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ADB:Bonnet, Louis

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Artikel „Bonnet, Louis“ von Hermann Dechent in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 109–110, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bonnet,_Louis&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:53 Uhr UTC)
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Bonnet: Jean Louis B., reformirter Theologe, geboren am 9. Januar 1805 im Dorfe Dullit bei Rolle im Waadtlande, † als Pfarrer und Consistorialrath a. D. am 15. März 1892 zu Montpellier. Die Eltern, einfache Landleute, siedelten bald nach seiner Geburt nach Satigny bei Genf über, wo Pfarrer Gaussen, ein Vertreter der „Erweckung“ (Réveil), ihm nach dem Tode seines leiblichen Vaters ein geistlicher Vater wurde. Schon im siebzehnten Lebensjahre kam B., wie er selbst einmal gesagt hat, zur „Entscheidung gegen die Welt und für den Herrn“, wenn er auch nicht, wie Andere, ein bestimmtes Datum seiner Bekehrung angeben konnte. Dadurch regte sich in ihm das Verlangen sich dem Predigtamt zu weihen. Infolge seines außerordentlichen Fleißes wurde er von Gönnern zu weiterer Ausbildung 1822 nach Lausanne geschickt. Hier erlebte er die Verfolgung derjenigen Geistlichen, welche sich der neuen religiösen Bewegung im Waadtlande anschlossen, wodurch der Jüngling nur noch mehr für dieselbe interessirt wurde. 1825 begab er sich nach Basel als Hauslehrer, besuchte aber bald auch die dortige Hochschule. Er empfing viel Anregung durch den berühmten Exegeten de Wette, wenn er auch dessen kirchlichen Standpunkt nicht theilte. Er wurde vielmehr in Hinsicht auf seine theologische Richtung besonders beeinflußt durch Blumhardt, den Director des Missionshauses, und Alexander Vinet, der ihm für sein ganzes Leben ein treuer älterer Freund blieb. Im Frühling 1829 bestand er zu Basel die theologische Prüfung und wurde ordinirt. Er wirkte zunächst als Garnisonprediger bei einem in Frankreich stehenden schweizerischen Regimente, dessen wechselnde Schicksale er theilte, bis die Julirevolution dieser Thätigkeit ein Ende bereitete. Er war dann fünf Jahre lang Pfarrer der französischen Kirche in London, wo er durch seine Predigten sich bald einen gefeierten Namen machte. Es erschien in dieser Zeit bereits die erste seiner Predigtsammlungen: „La famille de Béthanie“ (Paris 1833) und „L’homme banni d’Eden“ (Paris 1834). Das erste Buch erlebte im Original, wie in englischer Uebersetzung, zahlreiche Auflagen. Auf Veranlassung von Vinet erhielt B. im J. 1835 einen Ruf an die französisch-reformirte Kirche zu Frankfurt a. Main. Wol war es ein sehr kleiner Kreis, dem er in erster Linie zu dienen hatte; aber um so treuer war er als Seelsorger in dieser sehr lebendigen Gemeinde, in welcher vor ihm Pilet im Sinne der Erweckung gewirkt hatte. Er begnügte sich übrigens nicht mit der Thätigkeit innerhalb seiner Gemeinde, sondern suchte seine reichen Gaben auch auf dem Gebiete der innern Mission zu verwenden. So war er mit unter den Gründern eines Jünglingsvereins, sowie des Diakonissenhauses; ferner nahm er lebhaften Antheil an der [110] Heidenmission und dem Gustav Adolf-Verein. Er stand im wesentlichen auf dem Boden des calvinistischen Bekenntnisses, aber das hielt ihn nicht ab, mit lutherischen Geistlichen und Laien innigsten Verkehr zu pflegen. Sein Glaube hatte sich in mancherlei Prüfungen zu bewähren, die er mit großer Ergebung ertrug. Körperliche Leiden nöthigten den unermüdlichen Mann, der gern noch länger seiner Gemeinde gedient hätte, 1881 das Pfarramt niederzulegen, aber er blieb der Gemeinde noch ein treuer Berather bis zum Jahre 1886, in dem er sein gesegnetes bisheriges Arbeitsfeld verließ. Er siedelte nach Montpellier über, wo sein Sohn, Professor Max B., und sein Schwiegersohn Vallette weilten. Hier starb er, durch das Band der Fürbitte noch immer den ehemaligen Gemeindegliedern verbunden, am 15. März 1892, das Wort Délivrance auf den Lippen. Er war bis zuletzt noch beschäftigt gewesen mit einer neuen Auflage des Werkes, das in theologischer Hinsicht am wichtigsten war, des Commentars zum Neuen Testament. Dieses Buch trug anfangs den Titel: „Traduction libre du nouveau Testament, annoté d’Otto de Gerlach“ (Tome I, Paris 1846. Tome II, Genève, Paris 1852–55). Nur der erste Theil aber war eine Uebersetzung des bekannten volksthümlichen Gerlach’schen Bibelwerks; der zweite trug dagegen bereits einen selbständigen Charakter. Eine dritte Auflage erschien 1892 unter dem Titel: „Le nouveau Testament, de notre Seigneur Jésus-Christ, expliqué au moyen d’introductions, d’analyses et de notes exégétiques“ (Lausanne). Das Werk ist die einzige vollständige erbaulich-populäre Auslegung des Neuen Testamentes in französischer Sprache und besonders durch die darin niedergelegte Fülle christlicher Erfahrung ausgezeichnet. Einmal hat der irenische B. sich doch auch an einer Polemik betheiligt, als er gegen die Briefe von M. Scherer: La Critique et la Foi eine Gegenschrift ausgehen ließ unter dem Titel: „La Parole et la Foi“, Genève, veuve Beroud et S. Guers (Paris 1851). Er stellte der von Scherer betonten Autorität des religiösen Bewußtseins das Ansehen des geschriebenen Worts gegenüber, ohne übrigens die früher von ihm im Sinne des Réveil festgehaltene Wortinspiration mehr zu vertreten.

Das Material dieser Skizze stammt theils aus dem Schriftchen von G. Godet, Louis Bonnet et son Oeuvre. Paris u. Neuchatel 1893, in welchem handschriftliche Aufzeichnungen Bonnet’s benutzt sind, theils aus zahlreichen Nekrologen, die freilich manches Ungenaue enthalten. Die Schrift: Souvenirs du cinquantième anniversaire de l’entrée en fonctions de M. Louis Bonnet (23. Août 1885) ist nicht im Buchhandel erschienen.