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ADB:August (Prinz von Preußen)

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Artikel „August, Prinz von Preußen“ von Ernst Graf zur Lippe-Weißenfeld in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 671–674, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:August_(Prinz_von_Preu%C3%9Fen)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:22 Uhr UTC)
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August, Prinz von Preußen – Sohn des am 2. Mai 1813, 82jährig verst. Prinzen Ferdinand und einer Markgräfin von Brandenburg-Schwedt, Enkelin des großen Kurfürsten – ist der 15. in der Reihe der Chefs der brandenburgisch-preußischen Artillerie. Er ward geb. den 19. Sept. 1779, er starb den 19. Juli 1843. Ein Mann mit schöner, reger Geisteskraft, ein ebenso kühner wie ausdauernder Soldat.

24 Jahre alt, ein Grenadierbataillon in Berlin befehligend, läßt sich Prinz A. die taktische Vervollkommnung (Tirailleurdienst) und die humane Behandlung seiner Truppen sehr angelegen sein. Aus des Prinzen erstem Feldzug, 1806, heben wir 3 Momente hervor: 1. Die Ansprache, welche er (unter dem Eindruck der Nachricht vom Heldentod seines älteren und einzigen Bruders, Prinz Ludwig) an seine Grenadiere richtete, anläßlich der Vorlesung des königlichen Aufrufs an das Heer. „Seid gewiß“, sagte er, „daß ich Euch jederzeit den Weg der Ehre und des Ruhms führen werde!“ 2. Am 6. October[1], als aus einem moralisch und physisch geschwächten, von Lebensmitteln entblößten Truppenchaos das Wort „Capitulation“ zu des Prinzen Ohr gelangte, verbat dieser es sich sehr ernstlich, daß in seiner Gegenwart von „so Etwas“ geredet werde. [672] 3. Des Prinzen und eines Infanterie-Heldenhäufleins mustergültiger Widerstand gegen französische Reiterangriffe, am 28. Oct. Eine 1841 auf dem Gefechtsfeld von Schönwerder bei Prenzlau, von Bewohnern jener Gegend errichtete Grantitsäule ehrt diese That. Der Prinz selbst erzählte sie schlicht und kurz in einer Randbemerkung zu v. Tiedemann’s „Taktischen Vorlesungen“ – abgedruckt wortgetreu in C. v. Decker’s „Taktik der drei Waffen“, Berlin 1828, publicirt bei Mittler, Thl. I. Seite 218.

Die absolute Unmöglichkeit, weiter kämpfen zu können, ließ den Prinzen, durch einen Prellschuß verwundet, in Kriegsgefangenschaft gerathen (Nancy, Soissons). König Friedrich Wilhelm III. zeichnete des nach dem Tilsiter Frieden Heimkehrenden „rühmliche Entschlossenheit im Feldzuge“ aus durch Ernennung zum Generalmajor (Cabinetsordre, Königsberg, 8. Aug. 1808) und gleichzeitig zum Befehlshaber der gesammten Artillerie, sowie auch zum Chef des ostpreußischen Artillerieregiments. Freilich mag dieser neue Wirkungskreis unserm Prinzen eine schwere Aufgabe gedünkt haben – er äußert in späteren, eigenhändigen Schriften mehrmals, es sei das Studium der Artillerie ein in gewissen Jahren „behemmtes“ –; indeß des Kriegsherrn Befehl, des Monarchen Vertrauen und Scharnhorst’s kameradschaftliche Unterweisungen hoben alle Bedenken. „Frisch vom Leder ist halb gefochten“; ein gut alt Sprüchlein. Die Artillerie machte bei ihrer Reorganisation unter dem prinzlichen Chef „Riesenschritte“. (S. v. Decker, Gesch. der Geschützkunst, 2. Aufl., 1822.)

Am 1. März 1813 wurde Prinz A. zum commandirenden General der gesammten mobilen Artillerie ernannt. Somit war ihm in der Schlacht bei Groß-Görschen (2. Mai) planmäßig ein Commando über andere Waffen nicht zugetheilt; dennoch leistete der Prinz – weil ihm das Gefechtsterrain zufällig sehr genau bekannt – sehr wichtige Dienste als Truppenführer, kaltblütig und unermüdlich beim Nahegefecht. Es ergab sich ihm hierbei der Anlaß, dem Höchstcommandirenden, Blücher, einzelne Persönlichkeiten in Vorschlag zu bringen für Auszeichnung durch das eiserne Kreuz. Diese „Einzelnen“ sind[2] uns Documente für des Prinzen A. Eifer und Thätigkeit an jenem heißen Tage. Der Prinz ging diesmal unverwundet aus dem Kampf hervor – eine Kartätsch- und eine Gewehrkugel trafen ihn am 14. Oct. 1806 –; jedoch sein Pferd wurde ihm erschossen; dasselbe welches Prinz Ludwig geritten an seinem Todestage, bei Saalfeld. Der König anerkannte durch Ertheilung des eisernen Kreuzes (6. Mai) des Prinzen A. neubewährte persönliche Tapferkeit und dessen Dienstbeflissenheit für Preußens Waffenehre. Dieses königliche Zufriedenheitszeichen ermuthigte den Prinzen zur Wiederholung seiner schon beim Kriegsausbruch verlautbarten Bitte: neben seinem ihn während des Feldzugs nicht genügend beschäftigenden artilleristischen Posten eine anderweite Befehlshaberstelle übernehmen zu dürfen. Der König genehmigte dies am 16. August 1813, und ernannte den Prinzen zum Brigadechef („Divisionär“ nach heutiger Ausdrucksweise) beim II. Armeecorps „v. Kleist“; gleichzeitig erfolgte die Beförderung zum Generallieutenant. Des Prinzen A. Brigade (die 12.) nahm an beiden Schlachttagen bei Dresden, der Reserve angehörig, keinen wesentlichen Antheil; er selbst aber betheiligte sich mit gewohntem Feuereifer an den Localgefechten. Ein besonderer Ehrentag wurde ihm bei Culm. Hier, in kritischem Schlachtenmoment vom Pferde springend, ergriff Prinz A. die Fahne eines schlesischen Bataillons (kgl. 11. Inf.-Regmts.) und drang an dessen Spitze vor, den Feind mit „Hurrah“ durchs Bajonnet zum Weichen bringend. König Friedrich Wilhelm IV. ehrte im J. 1844 das Andenken an diese Leistung, indem er den Schaft jener Fahne zierte durch einen silbernen, sechs Zoll breiten, mit bezüglicher Inschrift versehenen [673] Ring. Ein Portrait des Prinzen A. im großen Berliner Schloß stellt ihn dar, das Siegespanier hochhaltend, fest und wacker.

Während der Schlacht bei Leipzig glänzte wiederum unseres Prinzen Heldenmuth und seine Truppenführer-Begabtheit. Prinz A. eroberte am 18. Oct. 1813 mit dem Degen in der Hand 15 französische Geschütze in Probstheyda. Der König schenkte ihm eins derselben, den Achtpfünder le Drôle, „auf dem Schlachtfeld als Andenken und Belohnung“. Es ist vor des Prinzen Schloß Bellevue, im Berliner sogenannten Thiergarten, aufgestellt worden, ausgestattet mit betreffendem kriegsgeschichtlichem Commentar, und steht auch jetzt noch dort.

1814 leistete der Prinz Hervorragendes bei Bauchamp und Champaubert. Die großen Opfer, welche das Kleist’sche Corps an diesem Gefechtstage gebracht (14. Febr.), veranlaßten, daß Prinz A. fortan zwei Brigaden commandirte. Den 1. April übernahm er, auf königlichen Befehl, „interimistisch“ das Commando des II. (Kleist’schen) Corps. Die Beförderung zum General der Infanterie fand statt „in Anerkennung des rühmlichen Antheils zur Erringung des Friedens“.

Nach Napoleons Rückkehr von Elba eilte der Prinz von Wien aus nach Berlin zu den artilleristischen Rüstungsarbeiten. Der König beauftragte ihn sodann mit Leitung der Festungsbelagerungen. Prinz A. widmete dieser Aufgabe eine unermüdliche Arbeitsamkeit. Oftmals war er im Laufe des Tages 10 bis 14 Stunden zu Pferd und nahm dann noch völlig aufmerksam Vorträge entgegen. Ein methodisch langsamer Festungsangriff widerstrebte dem Temperament des Prinzen; und so geschah es, daß neun Festungen in kaum 2 Monaten erobert wurden. Es erübrigt uns hier nur die Anmerkung, daß der hochenergische Prinz als Kanonier-General ganz ebenso in den Trancheen, wie ehedem im freien Felde, die augenscheinlichste persönliche Gefahr geringschätzte; vor Avesnes wurde dem Prinzen ein Pferd unter dem Leibe getödtet. Ausführliches „über den Belagerungskrieg 1815“ hat F. v. Ciriacy 1818 bei Mittler in Berlin veröffentlicht; gr. 8 mit vielen Beilagen und Plänen.

Prinz A., zurückgekehrt in den Friedensdienst, widmete fortan seinen militärischen Thätigkeitsdrang und seine reichhaltigen soldatischen Erfahrungen lediglich der ihm im letzten Feldzug besonders lieb und werth gewordenen Waffe (Artillerie). Sie verdankte in der Folgezeit ihrem erlauchten Artillerissimus eine umfassende Neugestaltung, namentlich eine wesentliche Vervollkommnung der Haupt-Schußwerkzeuge, sowie eine äußerst fürsorgliche Hebung der wissenschaftlichen Grundlagen. – Eisern streng gegen sich selbst, Andere aber gern rücksichtsvoll beeifernd, leitete und inspicirte Prinz A. während 27 Jahren, mit großer Liebe, Treue und Ausdauer für „Seiner Majestät Dienst“ in Berlin und den verschiedenen Provinzen des Staates die Schießübungen und den materiellen, scientisischen und personellen Fortschritt des artilleristischen Heerestheils. (Ein Adjutant des Prinzen schreibt: „Unser Herr macht mit seiner nach allen Richtungen ausgedehnten Thätigkeit seine Umgebung beinahe todt; indeß ist doch mit ihm sehr gut auskommen.“)

Am 19. Juli 1843, in Bromberg, bei der Rückkehr von der ostpreußischen Inspicirung, erlag Prinz A. einer Lungenlähmung. Am 29. Juli fand die Beisetzung der Leiche im Dom zu Berlin statt. Die Officiere der gesammten Armee legten wegen dieses Todesfalls einen Armflor an während 14 Tagen. – Aus bester Quelle fügen wir hier, zum Ehrengedächtniß dieses treuen Todten, eine bisher unveröffentlichte Mittheilung an, aus dem Privatleben des Prinzen: Seine Wohlthätigkeitsspenden betrugen in jedem der letzten Lebensjahre 54,000 Thaler.

Des Prinzen A. v. Preußen Bildniß wird als dauernder Hochachtungsbeweis und zu gebührender Nacheiferung, aufbewahrt im Feldmarschallsaal des [674] Cadettencorps, in der Berliner Artillerieschule, im Officierscasino der Garde-Artillerie.

Jul. Schaller, Denkwürdige Momente aus dem thatenreichen Leben Sr. Kgl. Hoh. des Prinzen August von Preußen. Berlin 1846, Enslin, kl. 4°; eine Compilation aus bisher zerstreuten Nachrichten. – L. v. Puttkammer (und v. Höpfner), Erinnerungsblätter aus dem Leben Sr. Kgl. Hoh. des Prinzen A. v. Preußen. Gotha, Druck von Perthes, 1869.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 671. Z. 4 v. u. l.: Am 16. October. [Bd. 2, S. 797]
  2. S. 672. Z. 23 v. u. l.: Diese „Eingaben“ sind. [Bd. 2, S. 797]