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ADB:Frankenberg, Friedrich Graf von

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Artikel „Frankenberg und Ludwigsdorf, Friedrich Graf von“ von Hermann von Petersdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 703–706, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Frankenberg,_Friedrich_Graf_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 08:33 Uhr UTC)
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Frankenberg: Friedrich Ludwig Ernst Graf von F. und Ludwigsdorf, Freiherr v. Schellendorf, gewöhnlich Graf Fred F. genannt, preußischer Parlamentarier, geboren am 5. Februar 1835 zu Breslau, † am 31. December 1897, war der Sohn des am 28. December 1855 verstorbenen Grafen Ernst v. F. auf Tillowitz und der Gräfin Eleonore v. F., geb. Gräfin v. Ledebur-Wicheln. Vater und Mutter waren katholisch, die Mutter eine Oesterreicherin. Graf Fred studirte 1853 und 1854 in Bonn und Breslau drei Semester Rechtswissenschaft, sodann zu Tharand ein Jahr die Landwirthschaft. Durch den frühen Tod seines Vaters wurde er in jungen Jahren Herr einer der größten Besitzungen in Preußen, nämlich der 7950 Hektare umfassenden Herrschaft Tillowitz im Kreise Falkenberg in Oberschlesien. Die Jahre 1855–1866 benutzte er zu Reisen nach der Schweiz, Italien, Frankreich, Oesterreich, Ungarn, Griechenland, dem Orient und England. Beim Ausbruch des Krieges von 1866 meldete er sich freiwillig zum Dienst und nahm auf Befehl König Wilhelms I. an dem Feldzuge als Ordonnanzofficier des VI. (schlesischen) Armeecorps theil. Er zog mit Begeisterung in den Kampf; es schwebte ihm als herrlicher Gedanke vor, als der letzte seines Stammes für Deutschlands Einigung unter den Hohenzollern zu fallen. Voll Hochgefühl wohnte er der Entscheidung bei Königgrätz bei. Nach dem Kriege wandte er sich der parlamentarischen [704] Thätigkeit zu. Er wurde vom Kreise Falkenberg-Grottkau am 12. Februar 1867 in den norddeutschen constituirenden Reichstag und am 31. August 1867 in den ersten ordentlichen (norddeutschen) Reichstag gewählt. Er war mit ganzer Seele bei den damaligen Berathungen; mit dem Schwaben Völk jubelte er: „Es ist Frühling geworden in Deutschland“. Er hat dem Reichstag bis zum Jahre 1881 ununterbrochen angehört; seit 1874 vertrat er den Kreis Ohlau-Nimptsch-Strehlen. Vorübergehend (1867–1869) gehörte er auch dem Abgeordnetenhause an; dort vertrat er den Kreis Neustadt-Falkenberg. Er schloß sich der freiconservativen oder, wie sie sich im deutschen Reichstage nannte, der Reichspartei an. Während des Feldzuges gegen Frankreich widmete er sich, sobald er bemerkt hatte, daß das schlesische Corps fürs erste nicht im Felde verwandt werden würde, in seiner Eigenschaft als Malteserritter mit großem Eifer und Erfolge der freiwilligen Krankenpflege. Bismarck bediente sich seiner, um mit dem Bischof von Orleans, dem Royalisten Dupanloup, Verhandlungen anzuknüpfen und dadurch einen schnelleren Friedensschluß herbeizuführen. Trotz der Gewandtheit, mit der F. sich hierbei benahm, verliefen die Verhandlungen ergebnißlos. Des Oefteren war F. in Versailles Gast des Bundeskanzlers, der in dem weltgewandten, stattlichen Grandseigneur mit dem offenen Wesen, dem Bonsens und dem frischen Patriotismus einen Mann nach seinem Herzen fand. Auch die Mitglieder des Königshauses zeichneten F. vielfach aus. Am 1. November erhielt er das Eiserne Kreuz am weißen Bande.

Nach Beendigung des Krieges benutzte ihn Bismarck zu seinem Versuche, einen Keil in die neugebildete Centrumspartei hineinzutreiben, indem er unter dem 19. Juni 1871 an ihn das bekannte Schreiben richtete, durch das der gegen den Grafen Tauffkirchen ausgesprochene Tadel des Cardinalstaatssecretärs Antonelli über das Verhalten der Centrumspartei bekannt wurde. Schon am 4. April jenes Jahres hatte F. in einer großen Rede mit den Worten: „Ans Vaterland, ans theure, schließ dich an, hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft, dort in der römischen Welt stehst du allein“, als Katholik im Reichstage schroff Stellung gegen den Ultramontanismus genommen, dessen vaterlandsfeindlichen Geist er im katholischen Oberschlesien früh und genau kennen gelernt hatte. Er warnte in einer 1871 veröffentlichten Flugschrift: „Ein Mahnwort an Deutschlands Katholiken“, vor dem unseligen „von Fanatikern heraufbeschworenen“ Kampfe. Windthorst und dessen Anhänger vergalten dem einflußreichen Manne seine Parteinahme mit grimmiger Feindschaft. Auch von seinen schlesischen Standesgenossen wurde F. diese Haltung verdacht; so wurde er aus dem Vorstand der schlesischen Malteserritter herausgedrängt. Noch am 21. April 1874 erklärte F. gegen das Centrum: „Wir betrachten uns als im Kriegszustande“. Doch wurde es ihm als frommem Sohn seiner Kirche auf die Dauer sichtlich schwer, den kirchenpolitischen Kampf an Bismarck’s Seite fortzuführen; und so begrüßte er es mit Freuden, als der preußische Staat Frieden mit der römischen Kirche schloß. In zahlreichen Ehrenämtern, als Amtsvorsteher, Kreisdeputirter, Mitglied des Provinzialausschusses und des Provinzialraths in Schlesien, sowie des Curatoriums des Museums der bildenden Künste in Breslau, zu denen er sich als reicher, unabhängiger und vielgewandter Mann außerordentlich eignete, sammelte er einen Schatz von Erfahrungen, die er im Reichstage, zusammen mit seinen als Landwirth und Forstmann erworbenen Kenntnissen, wohl zu verwerthen wußte. So nahm er besonders Gelegenheit, sich der Regulirung der Oder anzunehmen. Voller Eifer unterstützte er die wirthschaftspolitische Schwenkung Bismarck’s, zu dessen vertrautestem Umgange er [705] in jenen Jahren seiner Wirksamkeit im Reichstage gehörte und an dem er mit fast schwärmischer Verehrung hing. Seine Reden über Eisenzölle (27. April 1877) und Holzzölle (27. Mai 1879) zeichnen sich durch eine außerordentliche Beherrschung der Materie aus. Gelegentlich ging er auch führend vor in der Unterstützung rein ideeller Maßnahmen; so war er es, der die Reichsunterstützung für das germanische Nationalmuseum in Nürnberg erwirkte. Sehr bald nahm er eine leitende Stellung in seiner Fraction ein, die ihn in die wichtigsten Commissionen entsandte. Ohne durch besondere Redegabe ausgezeichnet zu sein, fand er bei seinen Reden doch regelmäßig aufmerksames Gehör, wie denn überhaupt seine Persönlichkeit sich großer Beliebtheit bei den Parlamentariern erfreute. Die Unterstützung der Wirthschaftspolitik Bismarck’s kostete ihn schließlich seinen Sitz im Reichstage, obwol oder gerade weil Bismarck Frankenberg’s Eintreten für das Tabakmonopol durch eine Depesche zu unterstützen suchte, in der die Errichtung einer Staatsfabrik in Ohlau verheißen wurde. Gerade der Kreis Ohlau ließ ihn infolgedessen bei der Neuwahl am 27. October 1881 im Stich, während er in den beiden anderen Kreisen Nimptsch und Strehlen die Mehrheit erhielt.

Bald öffneten sich ihm neue Felder parlamentarischer Wirksamkeit. Er wurde 1883 in den Volkswirthschaftsrath, am 11. Juni 1884 in den Staatsrath und schließlich, am 17. August 1885, durch das Vertrauen seines Königs in das Herrenhaus berufen. Außerdem wurde er Vorsitzender der Abtheilung Berlin des Deutschen Colonialvereins (1882) und Mitglied zahlreicher gemeinnütziger Commissionen und Gesellschaften. Im Herrenhause hat er bis zu seinem Ende großen Einfluß ausgeübt. Hier war die Arena, für die er am meisten geschaffen war. Hier hat er für seine schlesische Heimath eine segensreiche Thätigkeit entfaltet, indem er insbesondere für den Ausbau der Wasserstraßen und des Eisenbahnnetzes eintrat. Dort stellte er (9. Mai 1890) den Antrag auf Bildung einer Behörde, welcher alle Interessen der Wasserwirthschaft unterstellt würden. Auch die Idee eines Donau-Odercanals warf er hin. Daneben unterstützte er eifrig die Ansiedelungspolitik Bismarck’s in den preußischen Ostmarken. Die Steuerreform Miquel’s bekämpfte er scharf, weil sie ihm einen socialistischen Zug an sich zu haben schien. Seine Opposition trug dazu bei, im Lande einen Sturm des Unwillens gegen das Herrenhaus zu erregen. Noch schärfer wandte er sich gegen den Antrag Kanitz: „Ich bin Agrarier von Kopf bis Fuß, möchte ich sagen, ich gehöre der Landwirthschaft an, ich nenne mich nach ihr, ich bin ihr Sohn, und all mein Erbe liegt in ihrem Reich“, aber auf dem Wege des Antrags Kanitz kann ich Ihnen nicht folgen“, rief er den Conservativen am 30. März 1895 zu. Am 4. September 1896 ernannte ihn Wilhelm II. zum Wirklichen Geheimrathe mit dem Prädicate Excellenz. Kurz vorher gab Heinrich v. Poschinger, freilich nicht mit der wünschenswerthen Sorgfalt, Frankenberg’s frisch geschriebene Kriegstagebücher heraus, die eine werthvolle Quelle für die Geschichte der Jahre 1866 und 1870/71 bilden. Am 24. Juni 1872 hatte F. sich zu Slawentzitz im Kreise Cosel mit Luise Prinzeß von Hohenlohe-Oehringen verheirathet, von der er zwei Töchter und einen Sohn hatte. In Slawentzitz, dem Besitz seines Schwagers, des Herzogs von Ujest, starb er am Sylvestertage des Jahres 1897. Sein Sohn Konrad, geboren am 3. Mai 1877 zu Berlin, und die jüngere Tochter überlebten ihn.

Fred Graf Frankenberg, Kriegstagebücher. – Stenographische Berichte des Reichstages, preußischen Abgeordnetenhauses und Herrenhauses. – Taschenbuch der gräflichen Häuser. – Tagesblätter Juni und Juli 1871. – [706] Lagrange, Vie de Mgr. Dupanloup. Paris, Bd. III, 1884, S. 198 ff. – Moritz Busch, Tagebuchblätter, Bd. II. – Poschinger, Bismarckportefeuille, insbesondere Bd. III.