ADB:Freinsheim, Johann
M. Bernegger erwarb, auf dessen Anregung er sich mit dem größten Eifer auf humanistische und historische Studien warf. Er hatte sich bereits durch einige poetische und litterarische Arbeiten einen Namen gemacht, als er eine Reise nach Frankreich unternahm, wo er in königl. Dienste trat und mit dem Titel eines Secrétaire interprête den Auftrag erhielt, das Archiv des Bisthums Metz zu revidiren. Nach fast dreijährigem Aufenthalt in Frankreich kehrte er 1637 nach Straßburg zurück und vermählte sich mit einer Tochter seines alten Freundes Bernegger. In guten Verhältnissen stehend, konnte er trotz mehrfacher Einladungen nicht bestimmt werden, sich um eine Professur zu bewerben; wie er selbst erzählt, wollte er berufen werden, nicht als bettelnder Bewerber auftreten. Was sich in Straßburg nicht machte, ward ihm aus weiter Ferne zu Theil. Als der Kanzler der Universität Upsala Joh. Skytte eine neue Professur für Eloquenz und Politik aus eigenen Mitteln begründete, wurde F. 1642 für die neue Stelle erwählt und folgte dem ehrenvollen Rufe nach Upsala, wiewol ihm jetzt auch eine Professur in Straßburg angeboten wurde. Noch höhere Auszeichnung wurde ihm im J. 1647 zu Theil, wo er an den Hof der Königin Christine berufen und zum Historiographen und Bibliothekar ernannt wurde. Er erhielt eine Wohnung im Schlosse und außer freier Station den ansehnlichen Gehalt von 2000 Thalern. Als ein Mann von Geist und großer Gelehrsamkeit erwarb er sich das Vertrauen der wissensdurstigen Königin im besonderen Grade und wurde auch ihr Lehrer in griechischer Sprache und Litteratur. Eine Rede, die er zur Feier ihres 22. Geburtstages hielt, belohnte sie durch das fürstliche Geschenk von 500 Ducaten. Aus dieser Stellung trat F. gegen Ende des J. 1650 auf seine Professur zurück, wie er selbst versichert, auf den dringenden Wunsch der akademischen Behörden. Als im Frühjahr darauf die Königin die Universität mit ihrem Besuche beehrte, begrüßte er sie als akademischer Sprecher in schwungvoller Rede, nahm aber noch in demselben Jahre, da das nordische Klima seine Gesundheit hart angegriffen hatte, seinen Abschied und kehrte nach Deutschland zurück. Wie es scheint, so nahm er zunächst seinen Wohnsitz wieder in Worms; wenigstens ist die Vorrede des ersten Bandes der Supplemente des Livius (1654) von dort aus unterzeichnet. Ueber seine Schicksale in dieser Zeit fehlt es gänzlich an Nachrichten; daß jedoch seine Verhältnisse nicht die besten waren, ergibt sich aus mehreren Aeußerungen von ihm selbst, indem er nicht blos über seine Gesundheit, sondern auch über Chikane durch Processe klagt; ja er schreibt in der Dedication seiner „Orationes“ (1655) an die pfälzische Prinzessin Elisabeth von Wiesbaden aus: „Infimorum hominum iniuriae omnes illas horas, quas hic curandae valetudinis ergo fui, graves atque acerbas redegerunt“. Bei der Restauration der Heidelberger Universität durch Karl Ludwig wurde F. unter Ernennung zum kurfürstl. Rath als Professor honorarius berufen, aber bereits vier Jahre darauf durch frühzeitigen Tod seiner neuen Wirksamkeit entrissen. Aus der für wissenschaftliche Studien so feindseligen Zeit des 30jährigen Kriegs ragt Freinsheim’s [349] Name als einer der glänzendsten hervor. Seine litterarische Thätigkeit war besonders den römischen Geschichtschreibern gewidmet, für deren Verbesserung und Erklärung er sich große Verdienste erwarb. Ein Fortschritt in der Behandlung war es, daß er die für alte Autoren üblichen Indices auch auf das Sprachliche ausdehnte und die Phraseologie eines Schriftstellers genau verzeichnete, über welche fruchtbare Methode er sich verständig in der Vorrede zu Bernegger’s Ausgabe des Tacitus (1638) ausspricht. Daß er überhaupt neue Wege einzuschlagen verstand, zeigt seine Paraphrase der vier ersten Bücher der Annalen des Tacitus, die als ein geistreicher Commentar in geschmackvoller Darstellung gelten darf. Ebenso originell ist der große Anhang zur Paraphrase: „Comparatio versionum (in 5 verschiedenen Sprachen) in IV priores libros Annalium“, worin ein erster Versuch einer auf den Wortlaut eines alten Schriftstellers ganz genau eingehenden Erklärung vorliegt, welche Art von Commentaren erst im 19. Jahrhundert allgemeiner geworden ist. Als einen gründlichen Kenner der alten Geschichte und gewandten Erzähler bewährte sich F. in seinen berühmten Ergänzungen der fehlenden Bücher des Curtius und Livius, die schwerlich ein anderer eben so geschickt verfaßt hätte. Daß sie heute fast vergessen sind, beruht auf dem Umstand, daß bald nach ihrem Entstehen die neueren Litteraturen sich von dem vorwiegenden Gebrauch der lateinischen Sprache zu emancipiren anfingen. Seine nach Form und Inhalt gleich trefflichen Reden gehören zu den besten ihrer Gattung; sie sind gedankenreich, lebendig, unterhaltend und frei von leerem Wortschwall. Daß er überhaupt für die Aufgabe eines Redners das rechte Verständniß hatte, beweist der Umstand, daß er sich gewöhnte, auch größere Reden ganz frei vorzutragen; denn, wie er selbst sich äußert, „absurdum videbatur, si meditationes meas de scripto recitarem eloquentiae professor“. Die hauptsächlichen Schriften Freinsheim’s in chronologischer Ordnung sind folgende: Die Indices zu Bernegger’s Ausgabe des Justinus, 1631. „Panegyricus Gustavo Adolpho scriptus“, Hagae Com. 1632. „Flori historia Romana“, Argentor. 1632 u. 1655. Die Indices zu Bernegger’s Ausgabe des Tacitus, 1638, gemeinsam mit seinem Bruder Melchior. „Commentarius in libros superstites Q. Curtii“, Argent. 1639. „Supplementum in historiam Curtii“, ib. 1639. „Teutscher Tugentspiegel oder Gesang von dem Stammen und Thaten des Alten und Neuen Teutschen Hercules“, Straßb. 1639 (Heldengedicht zu Ehren Bernhards von Weimar). „Alexander magnus duobus tomis repraesentatus etc.“, Argent. 1640 (vollständige Ausgabe des Curtius mit den Supplementen). „Specimen paraphasis Cornelianae“, Argent. 1641. „Supplementorum Livianorum ad Christinam reginam decas“ (zu Buch XI–XX), Stockholm 1649. „Supplementorum Livianorum tomus prior libros LX continens“, Argent. 1654 (die übrigen aus seinem Nachlasse zuerst in der Ausgabe von Doujat, Paris 1679 gedruckt). „Orationes (XXIII) in Suetia habitae cum quibusdam declamationibus,“ Francof. 1655. „De vicariatu Palatino ad aureae bullae locum schediasma“, 1658 (unter dem Namen Gratianus Philoecus herausgegeben). Aus seinem Nachlaß erschien noch: „De S. Rom. Imperii electorum et S. Rom. ecclesiae Cardinalibus praecedentia diatribae V“, Argent. 1663, und die originelle Bearbeitung der Fabeln des Phädrus, Argentor. 1664.
Freinsheim: Johann F., Philolog und Historiker, geb. am 16. Novbr. 1608 zu Ulm, † am 31. August 1660. Von achtbaren und wohlbemittelten Eltern stammend, die dem talentvollen Knaben eine sorgsame Erziehung angedeihen ließen, erhielt F. seine Vorbildung auf dem Gymnasium zu Worms und bezog hierauf im 15. Lebensjahre die Universität Marburg, später auch Gießen, um Jurisprudenz und politische Wissenschaften zu studiren. Von Gießen ging er nach Straßburg, wo er sich das Vertrauen und die engere Freundschaft des berühmten Professors- Hauptquellen: Freinsheim’s Reden, bes. I. V. VII. XIX. und XX. und die Laudatio funebris seines Neffen Abraham 1661 s. l. 4. Vgl. auch Svenskt Biografiskt Lexikon. Neue Folge V. 80 ff. (1861).