Zum Inhalt springen

ADB:Bessels, Emil

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Bessels, Emil“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 479–481, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bessels,_Emil&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 04:47 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Beseler, Wilhelm
Nächster>>>
Besser, Rudolf
Band 46 (1902), S. 479–481 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Emil Bessels in der Wikipedia
Emil Bessels in Wikidata
GND-Nummer 116154632
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|46|479|481|Bessels, Emil|Viktor Hantzsch|ADB:Bessels, Emil}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116154632}}    

Bessels: Emil B., Nordpolfahrer und Naturforscher, ist 1847 in Heidelberg geboren. Nachdem er in Jena und in seiner Vaterstadt Medicin und Naturwissenschaften studirt hatte, beschloß er, sich ganz der Polarforschung zu widmen. 1869 unternahm er auf Anregung Karl Petermann’s gleichzeitig mit den deutschen Nordpolexpeditionen unter Payer und Dorst und den englischen unter Palliser und Lamont auf dem der Firma Rosenthal in Bremen gehörigen Dampfer Albert seine erste Polarfahrt. Er reiste Ende Mai von Bremerhaven ab und beabsichtigte, zunächst ganz Spitzbergen zu umfahren, dann Gillisland zu erforschen, hierauf in der Gegend von Nowaja Semlja eine möglichst hohe Breite zu erreichen, dann die sibirische Küste soweit als möglich zu verfolgen und die dort vorhandenen Mammuthreste zu untersuchen. Jedoch gelang es ihm nicht, diesen groß angelegten Plan völlig durchzuführen. Er fuhr zunächst der norwegischen Küste entlang und hielt sich dann nördlich, erreichte unter 90° 52' ö. L. bei 80° 14' die höchste Breite, mußte aber hier infolge ungünstiger Eisverhältnisse umkehren. Nachdem er einen Monat hindurch an der Westküste Spitzbergens gekreuzt hatte, versuchte er, nach Gillisland oder wenigstens nach den Tausend Inseln vorzudringen. Doch gelang ihm beides nicht. Er dampfte deshalb an der Südgrenze des Packeises weiter nach Osten und kam bis zum Kap Nassau auf Nowaja Semlja. Hier mußte er infolge der vorgeschrittenen Jahreszeit umkehren. Nach 122 Tagen traf er Ende September wieder in Bremerhaven ein. Die Ergebnisse dieser Reise waren zwar keine neuen Landentdeckungen, wol aber werthvolle naturwissenschaftliche Sammlungen, meteorologische Beobachtungsreihen, zahlreiche Tiefenmessungen, eine Menge Zeichnungen und der wichtige Nachweis, daß der Golfstrom in dem Meerestheile zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja deutlich wahrnehmbar sei. Einige Zeit nach seiner Rückkehr wurde B. von der Regierung der Vereinigten Staaten aufgefordert, die wissenschaftliche Leitung der von ihr geplanten Nordpolexpedition zu übernehmen, welche die früheren Forschungen der Amerikaner Henry Grinnell, Elisha Kent Kane und Isaak Hayes erweitern sollte. Am 29. Juni 1871 reiste er auf dem Schiffe Polaris, das unter dem Befehle des Capitäns Charles François Hall stand, von New-York ab. Er fuhr zunächst an der Westküste von Grönland hin, um Schlittenhunde und landeskundige Eskimos aufzunehmen, durchquerte dann die Melville-Bai, ließ Cap Parry und den Murchison-Sund rechts liegen, drang in den Smith-Sund ein, ohne Packeis zu finden, besuchte Port Foulke, wo Hayes, und den Rensselaerhafen, wo Kane überwintert hatte, näherte sich dann der Küste von Grinnell-Land und stieß endlich nördlich vom [480] 79. Grad auf die ersten ausgedehnten Eismassen. Doch gelang es ihm, unterstützt von einer südlichen Meeresströmung, dieselben zu umfahren. Ohne wesentliche Hindernisse zu finden, dampfte er durch den Kennedy-Canal, erblickte Cap Bryan, die Petermannhalbinsel und den Petermannfjord und entdeckte nördlich von diesem ein unbekanntes Land, das zu Ehren des Führers der Expedition Hall-Land genannt wurde. Hier erreichten die Reisenden eine Breite von 82° 26', zu der bisher noch kein Schiff vorgedrungen war. Da aber das Packeis die Weiterfahrt unthunlich erscheinen ließ, suchten sie an der Küste der Polaris-Halbinsel unter 81° 36' n. Br. eine zur Ueberwinterung geeignete Stelle auf, löschten die Ladung, erbauten sich Schneehütten und richteten ein Observatorium ein, in welchem sie meteorologische, astronomische und magnetische Beobachtungen vornahmen. Auch erforschten sie durch größere und kleinere Schlittenfahrten und Wanderungen die Umgegend und trafen alle Vorbereitungen, um im nächsten Frühjahr einen Vorstoß nach dem Pole wagen zu können. Leider fand Hall im October infolge eines Schlaganfalles seinen Tod, und der Beginn der 132 Tage andauernden Polarnacht zwang die Reisenden, ihre Ausflüge einzustellen. Doch setzten sie ihre wissenschaftlichen Arbeiten fast ununterbrochen fort und beobachteten Temperatur, Druck und Feuchtigkeitsgehalt der Luft, Richtung und Geschwindigkeit des Windes, Himmelsbedeckung und Wolkenzug, die Schwankungen der Magnetnadel und die Schwingungen des Pendels, sowie Nordlichter und Meteore. Im Sommer 1872 nahm B. seine Schlittenreisen und Bootfahrten wieder auf, mußte jedoch infolge der wenig günstigen Eisverhältnisse seinen Vorsatz, den Pol zu erreichen, aufgeben. Er trat deshalb am 12. August die Rückreise an und gelangte durch den Kennedy-Canal und durch Kane’s Bassin bis in den Smith-Sund. Hier wurden die Reisenden, als sie sich auf einem Eisfelde in der Nähe ihres Schiffes aufhielten, durch Zerbrechen desselben getrennt. Die eine Abtheilung, aus 19 Personen bestehend, wurde durch eine Meeresströmung sammt ihrer Scholle unaufhaltsam nach Süden getrieben, hatte durch Hunger, Kälte und die Gefahren des arktischen Meeres und der langen Polarnacht unerhörte Leiden auszustehen, gelangte aber trotzdem glücklich bis an die Küste von Labrador und wurde nach 196tägiger Schollenfahrt durch ein Robbenschlägerschiff gerettet. B. war dagegen, nachdem er bei der Zertrümmerung des Eisfeldes den größten Theil seiner Sammlungen und Aufzeichnungen eingebüßt hatte, mit 13 Gefährten glücklich wieder auf die Polaris gelangt. Da dieselbe indeß durch Eispressung schwer beschädigt war und zu sinken drohte, wurde sie auf den Strand gesetzt und verlassen. Die Schiffbrüchigen richteten sich auf der Refuge-Halbinsel zum zweiten Male Winterquartiere ein und nahmen ihre wissenschaftlichen Beobachtungen wieder auf. Als die Polarnacht vergangen war, erbauten sie aus dem Holze des Wracks zwei Boote und ruderten nun längs der grönländischen Küste nach Süden. Bereits nach dreiwöchentlicher Fahrt wurden sie am 23. Juni 1873 in der Melville-Bai von einem schottischen Walfischfänger aufgenommen, der sie nach dem Lancaster-Sund brachte und hier einem anderen schottischen Schiffe übergab, auf dem sie nach Schottland segelten. Von hier aus kehrte B. nach Washington zurück, wo er alsbald die Bearbeitung der wissenschaftlichen Ergebnisse der Polarisexpedition begann. Als Frucht seiner Arbeit erschien 1876 zu Washington zunächst das umfangreiche, eine gewaltige Fülle von Material verwerthende Werk „Scientific results of the United States Arctic Expedition, Steamer Polaris, C. F. Hall commanding. I: Physical observations“, das die hydrographischen, meteorologischen, astronomischen, magnetischen und Pendelbeobachtungen der Expeditionsunternehmer und eine große Chart of the regions of Smith Sound and Baffin Bay showing the tracks and discoveries of the [481] U. S. S. Polaris enthielt. Zwei Jahre später folgte ein deutsches Werk „Die Amerikanische Nordpolexpedition“ (Leipzig 1878), das außer einer ausführlichen Schilderung des Verlaufs der Reise auch einen Ueberblick über die wissenschaftlichen Resultate enthält. Als wichtigstes Ergebniß seiner Untersuchungen bezeichnet B. darin, daß er die Inselnatur Grönlands erwiesen und im Kane-Bassin unter 79½° n. Br. das Zusammentreffen einer von Süden kommenden atlantischen und einer nördlichen Fluthwelle beobachtet habe, die er für eine pacifische hielt, die indessen später als die um Grönland herum wieder nach Süden sich wendende atlantische Fluthwelle erkannt wurde. – 1876 erhielt B. von der Regierung der Vereinigten Staaten wiederum den Auftrag, eine Polarexpedition auszuführen, jedoch verunglückte dieselbe gleich im Anfang, indem das Schiff bei der Insel Vancouver scheiterte und die ganze werthvolle Ausrüstung zu Grunde ging. Seitdem lebte er als Secretär der Smithsonian Institution in Washington. 1881 wollte er abermals eine Polarfahrt antreten, deren Kosten durch private Beiträge gedeckt werden sollten, jedoch kam sie nicht zur Ausführung. 1886 erlebte er das Unglück, daß sein Haus in der Nähe von Washington verbrannte. Sein gesammtes Eigenthum, alle seine Bücher, Manuscripte, Zeichnungen und Sammlungen gingen zu Grunde. Er selbst mußte, um sein Leben zu retten, aus dem 2. Stock herunterspringen, verletzte sich aber und litt seitdem an Schlaflosigkeit und Krämpfen. Um durch einen Wechsel in der Lebensweise Besserung zu finden, kehrte er nach Deutschland zurück, starb aber bereits am 30. März 1888 in Stuttgart am Herzschlag. Er war einer der bedeutendsten Polarforscher aller Zeiten. Außer seinen beiden großen Werken hat er eine Menge Aufsätze in deutschen und ausländischen geographischen und naturwissenschaftlichen Zeitschriften, namentlich in Petermann’s Mittheilungen und in den Reports of the U. S. Naval Institution veröffentlicht.

Annual Report of the Secretary of the Navy on the Operations of the Department for the year 1873. Wash. 1874. – Davis, Narrative of the North Polar Expedition in the U. S. S. Polaris. Wash. 1876. – Deutsche Rundschau f. Geographie u. Statistik 1888, 4, 139. – Internat. Archiv f. Ethnographie 1888, S. 120. – Geogr. Jahrbuch 14, 201.