Zum Inhalt springen

ADB:Dannecker, Heinrich von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Dannecker, Johann Heinrich (von)“ von August Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 741–744, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dannecker,_Heinrich_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:17 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Dann, Christian Adam
Band 4 (1876), S. 741–744 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Heinrich Dannecker in der Wikipedia
Johann Heinrich Dannecker in Wikidata
GND-Nummer 118678809
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|4|741|744|Dannecker, Johann Heinrich (von)|August Wintterlin|ADB:Dannecker, Heinrich von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118678809}}    

Dannecker: Johann Heinrich (von) D., Bildhauer, geb. 15. Oct. 1758 zu Stuttgart, † daselbst 8. Dec. 1841 als Hofrath und Kunstschul-Director. D., dem ein Ehrenplatz unter den Wiederherstellern der modernen Plastik neben Canova und Thorwaldsen gebührt, war der Sohn eines herzoglich würtembergischen Stallknechtes und kam mit seinen Eltern im J. 1764 nach Ludwigsburg, wohin Herzog Karl damals seinen glänzenden, alle Künste reich beschäftigenden Hof verlegte. Den frühen Regungen des Kunsttriebes in dem aufgeweckten Knaben schien die Armuth der Familie eine unüberwindliche Schranke entgegenzustellen. Das Schicksal bot eine rettende Hand in einem um Ostern des Hungerjahres 1771 ausgehenden Anerbieten des Herzogs, auch Söhne seiner Dienerschaft in seine Militär- und Kunstpflanzschule auf der Solitude aufzunehmen. Der junge D. ergriff sie mit keckem Muth, indem er sich gegen den Willen seines Vaters selbst beim Herzog meldete. Anfangs wegen seiner munteren Beweglichkeit zum Tänzer bestimmt, errang er sich mit Mühe den Uebertritt zu den Künstlern und erhielt zuerst Unterricht von dem Hofbildhauer Bauer und dem sehr geschickten Hofstuccator Sonnenschein († als Professor in Bern), später aber von dem Bildhauer Le Jeune und den Malern Harper und Guibal. Im J. 1775 kam er durch Verlegung der ganzen Anstalt nach Stuttgart und gewann 18jährig in einer Concursprüfung den Preis mit einer Skizze „Milon von Kroton, die Hände in einem Baumspalt und von einem Löwen angefallen“. Unter seinen Mitschülern schloß er einen engeren Freundschaftsbund mit seinem Kunstgenossen Scheffauer, dem Kupferstecher J. G. Müller, dem Musiker Zumsteeg und mit Friedrich Schiller. Er wurde mit den übrigen Bildhauer-Eleven vornehmlich dazu verwendet, für die herzoglichen Bauten, insbesondere für das Schloß Hohenheim Modelle zu Stuccaturarbeiten, Karyatiden, Genien und ähnlichen Ornamentfiguren zu machen. Dies blieb seine Hauptbeschäftigung, auch nachdem er im Jahre 1780 aus der Karlsschule entlassen und als Hofbildhauer angestellt war. Zu seiner weiteren Ausbildung erhielt er im J. 1783 Urlaub nach Paris, wo er mit Scheffauer zusammentraf und durch seinen Lehrer und warmen Gönner Guibal freundliche Aufnahme und manche Förderung in dem Atelier A. Pajou’s, eines der tüchtigsten französischen Bildhauer jener Zeit, fand. Er schickte im J. 1785 einen sitzenden Mars als Probestück seiner Pariser Studien an den Herzog nach Stuttgart. In demselben Jahre wanderte er mit Scheffauer nach Italien. In Rom brachte ihn die begeisterte Richtung auf die Antike mit dem durch seine Goethe- und Herder-Büsten bekannten Schweizer A. Trippel und dem nur um ein Jahr früher als D. geborenen, aber damals schon hoch angesehenen Canova in nähere Berührung. Canova gewann den deutschen Kunstgenossen sehr lieb und gab ihm um seines glücklichen, immer gleichen Humors willen den Beinamen il beato. Auch Goethe’s, Herder’s und anderer bedeutender Männer Umgang wurde D. zu Theil. Seine ersten Marmorstatuen, eine Ceres und ein Bacchus (beide jetzt im Stuttgarter Schlosse), erwarben ihm die Ehrenmitgliedschaft der Kunstakademien von Mailand und Bologna. Im J. 1790 [742] nach Stuttgurt zurückgekehrt, wurde er von Herzog Karl zum Professor der bildenden Künste an der hohen Karlsschule ernannt und erhielt von demselben, dessen ungeduldiges Temperament freilich seine Künstler nicht leicht in dauerndem Materiale arbeiten ließ, allerlei Aufträge. Vorhanden ist noch eine kleine Reliefskizze für das Hypothyron des herzoglichen Geheimcabinettes, Alexander den Großen darstellend, der seinem nach einem Briefe in des Königs Hand hinüberschielenden Freunde einen Siegelring auf den Mund drückt (jetzt auf der königlichen Cabinetskanzlei in Stuttgart). Auch die Nachfolger des im J. 1793 verstorbenen Herzogs, namentlich die Könige Friedrich und Wilhelm erwiesen ihm mit Aufträgen und Auszeichnungen dauernde Gunst. Allerdings erlosch seine Professur an der Karlsschule schon wenige Monate nach dem Tode Herzog Karls mit der Aufhebung dieser Anstalt, aber D. setzte seine Lehrthätigkeit durch eine in seinem Atelier errichtete Zeichenschule fort bis zur späteren Gründung einer neuen Staatsanstalt, welche seiner Leitung unterstellt wurde. Mit welch herzlicher Verehrung seine Schüler an dem, die eigene Jugendfrische ungewöhnlich lange bewahrenden Meister hingen, davon geben die von A. Haakh in seinen Beiträgen aus Würtemberg zur neueren deutschen Kunstgeschichte (Stuttgart 1863) veröffentlichten Briefe des Malers G. Schick ein köstliches Zeugniß. Für die gedeihliche Entfaltung seiner künstlerischen Kräfte war von größter Bedeutung die innige Freundschaft mit einem vielseitig gebildeten und in Kunstsachen überaus feinfühligen jungen Kaufmanne, dem als geheimen Hofrath und Hofbankdirector im J. 1832 verstorbenen Heinrich Rapp (s. d. Art. Boisserée), dessen Goethe in der Reise von 1797 ehrenvoll gedenkt. Dannecker’s erste größere Arbeit nach der Zurückkunft von Italien war „ein um seinen Vogel trauerndes Mädchen“, eine anmuthige Figur, welche, von ihm erst später in Marmor ausgeführt, nach Holland kam. Schiller’s Besuch in der Heimath im J. 1793 gab Veranlassung, daß der Freund die Büste des Dichters lebensgroß modellirte und ihm dieselbe in Marmor zum Geschenk machte; sie steht jetzt auf der großherzoglichen Bibliothek zu Weimar. Die im Museum der bildenden Künste zu Stuttgart aufbewahrte Colossalbüste hat D. im frischen Schmerze über Schiller’s Tod im J. 1805 begonnen, aber erst im J. 1819 in Marmor vollendet und leider in seinen letzten Lebensjahren durch Wegmeißelung einer Locke geschädigt; ein zweites Exemplar derselben erhielt Graf Schönborn; eine Wiederholung von mittlerer Größe kam in die Walhalla bei Regensburg. Im J. 1796 fertigte D. eine liegende Sappho in Marmor, welche in den Besitz der Königin Mathilde von Würtemberg kam (jetzt bei Banquier Schulz in Stuttgart) und 1797 zwei Opferdienerinnen in Gyps für das Favoriteschloß bei Ludwigsburg (noch daselbst); ungefähr in diese Zeit fällt auch die edle und kraftvolle Gestalt des zürnenden Hektor (in Gyps im Stuttgarter Staats-Museum). Aus Auftrag des Kurfürsten Friedrich entstand im Jahre 1804 die Marmorstatue der trauernden Freundschaft für das Mausoleum des Grafen Zeppelin auf dem Friedhofe zu Ludwigsburg. In allen bisher aufgeführten Werken sieht man das Ringen des Meisters, auf dem von Canova eingeschlagenen Wege durch tieferes Studium der Natur und der Antike aus der conventionellen französischen Richtung der Plastik herauszukommen, aber es wurde ihm sichtlich nicht immer leicht, der Natur mit Freiheit und der Antike ohne Pedanterie zu folgen.

Eine reifere Periode begann für D. mit dem Anfang dieses Jahrhunderts, namentlich als er im J. 1808 die Schwester seines Freundes, Heinrike Rapp als Gattin heimführen und sich in einem eigenen, von einem Garten umgebenen Hause (dem jetzt vielbekannten Café Marquardt) am Stuttgarter Schloßplatze einen sorgenfreien Herd gründen durfte. In den geräumigen Sälen seiner Wohnung, wohin im J. 1811 Kronprinz Wilhelm seine Sammlung von Gypsabgüssen [743] der bedeutendsten damals in Paris vereinigten und von D. selbst dort gesehenen Antiken verbringen ließ, versammelte sich durch eine Reihe von Jahren ein auserwählter Kreis von Staatsmännern (z. B. der Minister von Wangenheim), Gelehrten, Dichtern etc., in den auch mancher angesehene Gast, wie Baggesen, Schelling, Rückert u. A. vorübergehend eingeführt wurde.

Unter diesen günstigen Einflüssen entstanden im J. 1809 nach Auftrag König Friedrichs das Modell der Gruppe einer Wasser- und einer Wiesennymphe, welche, überlebensgroß von Dannecker’s Gehülfen Fr. Distelbarth in Sandstein ausgehauen, den Stuttgarter Schloßgarten ziert, aber als eines der allerersten deutschen Sculpturwerke gefeiert würde, wenn D. es selbst in Marmor hätte ausführen dürfen; im J. 1810 ein jugendlicher Faun mit einem Weinschlauche, ein köstliches, der Antike ebenbürtiges Werk, leider auch nur in Stein als Springbrunnenfigur in Ludwigsburg aufgestellt; um dieselbe Zeit eine niederhockende Wassernymphe, welche ihre Urne ausgießt, gleichfalls in Sandstein, aber erst nach des Meisters Tod von seinem Schüler Th. Wagner für einen Brunnen der Stuttgarter Neckarstraße ausgeführt; im J. 1812 eine Marmorstatue, Amor, welcher mit abgespanntem Bogen auf den letzten Pfeil in seiner Hand schaut, jetzt auf dem königl. Landhause Rosenstein bei Stuttgart vereinigt mit einer im J. 1825 gemachten Wiederholung der im 1814 für General Murray vollendeten Psyche; endlich im J. 1816 nach der Arbeit von zehn vollen Jahren die vielberühmte Ariadne auf dem Panther, jenes herrliche, in den Besitz des Banquiers Bethmann in Frankfurt a. M. gekommene Marmorwerk, welches neben der Schillerbüste dem Meister den weitreichendsten Ruhm erworben hat. In den Werken dieser Periode hat sich D. zu einer Großheit der plastischen Empfindung aufgeschwungen, welche über Canova hinausliegt und an die griechische Kunst der besten Zeit erinnert. Dabei war D. ganz im Geiste der echten Antike bemüht, über dem großen Rhythmus der Linien, welche seine Gebilde umgrenzen, die treueste Durchbildung der einzelnen Formen nicht zu versäumen, sondern zumal in dem von ihm selbst meisterhaft behandelten Marmor auch jedem kleinsten Flächetheilchen warmes Leben abzugewinnen.

Wenn nun dieser Meister in seiner glücklichsten Schaffenszeit nicht eine größere Anzahl solcher Werke hervorgebracht hat, so ist die Ursache allerdings zum Theil in äußeren Umständen zu suchen. Es fehlte in der kleinen Residenz, unter einer für die bildenden Künste nicht sehr aufgeschlossenen, meist in bescheidenem Vermögensstande lebenden Bevölkerung vor allem an Bestellungen, der besten Anregung zu künstlerischer Geschäftigkeit. Daß aber D., wie Goethe sagt, „an der Wahl des Gegenstandes“ litt, auch sich zu seinen Entwürfen ungewöhnlich lange Zeit und noch längere zur Ausführung nahm, hing doch mit einer gewissen Magerkeit seiner Phantasie zusammen. Hier ist der Zirkel einzusetzen, wenn man seinen Abstand von Thorwaldsen messen will, dem er in einzelnen Arbeiten nach Seite der Ausführung vielleicht überlegen ist, aber an Reichthum und Mannigfaltigkeit der Schöpfungen entfernt nicht verglichen werden kann. Hieraus erklärt es sich auch, warum D. das Lieblingsfeld phantasievoller Bildhauer, das Relief, nur selten bebaute. Hierin endlich ist der Grund zu suchen, warum ihm die Gewandung sein Leben lang weniger gelingen wollte als das Nackte. Andererseits erwies er die scharfe und eindringliche Naturbeobachtung als seine starke Seite besonders noch dadurch, daß er mit ebensoviel Vorliebe als hervorragendem Geschick das Bildniß pflegte. Von seinen Reliefs sind nur zwei bekannter geworden: die schon 1789 in Rom modellirte und zweimal (für den ungarischen Grafen Szeceny und den Holländer van der Hoop) in Marmor ausgeführte Gruppe „Die tragische Muse, welche sich auf die Muse der Geschichte stützt“ und eine Tafel für das Kepplermonument in Regensburg (1808), den Genius vorstellend, [744] der die Wissenschaft entschleiert. Unter seinen Bildnissen mögen außer den alle anderen überragenden Schillerbüsten besondere Erwähnung verdienen: die classische Büste von Lavater (in der Wasserbibliothek zu Zürich), die Büsten der würtembergischen Könige Friedrich und Wilhelm, der Königin Katharina von Würtemberg, des Erzherzogs Karl, der Prinzessin Stephanie von Baden, der Musiker Zumsteeg und Gluck (die letztere überlebensgroß für die Walhalla bei Regensburg), der Freifrau von Alopeus, der Frau des geheimen Legationsraths Pistorius; die Relief-Medaillons von Friedr. Haug und Jungstilling.

Gegen Ende der zwanziger Jahre, früher als dies nach seinem Lebensalter zu erwarten gewesen wäre, zeigt sich unser Meister schon auf dem Rückgang. Den Grund davon hat Goethe treffend bezeichnet, wenn er (d. d. 11. September 1797 von Tübingen aus) über ihn an seinen Herzog schreibt: „Dannecker ist als Künstler und Mensch eine herrliche Natur und würde in einem reicheren Kunstelemente noch mehr leisten als hier, wo er zuviel aus sich selbst nehmen muß.“ Eine im J. 1818 für das Grabmal des Prinzen von Oldenburg ausgeführte sitzende Marmorstatue, welche eine klagende Ceres darstellen soll, reiht sich den früheren Werken schon nicht mehr ganz ebenbürtig an. Die beiden Christusstatuen aber, von denen die eine, vom Jahre 1824, nach St. Petersburg, die andere, vom J. 1831, in die fürstlich Thurn- und Taxis’sche Familiengruft zu Regensburg kam (das Modell der letzteren steht in der Hospitalkirche zu Stuttgart), diese freilich einst gleichfalls vielgefeierten, aber doch auch von Zeitgenossen schon stark angezweifelten Werke wird jetzt kaum mehr jemand gegen den Tadel der Schwächlichkeit und Verquältheit schützen wollen. Ebenso wenig vermag man sich mit der im J. 1823 vollendeten knieenden weiblichen Marmorfigur des im Gebete durch Liebe und Hoffnung siegenden Glaubens zu befreunden, welche für das Grabmal der beiden Gemahlinnen des Großherzogs von Oldenburg bestellt wurde. Der im J. 1826 in der Gruftcapelle auf dem Rothenberg bei Stuttgart aufgestellte marmorne Johannes darf, wie die Christusstatuen, nur mit den entsprechenden Thorwaldsen’schen Statuen verglichen werden, um die künstlerische Schwäche dieser nüchternen dogmatisch-diplomatischen Figuren recht unzweifelhaft empfinden zu lassen. Die bis zu visionären Traumerscheinungen gesteigerte Schaffensqual, welche diese religiösen Werke dem Meister bereiteten, griff seine Gesundheit so an, daß er im J. 1829 gefährlich krank wurde, sich zwar wieder erholte, aber in dem letzten Jahrzehnte seines Lebens allmählich das Gedächtniß, die Kenntniß seiner Umgebung und die Erinnerung an seine eigenen Schöpfungen verlor. Doch genoß er bis an sein Ende eine hohe Verehrung in seiner Vaterstadt und von der Hand seiner zweiten Gattin, Friederike, geb. Kolb, welche an die Stelle von Rapp’s im J. 1823 verstorbener Schwester getreten war, die treueste Pflege.

Von seinen Schülern machten ihm besondere Ehre: L. Mack, K. Weitbrecht, K. H. Schweickle, J. N. Zwerger, H. M. Imhoff und der noch lebende Th. Wagner. Eine treffliche Büste von D., sein eigenes Werk, wird im Stuttgarter Kunstmuseum aufbewahrt, ebendaselbst zwei Oelporträts von Schick und Leybold; in Medaillonform haben ihn abgebildet K. Weitbrecht und der französische Bildhauer David von Angers, welcher ihn, wie auch einmal Thorwaldsen und andere berühmte Kunstgenossen, in Stuttgart aufsuchte.

Würtemb. Taschenbuch auf das Jahr 1806. Ludwigsburg; Dannecker’s Werke in einer Auswahl. Mit einem Lebensabriß des Meisters, herausgegeben von C. Grüneisen und Th. Wagner. Hamburg. O. J.; Nekrolog in der Schwäb. Chronik vom 28. u. 29. Dec. 1841; Cotta’sches Kunstblatt von 1842. Nr. 1 u. 2.