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ADB:Brinckmann, Johann Peter

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Artikel „Brinckmann, Johann Peter“ von Karl Sudhoff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 234–236, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Brinckmann,_Johann_Peter&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:34 Uhr UTC)
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Brinckmann: Johann Peter B., wurde am 13. Juni 1746 zu Orsoy im Clevischen (Kr. Mörs) als Sohn eines evangelischen Pfarrers gleichen Vornamens geboren. Er studirte Medicin in Duisburg, Göttingen und Leiden, besuchte auch Straßburg und hielt sich mit zwanzig Jahren einige Monate in Paris auf, um Vorlesungen und Spitäler zu besuchen. Als seinen Lehrer nennt er mit Auszeichnung Joh. Gottlob Leidenfrost in Duisburg, Hieron. David Gaub in Leiden, Antoine Petit und André Levret in Paris. Am 26. April 1765 erlangte er in Leiden den Doctorhut mit einer umfangreichen Dissertation „De Alumine“. Er ließ sich sodann, nach kurzer Praxis in Cleve, in Düsseldorf als Arzt nieder, wo er 1772 seinen „Beweis der Möglichkeit, daß einige Leute lebendig können begraben werden, nebst der Anzeige, wie man dergleichen Vorfälle verhüten könne“ herausgab (12 Bl. u. 232 S.), worin er zum ersten Male die intravenöse Injection von lauwarmem Wasser bei Verblutung empfiehlt. Mit dieser Veröffentlichung, die großes Aufsehen machte, mehrfach aufgelegt und ins Holländische übersetzt wurde, betrat er sofort das Gebiet der öffentlichen Medicin, dem weiterhin seine Arbeitskraft hauptsächlich gewidmet war. Kaum 30jährig wurde er mit der Abfassung einer Medicinalordnung für Jülich-Berg betraut, die am 8. Juni 1773 erlassen wurde und im Druck ohne seinen Namen erschien (22 Bl., Fol.), eine wohldurchdachte Arbeit. B. wurde nun zum „Gülich- und Bergischen Hofrath“ ernannt und bald auch ins Medicinalcollegium berufen.

In den nächsten Jahren beschäftigten ihn vornehmlich die Gährungserscheinungen, die er in süße, saure, fade und faule, in vegetabilische und animalische Gährungen schied, den letzteren auch die krankhaften Gährungen zurechnend, deren Fermente man vielfach durch Inoculation übertragen könne (Blattern, Krätze, Masern, Syphilis, Pest). Seine theoretischen und praktischen Studien und Ergebnisse hat er in zwei Schriften niedergelegt: „Beyträge zu einer neuen Theorie der Gährungen“ (8 Bl. u. 176 S.) und „Brief über die Wirkung des Blattereiters bey der Inoculation“ (3 Bl. u. 112 S.), beide 1774 in Düsseldorf, Cleve und Leipzig bei Baerstecher erschienen und 1789 neu wieder aufgelegt. Auch diese Schriften fanden vielseitigen Beifall. In begeisterten Worten schrieb der Elberfelder Freund Jung-Stilling: „sie machen es licht vor meinen Füßen“. Die naturforschende Gesellschaft zu Berlin erwählte ihn zu ihrem Mitgliede und bald wurde er zum Director des Jülich-Bergischen Medicinalrathes ernannt, in welcher Stellung er unverdrossen weiterarbeitete an der Verbesserung des Medicinalwesens. Im J. 1776 sehen wir ihn mit dem Gedanken der Gründung eines Krankenhauses in Düsseldorf beschäftigt und dieserhalb mit dem erfahrenen Nationalökonomen Justus Möser in Briefwechsel treten. Seine reformatorischen Gedanken auf dem Gebiete der [235] öffentlichen Gesundheitspflege legte er des weiteren dar in den „Patriotischen Vorschlägen zur Verbesserung der Medicinal-Anstalten hauptsächlich der Wundarznei und Hebammenkunst auf dem platten Lande“ (Düsseldorf 1778, 60 u. 38 S.) und in den „Patriotischen Vorschlägen zur Verbesserung der chirurgischen Anstalten und Verhütung des Einreissens der Epidemien bei den Armeen“ (Düsseldorf 1780, VIII u. 52 S.), welch letztere Schrift 1784 und 1790 Neuauflagen erlebte. Auch an Kleinstes legte er als erfahrener Praktiker die bessernde Hand, wie seine in Düsseldorf 1781 und 1791 erschienene und 1783 in Frankfurt nachgedruckte „Anweisung für Aerzte und Wundärzte, um bei gerichtlichen Untersuchungen, volständige Visa reperta zu liefern“ darthut. Auch anderweitig war er der Beförderung des wissenschaftlichen Fortschritts beflissen. So berichtete er über eine damals in Aufnahme gekommene Operation, die Durchtrennung der Symphyse bei Kreissenden wegen Beckenenge an der Hand einer derartigen in seiner Gegenwart von dem Stabschirurgus Bernhard Guerard vollzogenen Operation in einer kleinen Schrift (Düsseldorf 1778, 24 S.), seine Beobachtungen und Erwägungen nüchtern darlegend, ohne in den später hierüber entfesselten Federstreit zwischen Guerard und Lukas Boogers weiter einzugreifen. Eine Anzahl kleinerer Abhandlungen in Zeitschriften über den Nutzen des Harzes der Wachholderstaude, über Erdasseln und über die Ruhr aus dem Jahre 1781 und eine „Nachricht ans Publicum wegen der an verschiedenen Orten sich zeigenden rothen Ruhr“ vom 24. August 1782 seien nebenbei erwähnt.

Eine andere Veröffentlichung hat ihn in schwere, jahrelange innere und äußere Kämpfe gestürzt. Um seinen „durch Traurigkeit ganz zerrütteten Geist“ nach dem Verlust seines einzigen Sohnes „durch ungewohnte Beschäftigung von dem Vorwurfe seines Schmerzes abzuziehen“, hatte er sich daran gemacht, seine Gedanken über religiöse Fragen zusammenzufassen, die ihn lange Jahre innerlich beschäftigt hatten. Ohne seinen Namen zu nennen gab er die „Philosophischen Betrachtungen eines Christen über Toleranz in Religion, zur Grundlage der Vereinigung sämmtlicher christlicher Religionen“ 1780 heraus. Doch das Geheimniß der Autorschaft ward schlecht gewahrt und die freimüthige Darlegung seiner rationalistisch gefärbten religiösen Anschauungen gab den zahlreichen Feinden, die er sich bei der Düsseldorfer Regierung durch rücksichtsloses Aufdecken medicinalpolizeilicher Mißstände und sein beständiges Hindrängen auf deren Abstellung zugezogen hatte, willkommene Gelegenheit, sich seiner zu entledigen; confessionelle Gegensätze trugen das Ihre zur Verschärfung des Conflictes bei. Das Schriftchen wurde confiscirt und die Absetzung des Medicinaldirectors B. beantragt. Von April 1781 bis Februar 1782 dauerte die Disciplinaruntersuchung; sie verlief aber endlich im Sande, da die von verschiedenen protestantischen Facultäten und der Duisburger Synode eingeforderten Gutachten vorwiegend zu seinen Gunsten ausfielen. Doch dem derart Angegriffenen und in eine lange Untersuchung Verwickelten war der Aufenthalt in Düsseldorf verleidet, wie ungern ihn viele dort auch scheiden sahen, namentlich im Jacobi’schen Hause zu Pempelfort, mit dem ihn innige Freundschaft verband, der noch lange nach Brinckmann’s Tode die Vermählung seiner einzigen Tochter Luise mit dem bedeutendsten Sohne Fritz Heinrich’s, dem Regierungsrath Georg Arnold Jacobi, das Siegel aufdrückte.

Schon im J. 1783 begannen Verhandlungen über Brinckmann’s Berufung als Leibarzt der Kaiserin an den Hof zu St. Petersburg; sie kamen aber erst 1784 zum Abschluß. Zu Anfang des Jahres 1785 schied er von Düsseldorf und brach, nach kurzer Rast in Hamburg, mit Frau und Töchterlein im April zur Reise nach Rußland auf. Kaum an der Stelle seines neuen Wirkens [236] angekommen, ereilte ihn in Petersburg der Tod am 26. Juni 1785, in der Blüthe seiner Jahre.

Noch in den letzten unruhigen Jahren seines Lebens sehen wir ihn eifrig schriftstellerisch thätig. Es gelang ihm noch, sein größtes Werk zum Abschluß zu bringen, die „Vergleichung der Erziehung der Alten mit der heutigen, und Untersuchung welche von beiden mit der Natur am meisten übereinstimme“. Das Buch ist, fast 600 Seiten stark, im J. 1784 zu „Deßau und Leipzig, in der Buchhandlung der Gelerten“ erschienen und von den beiden kühnen Neuerern auf dem Gebiete der Pädagogik, Basedow und Campe, mit freudigem Beifall begrüßt worden. Campe trug B. sofort die Mitarbeiterschaft an seinem großen pädagogischen Sammelwerke an, das damals gerade in Vorbereitung war. Als leitenden Grundsatz bei der Erziehung stellte B. in seinem Werke „die zu erreichende möglichste Glückseligkeit des Zöglings“ auf, die Beförderung der Natur „in glücklicher und möglichster Entwicklung der gesamten Kräfte“. Allenthalben offenbart sich der denkende Arzt, der neben vielem andern die große Bedeutung der lange fast vergessenen Gymnastik eingehend hervorhebt und neben ihr auch der Massage als Heilmittel und oft als Ersatz der activen Bewegungen energisch das Wort redet – hier wie in vielen andern Dingen seiner Zeit um Jahrzehnte in der Erkenntniß vorauseilend.