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ADB:Breitinger, Johann Jakob (Ästhetiker)

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Artikel „Breitinger, Joh. Jakob“ von Johann Kaspar Mörikofer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 295, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Breitinger,_Johann_Jakob_(%C3%84sthetiker)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:30 Uhr UTC)
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Breitinger: Joh. Jakob B., geb. 1701, † 15. Decbr. 1774[1], ist mit Bodmer in der Geschichte der deutschen Litteratur unauflöslich verbunden. Die Erscheinung kommt auf litterarischem Gebiete kaum zum zweiten Male vor, daß der feinere, scharfsinnigere und gründlichere Arbeiter seinem Mitgenossen in solchem Grade sich bei- und unterordnet, daß er sein Leben lang dessen Anregungen und Aufgaben folgt und die mitgetheilten Ideen mit einer Freiheit und Eigenthümlichkeit, mit einem Gedankenreichthum und einer durchgebildeten Organisation ausführt, wie es der Anregende nicht vermocht hätte. Das aber ist das Verhältniß zwischen B. und Bodmer. Der Erstere, ursprünglich Theologe, war ein gründlich gebildeter Philologe und daher Professor der griechischen Sprache in Zürich. Als solcher besorgte er unter anderem eine vortreffliche kritische Ausgabe der Septuaginta (1730–32). Die Bekanntschaft seines Namens beruht jedoch auf seinen mit Bodmer vereinten Bemühungen für die deutsche Litteratur, welche, mit den „Discursen der Maler“ beginnend, dann unausgesetzt lebenslang fortdauerte. Beide vereint gaben im Fragment: „Vom Einfluß und Gebrauche der Einbildungskraft zur Ausbesserung des Geschmacks“ (1727) den ersten Versuch einer Theorie der schönen Künste, auf die Seelenlehre gegründet, den Werth der Einbildungskraft in der Poesie nachweisend, während Gottsched meinte, diese bestehe wesentlich in einer Verstandesoperation. Das Hauptwerk der Züricher ist Breitinger’s „Kritische Dichtkunst“ (1740), eine nach philosophischen Grundsätzen durchgeführte Aesthetik, worin sich der Verfasser die Ansichten der Alten und der Neuen über die Poesie gründlich zu eigen gemacht. Der erste Theil handelt vom Wesen der Poesie, indem namentlich Poesie und Malerei mit einander verglichen werden und der Phantasie ihr Recht widerfährt. Besonders werthvoll ist die Auseinandersetzung über Epos und Fabel. Im zweiten Theil wird die poetische Sprache erörtert, mit Hervorhebung der von Gottsched verbannten „Machtwörter“. Bei aller Mangelhaftigkeit und Schwerfälligkeit von Breitinger’s Arbeit enthielt dieselbe doch das Ergebniß der Einsicht und Gelehrsamkeit seiner Zeit über Dichtkunst und Aesthetik, und blieb in Geltung, bis Lessing neue Bahnen brach. Der endliche Sieg der Schweizer beruhte nicht nur auf ihrer gründlichen Einsicht, sondern auch auf ihrem gesunden und freien Blick ins Leben; denn Kleist nennt auch Breitingern einen „Weltmann und Erz-Politikus“, der demnach auch den Takt hatte, sich von Bodmer’s Klopffechtereien fern zu halten. Dagegen stand er ihm in Herausgabe der ältern deutschen Dichtungen geschickt zur Seite: daher sich Boner’s Fabeln durch Breitinger’s fleißige Bearbeitung vor den übrigen Stücken auszeichnen. – Ueber B. s. Jördens, Manso, Gervinus und meine Schweiz. Litteratur d. 18. Jahrh.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 295. Z. 15 v. o.: Breitinger starb am 13. December 1776 (nicht 15. December 1774). [Bd. 13, S. 792]