ADB:August (Fürstbischof von Speyer)
Franz Georg von Schönborn. Von frühester Jugend an für den geistlichen Stand bestimmt und schon 1730 durch seinen Oheim, den Cardinal, mit einer Dompfründe in Speier ausgestattet, besuchte Graf August die Schulen zu Koblenz, der Residenz seines Oheims, begab sich dann zum Studium der Theologie 1742 nach Rom, das Jahr darauf nach Würzburg und erhielt inzwischen ein Canonicat zu Hildesheim und zu Münster; den 3. Nov. 1753 wurde er als Subdiacon in das Domcapitel zu Speier aufgenommen, am 3. Dec. 1755 einstimmig zum Domdechanten erwählt; 1760 ist er bereits Ritter des kurpfälzischen St. Michaels-Ordens und geheimer Rath des Kurfürsten von Trier, Kriegsrath des Kurfürsten von Köln, Vicepräsident der Regierung zu Münster, und hatte außer den schon genannten kirchlichen Aemtern die Probstei Xanten inne. Trotzdem daß das Speierer Domcapitel sich mit seinem Dechanten mehrere Jahre in unerquicklichen, schließlich aber zu Gunsten des Capitels entschiedenen Rechtsstreitigkeiten befunden, wurde Graf August von Limburg-Styrum am 29. Mai 1770 durch einstimmigen [656] Beschluß des Capitels zum Bischof erhoben, nicht durch Scrutinium, sondern per quasi inspirationem; die bischöfliche Weihe empfing er am 16. Sept. 1770 in der Hofkirche zu Bruchsal durch Friedrich Wilhelm von Westphalen zu Fürstenberg, Fürstbischof zu Hildesheim und Paderborn; mit päpstlicher Genehmigung behielt er das Canonicat in Hildesheim und die Probstei Xanten bei, auch war der Bischof von Speier zugleich Probst von Weißenburg im Elsaß. „Fürstbischof August,“ so sagt sein Biograph, „war ein ebenso geistvoller als kenntnißreicher Prälat. Neben einem sehr kräftigen, oft aber eigensinnigen, herben Willen, besaß er ein gutmüthiges, edles Herz. Das ward jedoch gar oft von Jähzorn überflügelt und bei an Rohheit überstreifender Leidenschaftlichkeit nicht mehr kennbar. Fest und unnachgiebig hing er an seinen Rechten, übte aber auch seine Pflichten, obgleich mit mehr Barschheit eines trotzigen Reichsfürsten als rücksichtsvoller Milde eines wohlwollenden Oberhirten.“ Daher lag auch der Fürstbischof fortwährend in Processen, bald mit seinem Domcapitel, bald mit dem Rathe der Stadt Speier, bald mit seiner Residenz Bruchsal. Als Fürst suchte er Ordnung in das Beamtenwesen zu bringen, die Ausgaben, namentlich auch für das Soldatenwesen, zu verringern, die Lasten der Unterthanen zu erleichtern nach der Maxime: „Ist es dem Regenten wohl, so ist dies auch dem Unterthan, und ist es diesem wohl, so ist es auch dem Regenten“; gab strenge Verordnungen in Sachen der Sittenpolizei, gegen Spinnstuben, gegen Unzuchtsvergehen, für welche die früher bestandene Kirchenbuße mit Lasterkarren abgeschafft und statt dessen Gefängniß und Geldstrafen angesetzt wurden; weitere Verordnungen beziehen sich auf Handelschaft der Juden, Sonntagsheiligung, Almosenordnung; ferner auf Polizei- und Justizpflege, Sparkassen, Freischulen, Baumpflanzungen, Brandlöschgeräthe, Weinherbstordnung u. A. Geradezu bewundernswerth ist, was Fürstbischof August während seines Leben und noch durch sein Testament für Spitäler, Kirchen, Schulen, Klöster, Waisenhäuser geleistet hat. Zu des Bischofs ersten Sorgen gehörte die Wiederherstellung des seit der Verwüstung durch die Franzosen (1689) in einen immer trostloseren Zustand herabgesunkenen Domes zu Speier. Nachdem August von L.-St. schon als Domdechant für das Aufbringen von Geldmitteln zu diesem Zwecke thätig gewesen, faßte er noch im ersten Jahre seiner bischöflichen Regierung den Entschluß zum Aufbau des Langhauses, der beiden Seitenschiffe und der westlichen Vorhalle; die Arbeiten wurden nach den Plänen des Majors Neumann begonnen am 9. März 1772 mit Aufräumung der Grundmauern, 1778 wurde der Bau vollendet; für die Baukosten hatte der Fürstbischof weit über die Hälfte – gegen 100,000 fl. – aus eigenen Mitteln beigetragen. – Wie es im Geiste seiner Zeit lag, war dem Fürstbischof August daran gelegen, der Erziehung seines Clerus eine wissenschaftliche Richtung zu geben; doch geschah dies nicht im Geiste der damaligen liberalen Aufklärung; dazu war er nicht blos zu strenggläubig, sondern seinem ganzen Wesen nach zu illiberal, zu autokratisch, so daß er wie in weltlicher Verwaltung mit seinen Beamten, so auch in geistlichen Dingen mit seinen Räthen, den Professoren und Directoren seiner Lehranstalten und Seminarien bittere Conflicte hatte. Aengstlich auf seine Auctorität und auf Orthodoxie bedacht, zog er mit Vorliebe Jesuiten in seine Nähe und schenkte ihnen sein Vertrauen; selbständige, aber wenig fügsame Charaktere wie der verdiente und früher mit Beweisen von Vertrauen überhäufte Weihbischof Seelmann mußten seine Ungnade schwer büßen. Als die Angelegenheit des Mainzer Professors Isenbiehl (Bd. XIV, S. 618 ff.), des Verfassers der Schrift „Neuer Versuch über die Weissagung von Emanuel“ auch in der Diöcese Speier Staub aufwirbelte, verbot Bischof August 1778, jene Schrift zu lesen; als ein Professor Martin Wiehrl von Baden-Baden denuncirt wurde, er [657] habe einige nicht zu billigende philosophische Sätze drucken lassen, verfügte der Bischof: Wiehrl habe acht Tage geistliche Uebungen bei den Kapuzinern in Baden-Baden zu machen, es sei ihm verboten, diese Sätze öffentlich zu vertheidigen und ohne vorgängige Erlaubniß des Bischofs etwas drucken zu lassen. Nach längerem Widerstande Wiehrls, welcher angesehene Gönner hatte und günstige Erklärungen von den Universitäten in Wien, Prag, Fulda und Padua beibrachte, ward die Sache durch einen Spruch des römischen Stuhls beigelegt, welchem Wiehrl sich unterwarf, worauf von Seiten der römischen Congregation große Befriedigung ausgesprochen wurde über „den Hirteneifer, welchen der Bischof in Vertheidigung der gesunden und wahren Lehre bezeugt“. Hohe Einsicht wie persönliche Selbständigkeit bewies Fürstbischof August durch seine Haltung in Sachen des Emser Congresses und der damit zusammenhängenden Nuntiaturstreitigkeiten. Schon 1769 hatten sich die drei geistlichen Kurfürsten am Rheine zu Koblenz über dreißig Punkte vereinigt und diese dem Kaiser Josef II. übersendet, um die deutsche Kirche wider die Anmaßungen des Papstes zu schützen; päpstliche Eingriffe sahen sie namentlich in den Nuntiaturen und namentlich fühlten sie sich gekränkt durch die Kunde von der in München neu zu errichtenden Nuntiatur. Der Bischof von Speier ließ sich in die Agitation nicht hineinziehen und erwiderte auf ein diesbezügliches Ansinnen des Kurfürsten von Mainz, man müßte doch abwarten, welche Befugnisse dem neuen Nuntius eingeräumt würden; wenn die sog. Facultäten nichts anderes seien als die bischöflichen Reservate, so möchte es ja erwünschter sein, die Hilfe in der Nähe zu haben, als sich unmittelbar nach Rom wenden zu müssen; der Bischof erkannte nämlich in dem Vorgehen der Kurfürsten, denen sich später der Erzbischof von Salzburg anschloß, nur einen Versuch der Kräftigung der erzbischöflichen Macht und keinen Schritt zur Freiheit der Kirche; er meinte darum, daß sich die Bischöfe eher etwas vom Papste als von den Erzbischöfen sollten gefallen lassen, da jener göttlichen, diese nur menschlichen Ursprungs seien. Als daher die Versammlung zu Ems, welche das Verhältniß der deutschen Kirche zum Papste nach den Grundsätzen des Febronius fixiren wollte, ihre 25 Artikel einer neuen Verfassung unterzeichnet und ohne vorgängiges Benehmen mit den Bischöfen dem Kaiser mitgetheilt hatte, schrieb Bischof August von St. eigenhändig an Josef II., über die wichtige Angelegenheit ja keine Entschließung zu erlassen, bevor die übrigen Bischöfe gehört seien; er selbst erklärte sich entschieden gegen die Emser Punctation in einem von dem Exjesuiten Ph. Anton Schmidt verfaßten und später (1787) dem Druck übergebenen Antwortschreiben an den Erzbischof von Mainz. Neue Aufgaben traten an den Bischof von Speier heran mit dem Ausbruche der französischen Revolution 1789, deren Folgen sich zuerst in den unter französischer Souveränetät stehenden Bezirken der Diöcese (Weißenburg) bemerklich machten. Bald wurde Speier selbst der Schauplatz des Krieges zwischen Frankreich und Deutschland; nachdem am 20. Sept. 1792 General Custine die Stadt Speier besetzt und gebrandschatzt hatte, fühlte sich Bischof August auch in seinem Schlosse zu Bruchsal nicht mehr sicher und floh am 1. Oct. zuerst nach Veitshöchheim bei Würzburg, dann über Donauwörth nach Augsburg, von da nach Freising, ohne jedoch die Zügel der Regierung aus seiner Hand zu lassen; im April 1793 befand er sich wieder in seiner Residenz, wo er die glückliche Rückkehr durch eine Stiftung in der von ihm neuerbauten St. Paulskirche feierte. Neue Erfolge der französischen Waffen hatten neue Bedrängnisse, Plünderung in Speier, Flucht des Domcapitels aus dieser Stadt zur Folge; alle geistliche und weltliche Fürsorge des Fürstbischofs, Hirtenschreiben und Jubiläen vermochten nicht, das zerrüttete Land wieder aufzurichten. Noch konnte Bischof August 1795 das 50jährige Priester- [658] und 25jährige Bischofsjubiläum feiern, mußte aber den 21. Sept. desselben Jahres zum zweiten Mal fliehen und begab sich zunächst wieder nach Freising, bis ihn die nachdringende Kriegsgefahr auch dort verscheuchte, und ihn bei Passau zu Freundenhain, einem Lustschlosse des Cardinals Grafen von Auersperg, ein Asyl finden ließ; hier starb er am 26. Febr. 1797; sein Leichnam wurde in der Kapuzinerkirche in Freundenhain beigesetzt, die Grabstätte ist, nachdem das Kloster aufgehoben und seine Gebäude andern Zwecken zugewendet worden, nicht mehr aufzufinden; sein Herz aber wurde zu St. Peter in Bruchsal beigesetzt. – Von den zahlreichen milden Stiftungen und testamentarischen Vermächtnissen des Fürstbischofs sei nur noch erwähnt ein Legat an die Universität Tübingen, wodurch der letzteren eine Sammlung von Actenstücken und Druckschriften über die Gerechtsame der Speierer Domdechanei, über welche Graf August in langem Proceß gelegen, sowie ein Capital von 2000 fl. zugewiesen wurde, aus dessen Zinsen Preise für von Studirenden vorgelegte Abhandlungen aus dem Kirchenrecht verliehen werden sollen; der Ueberschuß aber solle für Anlegung einer Bibliothek des deutschen Kirchen-Staatsrechts verwendet werden. – Gedruckt liegt vor eine Sammlung von Hirtenbriefen (Bruchsal 1786); außerdem verdankt man ihm die Veröffentlichung einer „Collectio processuum synodalium ab 1397–1720“ (Bruchsal 1786); „Sammlung der Gesetze und Landes-Verordnungen von 1470 bis 1788“ (Bruchsal 1788); endlich „Sammlung der fürstb. Speierischen Jagd- und Forstverordnungen“ (Bruchsal 1789).
Limburg-Styrum: Damian August Philipp Carl, Graf von L.-St., Fürstbischof von Speyer (1770–1797), geb. 16. März 1721 als zweiter Sohn des Grafen Otto Ernst von L.-St. und der Amalia Elisabetha Maria Gräfin von Schönborn, einer Schwester des 1743 verstorbenen Speierer Fürstbischofs Damian Hugo von Schönborn und des Cardinals und Trierer Erzbischofs- Remling, Fr. X., Geschichte der Bischöfe zu Speier. II, S. 705–803. Neuere Gesch. der BB. v. Speier, S. 39 f. – Etwas über das Leben des verlebten Fürstbischofs August, Grafen von Limburg-Styrum. Religions- und Wahrheitsfreund von Benkert, Jahrg. 1822, S. 584–587.