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ADB:Deventer, Gerard Prouningk

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Artikel „Deventer, Gerard Prouningk, genannt“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 93–94, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Deventer,_Gerard_Prouningk&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:17 Uhr UTC)
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Deventer: Gerard Prouningk, genannt D., niederländischer Staatsmann, aus Herzogenbusch, war in seiner Vaterstadt ein Haupt der Protestanten, und ward darum 1567 gezwungen, auszuwandern. Nach der Genter Pacification zurückgekehrt, ward er 1579 aufs neue von den Katholischen vertrieben und siedelte sich in Utrecht an, wie viele Brabanter und Vlämingen, welche daselbst [94] sich den demokratischen Gilden und Bürgerwehrleuten anschlossen und eine ultracalvinistische Gemeinde den gemäßigten und „Libertiner“ gescholtenen Aristokraten gegenüberstellten. Sein Ruf als Finanzmann scheint ihm die hohe und schwierige Stelle eines Generalsteuereinnehmers der Generalität verschafft zu haben, die er 1581–88 verwaltete. Doch seine Rolle fing erst recht an, als der Graf von Leicester die Regierung antrat. D. gehörte zu den drei Verbannten, mit de Burchgrave (s. d.) und Reingoud (s. d.), welche die Berather des Landvogts waren. Er war in Utrecht das anerkannte Haupt der calvinistisch-demokratischen Partei und scheint der Leiter des im Herbste 1586 mit Gutheißen des Gouverneurs, der englischen Befehlshaber und des Statthalters, des Grafen von Neuenahr (s. d.), von den Bürgerhauptleuten ausgeführten Staatsstreiches gewesen zu sein, in Folge dessen an die 60 der angesehensten Häupter der Aristokratie verbannt wurden. Bei der darauf folgenden Magistratserneuerung ward D., obgleich er gesetzmäßig noch sieben Jahre zu warten hatte, ehe er Bürger der Stadt werden konnte, Bürgermeister, während die meisten Stellen der Verbannten mit anderen Emigranten besetzt wurden. So war er völlig Meister der Stadt, welche als drittes Glied mit den Eligirten (den Abgeordneten der fünf Capitel) und der Ritterschaft die Staaten der Provinz ausmachte. Sein Programm war Uebertragung der Souveränetät an England, Vermehrung der Autorität Leicester’s, Reorganisation der Kirche in ultracalvinistischem Geist und Vernichtung des Uebergewichts Hollands. In die Generalstaaten abgefertigt, ward er aber, als unrechtmäßig gewählt, nicht zugelassen; und obgleich er sich geschickt zu vertheidigen wußte und Leicester sein Bestes für ihn that, blieben die Generalstaaten beharrlich bei ihrer Weigerung. Von jetzt an führte D. einen erbitterten Krieg mit den holländischen Regenten, an deren Führer, Oldenbarnevelt, er jedoch einen überlegenen Gegner fand. Doch ist es nicht zu leugnen, daß D. mit großem Geschick und nicht durch Gewalt, sondern durch listig angelegte gesetzliche Maßregeln, durch sehr gut geschriebene Actenstücke und Pamphlete und schlauen Rath an seine Parteigenossen den Kampf führte. Die Bekämpfung der gesetzmäßigen Autorität der Staaten, die durch Leicester verfochtene Theorie der Volkssouveränetät, welche jetzt zum ersten Male in der Geschichte der Niederlande auftauchte, scheint von ihm zu stammen. Doch ward er von seinen Anhängern oft ungeschickt unterstützt, und der unvergleichliche Unverstand des Gouverneurs that seinen Plänen vielleicht mehr als irgend etwas Abbruch. Als dieser endlich 1587 die Partie verloren gab und die Staatenpartei überall sonst siegte, wußte D. sich noch ein Jahr in seiner Stellung in Utrecht zu behaupten. Doch er hatte seinen Einfluß allmählich eingebüßt; Neuenahr und selbst viele Bürgerhauptleute, die geborene Bürger waren, wandten sich seinen Gegnern zu, und als 1588 die Zeit der Magistratserneuerung herannahte und er und seine Anhänger mit Gewalt ihre Stellen zu behaupten suchten, ward er von einer Contrarevolution, 5. October, ohne schweren Kampf überwunden. Er allein ward vor Gericht gestellt und als Hochverräther angeklagt, doch seiner ausgezeichneten Vertheidigung wegen nur verbannt. Er begab sich zunächst nach England, ließ sich aber bald in Holland nieder, wo er noch 1605, beschäftigt mit theologischen Schriften, lebte. Sein Sterbejahr ist unbekannt. D. war ein höchst merkwürdiger Mann, ein Parteiführer, wie wenige seiner Zeitgenossen, dabei unbescholten, nur hochmüthig und ehrgeizig. Die eigenthümliche Stellung des Emigranten trug viel bei, ihn auf seinen Weg zu treiben.