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ADB:Calinich, Hermann Julius Robert

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Artikel „Calinich, Hermann Julius Robert“ von Carl Bertheau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 422–424, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Calinich,_Hermann_Julius_Robert&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:47 Uhr UTC)
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Calinich: Hermann Julius Robert C., lutherischer Geistlicher und theologischer Schriftsteller, wurde am 28. Januar 1834 zu Niederfriedersdorf bei Neusalza im Königreich Sachsen geboren, wo sein Vater herrschaftlicher Oekonomieverwalter war. Von Ostern 1847 an besuchte er das Gymnasium in Zittau, woselbst er Ostern 1855 das Maturitätsexamen „sehr gut“ bestand. Er studirte nun zu Leipzig Theologie und Philologie, machte im Juli und August 1858 das erste theologische Examen und nahm eine Hauslehrerstelle beim Baron v. Haugk an. Mit diesem verlebte er im Winter 1858 auf 1859 einige Monate in Algier, wo er gelegentlich auch den Pastor Dürr auf der Kanzel vertrat. Nach Leipzig zurückgekehrt ward er im Juli 1859 Lehrer an der Selectenclasse an der Bürgerschule zu Zschopau und im J. 1860 dreizehnter Gymnasiallehrer an der Kreuzschule zu Dresden. Am 8. October 1860 beendete er das zweite theologische Examen. An der Kreuzschule war er bis in die 11. Stelle gerückt, als er im April 1863 zum Diakonus zu St. Jacobi in Chemnitz berufen ward. Am 5. Juli 1863, noch ehe er dieses Amt angetreten hatte, verheirathete er sich mit Johanna Sachsse. Am 19. Juli 1869 ward er vom Rath in Chemnitz zum Pastor zu St. Johannis daselbst berufen. Nur kurze Zeit verblieb er in dieser Stellung; schon am 6. Februar 1872 ward er zum Hauptpastor zu St. Jacobi in Hamburg gewählt. Er trat dieses neue Amt im Mai an und ist in ihm bis zu seinem Tode verblieben. Als C. nach Hamburg kam, hatte er sich auch schon durch wissenschaftliche Arbeiten bekannt gemacht. Schon als Gymnasiallehrer hatte er das Werk „Luther und die Augsburger Confession“ (Leipzig 1861, gekrönte Preisschrift) erscheinen lassen; er wies in dieser Schrift nach, daß die Augsburger Confession nicht, wie Rückert und Heppe meinten, ein Werk Melanchthon’s sei, in welchem dieser sich in einem Gegensatz zu Luther’s Ansichten befinde, sondern daß die Marburger und die Schwabacher Artikel, die von Luther stammten, die Grundlage der Augsburger Confession seien. Mit dem Kampfe des Melanchthonismus gegen das echte Lutherthum und den hiermit zusammenhängenden Streitigkeiten haben es dann seine weiteren Schriften zu thun. Er ließ erscheinen: „Kampf und Untergang des Melanchthonismus in Kursachsen in den Jahre 1570 bis 1574 und die Schicksale seiner vornehmsten Häupter“ (1866), „Wie Sachsen orthodox lutherisch wurde“ (1866), „Zwei sächsische Kanzler“ (1868), „Der Papst und das ökumenische Concil. Ein Fürstenprotest aus der Zeit der Reformation“ (1868) und „Der Naumburger Fürstentag 1561. Ein Beitrag zur Geschichte des Lutherthums und des Melanchthonismus“ (1870). In Chemnitz gehörte C. zum Protestantenverein; als dieser aber sich immer entschiedener mit der äußersten kirchlichen Linken identificirte, fühlte C., der immer an dem positiven lutherischen Bekenntniß festhielt, sich von ihm abgestoßen, und so trat er denn nach seiner Versetzung nach Hamburg aus ihm aus. Ein Theil der Mitglieder des Kirchenvorstandes, der ihn gewählt hatte, nahm ihm das sehr übel; sie hatten gehofft, einen entschieden liberalen Geistlichen in ihm gewonnen zu haben. Mit Unrecht aber warfen sie ihm vor, daß er seine Stellung zu den kirchlichen Parteien [423] geändert habe. Durch seine einfache, ernste evangelische Predigt gelang es ihm, die Gemeinde Gustav Baur’s (s. A. D. B. XLVII, 266), dessen Nachfolger er in Hamburg war, auch um seine Kanzel zu sammeln, wie er denn auch in den kirchlichen Kreisen Hamburgs bald allgemein Vertrauen fand. Die Art seiner Predigt ist am besten zu erkennen aus dem Jahrgang Predigten, den er unter dem Titel „Der alte Glaube“ (Hamburg 1877) herausgab. Aus dem Gebiete seiner früheren Studien veröffentlichte er in Hamburg noch eine Festschrift, die er aus Anlaß des Amtsjubiläums eines Collegen im Namen des Ministeriums (der lutherischen Stadtgeistlichkeit) herausgab „De conventu anno 1574 Torgae habito deque articulis ibi propositis“ (1873) und sodann außer einigen kleineren Artikeln im Hamb. illustrirten Almanach von 1874 und 1876 die Schrift „Aus dem sechzehnten Jahrhundert. Culturhistorische Studien“ (1876). In diesem letzteren Werke werden die Schattenseiten des kirchlichen Lebens jener Zeit wol etwas zu sehr hervorgehoben. Als C. nach Hamburg kam, waren hier die kirchlichen Verhältnisse kürzlich neu geordnet; an den zur Einführung und Durchführung der neuen Kirchenverfassung nothwendigen Arbeiten nahm er lebhaften Antheil; sie veranlaßten ihn auch zu einigen Veröffentlichungen. Von der Redaction der „Leuchte“, einer kirchlichen Zeitschrift, die er zuletzt mit Sulze zusammen geführt hatte, trat er nach einigen Jahren zurück. Als Mitglied des Kirchenraths in Hamburg ward er mit der Vertretung Hamburgs auf der Eisenacher Conferenz betraut. Als die Conferenz am 2. Juni 1880 den Beschluß faßte, eine Commission mit der Vorlage eines einheitlichen, correcten und den Forderungen der Gegenwart entsprechenden Textes des kleinen Katechismus Luther’s zu beauftragen, ward C. Mitglied dieser Commission, welcher außer ihm Oberconsistorialrath v. d. Goltz aus Berlin und nach dem Tode des Abtes Ernesti aus Wolfenbüttel der Geheime Kirchenrath Hesse aus Weimar angehörten. Die Commission hielt ihre Sitzungen in Hamburg bei C.; letzterer erhielt den Auftrag, das Resultat ihrer Berathungen mit den Motiven für die Conferenz zusammenzustellen. Er ließ in Folge dessen drucken: „D. Martin Luthers kleiner Katechismus. Revidirter Text. Im Auftrage der Katechismus-Kommission der Deutschen evangelischen Kirchen-Konferenz herausgegeben. Als Manuscript gedruckt. 1882“. Die Conferenz unterzog sodann im Juni 1882 die Vorlage ihrer Commission wieder einer eingehenden Berathung und beschloß, die aus dieser Berathung hervorgegangene Textgestalt durch den Druck veröffentlichen zu lassen, die Urtheile der Kirchenregierungen über sie zu erbitten und auch von anderweitiger Kritik Kenntniß zu nehmen, um sodann auf der nächstfolgenden Conferenz (d. h. im J. 1884) über die von ihr den Kirchenregierungen zu empfehlende Textgestalt Beschluß zu fassen. C. aber, der in Eisenach als Referent fungirt hatte, erhielt den Auftrag, das von ihm gelieferte bisher nur als Manuscript gedruckte Referat als Commentar zu dem von der Commission vorgelegten, von der Conferenz hie und da modificirten Texte durch den Buchhandel weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Infolge hiervon gab er heraus: „D. Martin Luthers kleiner Katechismus. Beitrag zur Textrevision desselben. In Veranlassung der Deutschen evangelischen Kirchen-Konferenz zu Eisenach herausgegeben“ (Leipzig 1882). Als der Druck dieses Werkes eben begonnen hatte, mußte er von einem schlimmen Leiden auswärts Heilung suchen. Er hatte seine erste Frau am 25. September 1875 verloren und war seit dem 11. Juni 1878 in zweiter Ehe verheirathet mit Emmy Feddersen. Mit dieser seiner treuen Pflegerin war er mehrere Monate in Davos und leitete von hier aus den Druck des genannten Werkes. Als sein Leiden immer schlimmer wurde, trat seine Frau mit ihm den Rückweg [424] nach Hamburg an; aber sie kamen nur bis Wiesbaden. Hier starb er am 13. Januar 1883, noch nicht voll 49 Jahre alt. – Die Kirchenconferenz hat dann am 13. Juni 1884 in dem von ihr im J. 1882 angenommenen Textentwurf der fünf Hauptstücke des kleinen Katechismus nur noch zehn ganz geringe Aenderungen vorgenommen und ihn dann in dieser Gestalt den deutschen Kirchenregierungen zu allgemeiner Einführung in Kirche und Schule empfohlen. Es bleibt Calinich’s Verdienst, die Aufstellung dieser einheitlichen Textgestalt wie kein anderer durch seine Arbeit vorbereitet und gefördert zu haben. – C. war Doctor der Philosophie und der Theologie; auch die letztere Würde erwarb er in Leipzig rite auf seinen Antrag. Aus erster Ehe überleben ihn drei Kinder, ein Sohn und zwei Töchter. Der Sohn, Robert Johannes, geboren am 11. November 1866, ist Realschullehrer in Oschatz.