Königin selbst war; die gespannten Verhältnisse verschlimmerten sich durch das bekannte englische Heirathsprojekt (1728), dem die Königin zu-, der König aber sowie G. abgeneigt war. – Bei der Anwesenheit des Königs am sächsischen Hofe erhielt G. den polnischen weißen Adlerorden, was dessen Feinden neuen Anlaß zu Intriguen gab. England bot in Lord Hotham Alles auf, ihn zu stürzen, doch vergeblich. Er wußte sich mit vieler Schlauheit des Kronprinzen Gunst nach und nach wieder zu erringen und ist ihm wol kein kleiner Theil des Erfolges bei der späteren Aussöhnung in der königlichen Familie zuzuschreiben. Nach dem Tode des Ministers Ilgen hatte G. freies Walten, der König übertrug ihm bald darauf die alleinige Leitung der auswärtigen Politik, deren Resultate jedoch nicht ganz seinen Erwartungen entsprachen; Oesterreich hatte ihn getäuscht. Diese unliebsame Entdeckung veranlaßte ihn wiederum, seinen Abschied zu erbitten. Der König schlug ihm dies ab, ernannte ihn sogar 1733 zum Generallieutenant, und Kaiser Karl VI. ehrte ihn durch Ueberreichung seines mit Brillanten reich besetzten Bildnisses. Kurz darauf befand er sich wegen der Theilung Polens in diplomatischer Mission mit August II. von Sachsen in Crossen und neigte sich nach Ausbruch des polnischen Erbfolgekrieges, wie zu erwarten, der Politik des Kaisers zu. In den Jahren 1735–37 unterhielt er seltsamerweise freundschaftliche Beziehungen zu Frankreich, was das Mißtrauen des Königs wol erregt und diesem Veranlassung gegeben haben mag, G. strenger zu überwachen; die königliche Gunst schien ihren Höhepunkt hinter sich zu haben; v. Grumbkow’s und Graf Seckendorff’s Stellung wurde zudem erschüttert durch die offen zu Tage getretenen Zwistigkeiten bei der Vermählung Maria Theresia’s. G. forderte zum dritten Male seine Entlassung, die der König wiederum ablehnte und diesmal besonders auf den Rath des Kronprinzen. G. ward im Juli 1737 zum Generalfeldmarschall ernannt, vorher zum Dompropst von Brandenburg und Erbjägermeister von Pommern. Seine diplomatische Begabung konnte er ein Jahr darauf den europäischen Nord- und Großmächten zur Geltung bringen, als neue Streitigkeiten in der jülicher Erbfolge entstanden, aus welchen Preußen schließlich doch aus einer scheinbar schwierigen Lage durch Anlehnung an Frankreich ziemlich befriedigt hervorging und zwar durch den dabei zu Stande gekommenen „französisch-deutschen Vertrag vom 5. April 1739“, dessen Abschluß G. leider nicht mehr erleben sollte. Er starb am 18. März 1739 zu Berlin in seinem Palais auf der Königstraße. Selten ist ein Mann von solchem Ansehen wie G. so vielfach verschieden und auch fälschlich beurtheilt worden! Anlaß hierzu gaben in erster Linie die zum Theil durchaus unzuverlässigen Quellen, aus denen neuere Geschichtsforscher, selbst Pierson und Droysen, schöpften, dann aber auch das verhältnißmäßig karge Material, was uns bis jetzt über jene und aus jener Zeit zu Gebote steht. Werden erst einmal diverse Acten des preußischen Staatsarchivs allgemeiner Benutzung zugänglich, dann dürfte ebenso viel Neues als Interessantes über diesen Mann [25] und seine Zeit zu Tage treten. Im Volke galt G. als leutselig, freigebig und höchst arbeitsam. Er besaß keine streng wissenschaftliche, dafür aber allseitige gediegene Bildung, für die damaligen Hofkreise eine Seltenheit. Er war derb und bieder, etwas rücksichtslos im Auftreten, kaltblütig und energisch, doch auch nicht minder ehrgeizig, eigennützig und rechthaberisch, zum Befehlen und Herrschen geschaffen. Bekannt ist seine hervorragende Rolle im „Tabakscollegium“, wo er vielfach Gelegenheit hatte, dem König derbe oft auch wahre Worte zu sagen, die ihm dieser jedoch stets nachsah. Falsch ist es, wenn man behauptet, er sei gestorben ohne seines königlichen Herrn Gunst; hat er doch bis zum letzten Tage die geheime Correspondenz des Königs geführt, und hat doch derselbe ihm ein prächtiges Leichenbegängniß angeordnet, was andernfalls ganz gewiß unterblieben. Er starb, ohne die bedeutenden Schätze zu hinterlassen, welche man erwartet hatte und von einem Mann in solchen Aemtern wol auch erwarten konnte; vielleicht eine Folge seines Wahlspruches „Leben und leben lassen“.