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ADB:Bohn, Richard

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Artikel „Bohn, Richard“ von Alexander Conze in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 81–84, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bohn,_Richard&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:58 Uhr UTC)
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Bohn: Karl Theodor Richard B., 1849–1898. Zu den besonders hervorstechenden Zügen im Bilde der neueren Entwicklung der classischen Archäologie in Deutschland gehört die Betheiligung an den großen Aufgaben der Untersuchtung ganzer antiker Oertlichkeiten mit Hülfe der Ausgrabung. Unter den Männern, welche für diese Seite der archäologischen Forschung eintraten, hat der seinen Platz, dessen Gedächtnisse diese Zeilen gewidmet sind.

B. war für seine Leistungen von Haus aus und durch einen sorgfältigen Studiengang gründlich vorbereitet. Er wurde geboren zu Berlin am 29. Dezember 1849 als Sohn des Landschafts- und Porträtmalers Heinrich B., eines Schlesiers von Geburt, an dessen Schaffen dem Kinde von früh auf künstlerische Neigungen erwuchsen. Der Vater gewährte ihm dann die gelehrte Vorbildung durch den Besuch des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums zu Berlin, dem B. vom Jahre 1858 an als Schüler angehörte, bis er es, namentlich merklich gefördert durch den Unterricht Professor Schellbach’s, im J. 1867 mit dem Zeugnisse der Reife verließ, um sich, seiner hervorgetretenen Befähigung für Mathematik und Zeichnen entsprechend, zum Architekten auszubilden. Nach einem Jahre der Uebung als Baueleve bei Professor Adler, dem er auch später noch nachhaltige Förderung und die Richtung auf das Studium der Antike verdankte, bezog B. die königliche Bauakademie in Berlin, bestand im J. 1871 die Bauführerprüfung mit Auszeichnung, war dann als Hülfsarbeiter im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, auch beim Bau des Siegesdenkmals in Berlin und unter Stadtbaumeister Blankenstein als Zeichner und technischer Leiter beim Umbau des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums beschäftigt, und bestand nach abermaligem Studium auf der Bauakademie im J. 1877 die Baumeisterprüfung für das Hochbaufach. In seine Studienzeit fiel noch die Erfüllung der einjährigen Dienstpflicht beim Kaiser Franz-Gardegrenadierregiment, welcher nach Ableistung der vorgeschriebenen Uebungen am 15. September 1877 die Ertheilung des königlichen Patents als Secondlieutenant der Reserve des ersten brandenburgischen Leib-Grenadierregiments Nr. 8 und später, am 16. Juli 1887 die Beförderung zum Premierlieutenant folgte.

Im Herbst 1877 that B. den ersten Schritt auf das Gebiet der Studien antiker Architektur an den Monumenten selbst, indem er für die Ausgrabung der Altis von Olympia unter Oberleitung Friedrich Adler’s als technischer [82] Leiter der Arbeiten an Ort und Stelle engagirt wurde. Das hiermit begonnene Jahrzehnt sah den energischen und pflichttreuen Mann, bald in der Vollkraft der dreißiger Lebensjahre, immer weiter auf gleicher Bahn fortschreiten. Auf ein Jahr in Olympia folgte eine Studienreise nach Frankreich und Italien, und dann die Inangriffnahme der ersten größeren selbständigen Arbeit in Erforschung der antiken Architektur. Mit den Mitteln der Louis Boissonnet-Stiftung erhielt B. den Auftrag der Aufmessung und Darstellung der Propylaeen in Athen. Im Mai 1879 war er glücklich Hand ans Werk legen zu dürfen. Der Herbst brachte eine Unterbrechung, die zu noch Größerem rief. Es ist mir unvergeßlich, wie ich B. vor den Propylaeen, es war am 16. Juni, die Aufforderung überbringen konnte, zur Aufnahme und Bearbeitung der Architekturfunde bei den inzwischen eröffneten Ausgrabungen in Pergamon einzutreten. Mit voller Lust folgte er diesem Rufe, der es ihm offen ließ, in den Pausen der Pergamenischen Arbeit die begonnene Aufgabe in Athen durchzuführen, als deren Abschluß das Werk: „Die Propylaeen der Akropolis von Athen, aufgenommen und dargestellt von Richard Bohn“ (Berlin und Stuttgart 1882) erschien. B. stand damit in der Reihe der anerkannten Forscher auf diesem Studiengebiete.

Es war die Zeit der Hochfluth der Pergamenischen Funde, als B. zu Anfang September 1879 in der Attalidenstadt eintraf. Humann war vollauf beschäftigt mit dem Bergen und Versenden der bisher zu Tage geförderten Marmormassen, deren Erwerb soeben für die königlichen Museen in Berlin gesichert war. Aber nicht allein auf das Finden und die Bereicherung der Museen war die Aufgabe gestellt. Man wollte verstehen und im großen Zusammenhange verstehen, wozu vor allen Dingen die volle Berücksichtigung der Architektur, der eigentlichen Hauptglieder des Körpers der alten Königsstadt gehörte. Hierfür trat in der Person Richard Bohn’s die richtige Kraft an Humann’s Seite. Die Hauptaufmerksamkeit richtete sich damals zunächst auf den Ausgangspunkt der Unternehmungen, den großen Altar, zu dem die Entdeckung der Gigantomachie-Reliefs geführt hatte. Hier galt es für B. zuerst anzufassen, und aus dem eingehenden Studium der disjecta membra des Prachtbaus ergab sich ihm die Wiederherstellung, welche im „Ersten vorläufigen Berichte über die Ausgrabungen zu Pergamon“ (Berlin 1880, gesondert erschienen aus dem 1. Bande des Jahrbuchs der kgl. preußischen Kunstsammlungen, S. 37 ff.) kurz dargelegt wurde, und seitdem, von B. selbst noch vervollständigt, die Grundlage der Reconstructionen und auch der Aufstellung im jetzigen Pergamon-Museum geblieben ist. Während neben ihm Hermann Stiller und Otto Raschdorff dem später als Trajanstempel erkannten Bau auf der obersten Berghöhe sich widmeten, fand B. auch noch Zeit das tiefer unten gelegene Gymnasium, soweit es freigelegt war, aufzunehmen und davon in jenem ersten „Vorläufigen Berichte“ (S. 99 ff.) Rechenschaft zu geben. Es war eine glückliche Zeit des Zusammenarbeitens damals in Pergamon. Nie auch in der Folgezeit hat dabei etwas den Einklang unter den Betheiligten gestört. Dieses Glück hat B. voll mitgenossen und voll das Seine dazu beigetragen.

In der ersten Arbeitspause kehrte B. zu seiner Athenischen Arbeit an den Propylaeen zurück, aber schon am Schlusse des Jahres 1880 fand er sich wieder in Pergamon ein, wo die Nachsuchung nach dem aus den Inschriften bekannten, aber seinem Platze und seinen Ueberresten nach unbekannten Athenatempel in vollem Gange war. Bohn’s Sorgfalt und Scharfblick, um nur diesen Haupterfolg seiner Arbeiten in der damaligen zweiten Campagne zu erwähnen, ließen ihn das Fundament des Tempels erkennen, und nach und nach bei fortgesetzter Aufräumung trat der ganze Bau und der ihn umgebende Bezirk ans helle Licht. Im zweiten „Vorläufigen Berichte“ ist hiervon Rechenschaft gegeben, eine vorläufige [83] Mittheilung erfolgte in den Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften, die minutiös durchgeführte Aufnahme und reconstruirende Darstellung des Athenaheiligthums lieferte B. aber abschließend in dem zuerst erschienenen 2. Bande der „Alterthümer von Pergamon“ (Berlin 1885). Als die Arbeiten in Pergamon im J. 1881 zum zweiten Male pausirten, wandte sich B. zur Vollendung der Proylaeenpublication, war dann in Berlin an der Behandlung der architektonischen Fundstücke aus P. betheiligt, und ließ als einen Seitentrieb der Pergamenischen Studien 1882 in der „Zeitschrift für Bauwesen“ die Abhandlung über die Stoa Attalos’ II. in Athen erscheinen. Erst das Jahr 1883 rief ihn wieder ins Feld. Da Humann durch die Expedition nach dem Nimrud-Dag abgerufen wurde, leitete B., unterstützt von Ernst Fabricius, in den Sommermonaten die Arbeit in Pergamon allein, bis im August Humann zurückkehrte. Diese dritte Campagne dauerte nahezu drei Jahre. Immer mehr konnte bedacht werden Alles in Angriff genommene möglichst voll wissenschaftlich zu erledigen, wofür wechselnde Hülfskräfte mit eintraten. B. fand vollauf zu thun bei der Entdeckung des Marktplatzes, der Theaterterrasse, der „Paläste“, griff auch in die Umgebung der Stadt hinaus bis nach Aigai, welches er mit Carl Schuchhardt aufnahm, und nach einer andern Nachbarstadt, Perperene nach Schuchhardt, die Fabricius entdeckt hatte und im Vereine mit B. aufnahm (Aegae, herausgegeben im 2. Ergänzungshefte des Jahrbuchs des archäol. Instituts, 1889 und „Eine pergamenische Landstadt“ in den Athenischen Mitth. d. archäol. Instituts 1886, S. 1 ff.). Dazu verfolgte er unermüdlich die oft verschwindend geringen Anhaltspunkte für die Feststellung des alten, mit dem Wachsen und Sinken der Macht sich ausdehnenden und wieder sich zusammenziehenden Stadtumfangs von P. in den Resten und Spuren der verschiedenen Stadtbefestigungsringe, eine Arbeit, die er am Ende des letzten Ausgrabungsjahres in sorgfältiger Verzeichnung zum Abschlusse brachte und auf der jede Verfolgung dieser Untersuchung weiter bauen muß. Auch trug er zu der erst damals klar werdenden Unterscheidung der auf die Berglage beschränkten Altstadt aus der Königszeit und der römischen Neustadt in der Ebene ganz wesentlich durch eindringende Beobachtung der Bauwerke in der Unterstadt bei. Endlich vollendete er mit Benutzung der Aufnahmen aller seiner Mitarbeiter den genauen Plan der Königsstadt. Er berichtete über seine Arbeiten im dritten, auch einzeln erschienenen „Vorläufigen Berichte“ im Jahrbuch der kgl. preußischen Kunstsammlungen 1888, unter Hinzufügung einer restaurirten Ansicht der Hochburg, welche auch dem in Berlin zur Ausstellung gebrachten Pergamon-Panorama der Herren Kips und Koch als Grundlage diente.

Der letzte und längste kleinasiatische Aufenthalt brachte für B. auch die Gründung eines eigenen Hausstandes. Am 10. Februar 1884 verband sich ihm in Smyrna als Braut Olga Schmidt, von deutschen, in der Levante ansässig gewordenen Eltern, und folgte ihm bald als Gattin nach Pergamon in die nach Ortsart mit beglückender Einfachheit hergerichtete Häuslichkeit. Mit dem Ende der Ausgrabungen wurde der durch einen Sohn vermehrte Hausstand nach Berlin verlegt, von wo B. nach etwa einjähriger Hülfsarbeiterschaft im Ministerium der öffentlichen Arbeiten und nach Ernennung zum Bauinspector nach Nienburg an der Weser versetzt wurde. Er übernahm das Directorat der dortigen königl. Baugewerkschule, das er weiter mit dem Directorate der gleichen Schule in Görlitz vertauschte, beides Stellen, welche ihn außer den laufenden Obliegenheiten durch Neueinrichtungen, in Görlitz auch durch den Neubau der Anstalt in Anspruch nahmen. Die Mußezeiten blieben immer der Weiterarbeit an der Herausgabe der Pergamenischen Studien gewidmet.

Dem Bande der „Alterthümer von Pergamon“ über das Athenaheiligthum [84] folgte 1886 der über die Theaterterrasse; aber ein großer Rest der von ihm übernommenen Aufgabe lag noch zur Vollendung vor dem treu aushaltenden Arbeiter: Markt und Altar, die „Paläste“, das Gymnasium neben den anderen römischen Bauten in der Unterstadt warteten der Herausgabe durch ihn, und vor allem sollte er den architektonischen Theil der Gesammttopographie der Stadt für den ersten Band der „Alterthümer“ liefern. Es ist ihm, es ist der Sache nicht vergönnt gewesen, daß er es vollendet hätte. Aber die grundlegenden Vorarbeiten hat er geschaffen, von denen ein kleines Stück in dem Aufsatze über den Tempel des Dionysos auf dem Markte in den Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften 1884/85 erschien. Sein Letztes war die Zeichnung der zwei großen, detallirten Pläne der Königsstadt. Noch bei schweren körperlichen Leiden ist seine Hand nicht müde geworden sie zu vollenden.

Wer hätte gedacht, daß der kräftige Mann, dem man die höchsten Lebensjahre zutraute, uns schon in seinem neunundvierzigsten Lebensjahre verlassen sollte! Im letzten Jahre seiner Arbeit in Pergamon hatte B. bei der Untersuchung der Strebemauern unterhalb der Theaterterrasse einen Fall gethan und sich am Knie verletzt, ohne daß davon zunächst eine bleibende Spur bemerkbar wurde. Mit den Jahren meldete sich aber die verletzte Stelle wieder, und wachsende Behinderung führte im J. 1896 zu einer Operation am Knie, nach der dann wieder Alles im Geleise schien. Im Herbst 1896 kehrte er sogar noch einmal auf Wochen zur Controle seiner Publicationsarbeiten nach Pergamon zurück, was namentlich den erwähnten Studien der Befestigungen zu Gute kam. Nach der Rückkehr vollendete sich aber das Unheil schnell. Es meldeten sich wieder die Krankheitserscheinungen am Knie, im Januar 1897 wurde die Amputation des Beins für unvermeidlich erklärt und ausgeführt. Tapfer hat der Leidende Alles ertragen. Auf Krücken und mit einem künstlichen Beine lag er wieder den Aufgaben seines Görlitzer Amtes ob und förderte die zeichnerisch-wissenschaftliche Arbeit. Das Sarkom hatte aber nur local gehemmt werden können, es trat weiterhin wieder auf, und am 22. August 1898 haben sie ihn zu Grabe getragen. Seine Wittwe blieb mit drei Kindern zurück.

Er hat nicht umsonst gelebt. In treu sorgender Liebe den Seinigen ergeben, hat er, wo ihm eine Aufgabe, ein Amt gegeben ward, deren gewissenhaft gewartet. Wenn wir aber danach streben, bei archäologischen Ausgrabungsarbeiten uns nicht auf Gewinn von anziehenden Einzelheiten zu beschränken, sondern vor allem die Grundlage, auf der alles erst seinen richtigen Platz und Zusammenhang gewinnt, die ursprüngliche architektonische Gestaltung, ans Licht zu bringen, so hat dem B., zumal bei den Untersuchungen von Pergamon, unermüdlich zu seinem Rechte verholfen. In dieser Richtung hat er, im technischen Studium gegründet, den Weg in die wissenschaftliche Erkenntniß in festem Ausharren erfolgreich beschritten. Dem hat neben Ehrenzeichen, welche ihm wie von daheim, so aus der Türkei und Griechenland zufielen, und deren er zum Schmucke seiner Uniform sich zu freuen pflegte, die Verleihung des Doctor philosophiae honoris causa von Seiten der Universität Straßburg im December 1886 einen würdigen Ausdruck der Anerkennung gegeben.