ADB:Grebe, Karl
Wöhler, Bunsen, Buff und Dunker besonders in den Gebieten der Chemie, Physik, Mineralogie und Geognosie tüchtige Kenntnisse sich angeeignet hatte, absolvirte er die erforderliche praktische Lehrzeit bei seinem Vater in den Revieren Gottsbüren und Hümme. Hierauf besuchte er 1836 und 1837 die kurhessische Forstlehranstalt [520] zu Melsungen und setzte – nach einer glänzend bestandenen Staatsprüfung – 1838 und 1839 seine naturwissenschaftlichen, rechts- und volkswirthschaftlichen Studien auf der Universität Berlin fort.
Grebe: Karl Friedrich August G., Dr. phil., Forstmann; geboren am 20. Juni 1816 in Großenritte, einem kurhessischen Dorfe am Habichtswalde, † am 12. April 1890 in Eisenach. Als Sohn eines Brigadierförsters, dessen Vorfahren – so weit die Nachrichten reichen – fast durchweg der grünen Farbe angehört haben, entschied er sich schon frühzeitig für den väterlichen Beruf. Den größten Theil seiner Jugend verlebte er im Elternhause (später zu Gottsbüren), mitten in den schönen Buchenforsten des Reinhardtswaldes und in fast ausschließlichem Verkehr mit Forstmännern. Auf diese Weise lernte er den vielgestaltigen Wald, sowie den Forstdienst mit seinen Licht- und Schattenseiten schon im Knabenalter kennen. Nach dem Besuche der polytechnischen Schule in Cassel, auf welcher er unter Männern wieDie nächste Zeit nach dem Abschluß seiner akademischen Studien benutzte er zu einer größeren forstwissenschaftlichen Studienreise durch das nördliche Böhmen, Erzgebirge, Fichtelgebirge und den Thüringer Wald. Hier lernte er (1839) den damaligen Director der Forstlehranstalt zu Eisenach, Oberforstrath Dr. G. König (s. A. D. B. XVI, 509) kennen, welcher auf sein späteres Geschick einen hervorragenden Einfluß ausübte. Nach Erwerbung des philosophischen Doctorgrades an der Universität Marburg und kurzer Beschäftigung im kurhessischen Forstdienste, begann er am 1. April 1840 seine Laufbahn als Docent der Forstwissenschaft und einzelner naturwissenschaftlicher Zweige (Mineralogie, Gebirgskunde und Botanik), für welche er eine besondere Vorliebe hegte, an der landwirthschaftlichen Akademie zu Eldena. 1842 erwarb er sich zugleich die venia legendi an der Universität Greifswald. Bereits 1844 folgte er aber einem ihm durch König’s Vermittelung zu theil gewordenen Rufe der Großherzogl. weimarischen Regierung als Forstrath, zweites Mitglied der Forsttaxationscommission und Lehrer an der Forstlehranstalt in Eisenach. Zwar kehrte er am 1. Juli 1849 nochmals nach Greifswald zurück, um als akademischer Forstmeister der Universität und zugleich als Professor der Forstwissenschaft an der Akademie Eldena zu wirken, allein – nachdem König am 22. October 1849 mit Tode abgegangen war – berief ihn die weimarische Regierung am 1. April 1850 abermals, unter Verleihung des Prädicats „Oberforstrath“, als Nachfolger König’s zum Director der Forstlehranstalt zu Eisenach und zugleich zum Vorstande der Großherzoglichen Forsttaxationscommission daselbst. In dieser Stellung verblieb er, seit 1865 zum „Geheimen Oberforstrath“ und 1880 – bei dem Schlusse des 100. Semesters – zum „Oberlandforstmeister“ ernannt, bis zu seinem Tode.
An Anerkennungen und Ehrenbezeugungen hat es ihm schon bei Lebzeiten nicht gefehlt. Er war Inhaber mehrerer hoher Orden und Mitglied verschiedener Forstvereine, gelehrter Gesellschaften und sonstiger Vereinigungen. Bei der 15. Versammlung des Hessischen Forstvereins zu Rothenburg a. L. (1888) wurde ihm zu Ehren in der Oberförsterei Hentershausen eine Vereinseiche gepflanzt. Im Verein der Thüringer Forstwirthe bekleidete er lange Jahre hindurch das Amt des ersten Präsidenten, für welches er in hohem Grade qualificirt war. Auch im Centralverein für Landwirthschaft zu Eisenach etc. amtirte er als Vorstand. Mit hervorragenden Ehren und Auszeichnungen, wie sie bisher kaum einem anderen Forstmann zu theil geworden, wurde er aber bei Gelegenheit seines 50jährigen Dienstjubiläums am 1. April 1890 überhäuft. Der Großherzog von Sachsen-Weimar ernannte ihn an diesem Ehrentage zum „Wirklichen Geheimrath“ mit dem Prädicate „Excellenz“ und verlieh ihm das Großkreuz des Sachsen-Ernestinischen Hausordens. Weitere Ordensauszeichnungen wurden ihm von dem König von Preußen und dem Herzog von Anhalt zu theil. Die juristische Facultät der Universität Jena ließ ihm durch einen Abgesandten das Diplom als Dr. jur. h. c. überreichen. Außerdem wurde ihm ein von Fachgenossen und Freunden gesammeltes Capital von 5000 Mark behufs einer „Grebe-Stiftung“ übergeben. Leider war es ihm nicht vergönnt, sich dieser Ehrenbezeugungen lange zu erfreuen, da schon zwölf Tage nach dieser Feier sein Ableben erfolgte.
G. war zunächst ein geborener Lehrer; ausgezeichnet durch gediegenes Wissen im Forstfache, reiche Kenntnisse in den Naturwissenschaften, richtiges Erfassen des Kernes der Dinge, klaren Gedankenfluß, Objectivität im Urtheil, [521] glänzende Beredsamkeit und die Gabe, seine Lehren auch in die Praxis zu übersetzen. Sein Vortrag war klar, logisch geordnet, übersichtlich und zugleich fesselnd; dabei bewegte sich derselbe stets in dem Verständnisse seiner Hörer angepaßten Bahnen. G. glänzte in seinen Vorlesungen zwar weniger durch neue productive Gedanken, so daß zum Verständniß eine receptive geistige Thätigkeit seiner Zuhörer genügte, allein er faßte das im Walde als richtig Erkannte und durch die Praxis Bewährte in einer so formvollendeten Abrundung zusammen, daß der Hörer sogleich ein abgeschlossenes Bild von dem behandelten Gegenstande erhielt. Diese Lehrmethode war für die Mehrzahl seiner Hörer, da er nicht Forstgelehrte, sondern tüchtige, gewissenhafte, praktische Forstmänner voll warmer Liebe zum Wald und Beruf zu erziehen bestrebt war – und mit Rücksicht auf die eigenthümlichen Verhältnisse der Eisenacher Forstschule, deren Erörterung hier zu weit führen würde – damals gewiß die richtige. Seine Beliebtheit bei den Studirenden verdankte er aber nicht nur seiner glänzenden Lehrbegabung, sondern auch der Milde seines ganzen Wesens. Er war den Studirenden zu jeder Zeit ein väterlicher Freund und gütiger Berather.
Als Schriftsteller hat G. eine vielleicht zu vielseitige Thätigkeit entwickelt. Seine erste gedruckte Arbeit war die der philosophischen Facultät zu Marburg 1840 vorgelegte Dissertation: „De conditionibus ad arborum nostrarum saltuensium vitam necessariis“, wodurch er sich den Doctorhut erwarb. Einen Beweis großer Belesenheit, namentlich im Gebiete der Forstpolitik, und der Befähigung einen umfangreichen und schwierigen Stoff in knappem Gewande zu bearbeiten, lieferte die Schrift: „Die Beaufsichtigung der Privatwaldungen von Seiten des Staates“ (1845), welche mit einem Preise gekrönt wurde. 1853 folgte die Monographie „Gebirgskunde, Bodenkunde und Klimalehre in ihrer Anwendung auf Forstwirtschaft“, welche noch drei Auflagen (1858, 1865 und 1886) erlebte. Diese Schrift, welche das wichtigste über diese Grundwissenschaften für den forstlichen Beruf – unter Zugrundelegung der Epoche machenden Lehren eines Liebig und anderer hervorragender Agriculturchemiker dieser Richtung in kurzer, übersichtlicher und leicht verständlicher Weise zusammenfaßte und somit die Hauptgrundsätze der neueren Agriculturchemie auch dem Forstmann erschloß, entsprach s. Z. einem wirklichen Bedürfniß. Ihr Verfasser war unter den damaligen forstlichen Schriftstellern wohl am besten in der Bodenkunde bewandert; allein die letzte Auflage wäre doch besser ungeschrieben geblieben. Die in den früheren Auflagen gebotene, forstlich zugestutzte Darstellung der Gebirgskunde etc. konnte den damaligen Ansprüchen noch genügen, die letzte Auflage aber deshalb nicht mehr, weil sie von den inzwischen gänzlich veränderten Grundanschauungen, insbesondere im Gebiete der Petrographie, gar keine Notiz nimmt. Auch ist der agriculturchemische Theil gar zu knapp behandelt und der neueren Auffassung der meteorologischen Erscheinungen nicht hinreichend Rechnung getragen.
Warme Anerkennung muß hingegen der Monographie „Der Buchenhochwaldbetrieb“ (1856) gezollt werden. Hier zeigt sich der Verfasser als meisterhafter Kenner des Verhaltens und der besten Bewirthschaftung der mitteldeutschen Buchenforste im Gebiete der älteren Flötzformation. Das in dem Buche entwickelte, dem Walde abgelauschte und für denselben geschriebene Programm entwickelt Grundsätze, die für den reinen Buchenhochwald noch heute jede Kritik bestehen können. Ein weiteres, ebenfalls vorwiegend auf waldbaulichem Gebiete sich bewegendes Schriftchen war die aus Anlaß der (1858) in Eisenach abgehaltenen 8. Versammlung der Forstwirthe aus Thüringen als [522] Festgabe überreichte Beschreibung der „Lehrforste der Eisenacher Forstschule: Eisenach, Wilhelmsthal und Ruhla“.
Das bedeutendste Werk von G. ist aber ohne Zweifel „Die Betriebs- und Ertragsregulierung der Forsten“ (1867, in 2. Aufl. 1879), denn auf dem Gebiete der praktischen Forsteinrichtung war er infolge seiner Eigenschaft als langjähriger Chef des Forsteinrichtungswesens im Großherzogthum Sachsen-Weimar eine Autorität ersten Ranges. Das aus der Praxis geschöpfte und seiner ganzen Tendenz nach für dieselbe berechnete Werk liefert eine specielle Darstellung der von dem Verfasser bis ins kleinste Detail ausgebildeten, in den weimarischen Forsten in Anwendung stehenden combinirten Fachwerksmethode. Es ist mehr ein Handbuch für den dortigen Praktiker als ein Lehrbuch, bietet aber doch eine so reiche Fundgrube von Material, daß es auch für andere Schriftsteller auf diesem Gebiete und überhaupt für Anhänger einer anderen Forsteinrichtungsmethode von außerordentlichem Werth ist.
Abgesehen von diesen selbständigen Schriften gab G. noch folgende König’sche Werke in neuer Bearbeitung und in mehreren Auflagen heraus: „Die Forstbenutzung.“ Ein Nachlaß von Dr. G. König (1851, 1861 und 1882); „Die Waldpflege aus der Natur und Erfahrung neu aufgefaßt“ (1859, ferner 1875 u. d. T. „Der Waldschutz und die Waldpflege“); „Die Forst-Mathematik in den Grenzen wirthschaftlicher Anwendung nebst Hülfstafeln für die Forstschätzung und den täglichen Forstdienst“ (1854 und 1864). Wesentliche materielle Verbesserungen der König’schen Darstellung sind zwar nur in beschränktem Umfange eingetreten, was wohl damit zusammenhängt, daß der Herausgeber die Eigenart des Verfassers aus Pietät möglichst erhalten wollte. Auch ist den Fortschritten der Wissenschaft nicht genügend Rechnung getragen. Es muß aber unbedingt anerkannt werden, daß insbesondere „Die Forst-Mathematik“, welche in ihren ersten Auflagen nicht leicht verständlich und etwas schwerfällig war, durch die gewandte Feder Grebe’s in formeller Beziehung wesentlich gewonnen hat. Dieses inhaltreiche Werk fand daher auch an anderen Forstlehranstalten und bei den Praktikern, welche sich mit forstmathematischen Dingen beschäftigen wollten oder mußten, Eingang, während „Die Forstbenutzung“ und „Der Waldschutz“ hauptsächlich auf die im ganzen einfachen Eisenacher Verhältnisse zugeschnitten waren und jetzt durch neuere Werke auf diesen Gebieten überholt sind. G. entfaltete außerdem auch noch eine bemerkenswerthe Thätigkeit in der Journallitteratur, früher in der Allgemeinen Forst- und Jagd-Zeitung, später mehr in Burckhardt’s „Aus dem Walde“ und in Danckelmann’s „Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen“, weil er mit diesen beiden Herausgebern innig befreundet war.
Als Forsttaxationsdirigent schuf G. der Betriebsregulirung der weimarischen Forste ganz neue Bahnen. Von dem Cotta’schen Principe ausgehend, daß die Bearbeitung eines den concreten Verhältnissen sorgfältig angepaßten Wirthschaftsplanes viel wichtiger sei als eine minutiös zugespitzte, auf Künsteleien und unsichere Zukunftsrechnungen basirte Etatsermittelung, gelang es ihm, die Materialerträge der Weimarschen Staatsforste in einer mehr als 40jährigen Wirksamkeit – trotz strengster Nachhaltigkeit – über die Hälfte zu steigern, zugleich deren gesammten Zustand nach außen und innen wesentlich zu verbessern.
Als Charakter gehört G. zu den anziehendsten und achtungswerthesten Erscheinungen. Er war von unendlicher Dankbarkeit gegen sein Fürstenhaus erfüllt, welchem zuliebe er mehrere ehrenvolle Berufungen (nach Zürich, Eberswalde, Tharand und Münden) ausschlug. Dem Großherzoglichen Hause stand er als treuer Rathgeber in Bezug auf die Verwaltung der Güter der Frau [523] Großherzogin in Schlesien sehr nahe. Selbst bei innerer Bewegung äußerlich doch ruhig und stets würdevoll, war er milde im Urtheil über andere, bei auftretenden Gegensätzen stets zur Vermittelung und Nachgiebigkeit bereit, klug und tactvoll im gewöhnlichen Verkehr, zuvorkommend und gefällig selbst gegen Untergebene, treu seinen zahlreichen Freunden und von einer großen Bescheidenheit. Das ihm bei seinem Jubiläum zur Errichtung einer Stiftung übergebene Capital ging – da ihn sein frühzeitiger Tod an der Ausführung verhinderte – auf Grund eines Beschlusses der Stifter an seine Wittwe über. Nachdem es bis 1901 sammt weiteren Beiträgen und den inzwischen aufgelaufenen Zinsen den Betrag von 7300 Mark erreicht hatte, wurde es von seiten der Wittwe nebst einer Stiftungsurkunde dem Großherzoglichen Staatsministerium zu Weimar mit der Bestimmung übergeben, daß die Zinsen weiter zum Capital geschlagen werden sollen, bis dieses auf den Betrag von 10 000 Mark angewachsen ist. Hierauf sollen aus den Zinsen alljährlich zwei Stipendien an würdige und bedürftige Studirende der Forstlehranstalt Eisenach vergeben werden.
- G. v. Schwarzer, Biographien, S. 12. – Fr. von Löffelholz-Colberg, Forstliche Chrestomathie, III, 1, S. 720. – Ratzeburg, Forstwissenschaftliches Schriftsteller-Lexikon, S. 201. – Bernhardt, Geschichte des Waldeigenthums etc. III, S. 137, 286, 310, 322, 323 und 376. – Schwappach, Handbuch der Forst- und Jagdgeschichte Deutschlands, 2. Band, S. 793, 799 und 834. – Allgemeine Forst- und Jagd-Zeitung 1889, S. 436 (Aufruf zur Feier des Jubiläums); 1890, S. 196 (Todesanzeige), S. 265 (Jubiläumsfeier). – Forstwissenschaftliches Centralblatt, 1890, S. 127 (Dienstjubiläum); S. 388 (Todesanzeige); 1891, S. 277 (Nekrolog, von Heß). – Forstliche Blätter, Neue Folge, 1890, S. 158 (Nekrolog), S. 191 (Nachruf, von den Studirenden). – Centralblatt für das gesammte Forstwesen, 1890, S. 241 (Nekrolog, von Stötzer). – Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen, 1890, S. 289 (Dienstjubiläum, von Matthes), S. 297 (Die letzten Tage von Karl Grebe, von Danckelmann), S. 383 (Nachruf, von den Studirenden).
- Grebestiftung (Allgemeine Forst- und Jagd-Zeitung, 1901, S. 304; Forstwissenschaftliches Centralblatt, 1901, S. 488; Centralblatt für das gesammte Forstwesen, 1901, S. 280; Aus dem Walde, Nr. 23 vom 6. Juni 1901, S. 183, Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen, 1901, S. 506).