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ADB:Athanagild

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Artikel „Athanagild, Westgothenkönig“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 69–70, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Athanagild&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 07:00 Uhr UTC)
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Athanagild, Westgothenkönig, a. 554–567. Edlem Geschlecht entstammt ward er a. 554 das Haupt der gegen König Agila (a. 549–554) gerichteten Empörung, die vielleicht auch von den angeblich bedrückten katholischen Bischöfen ausging: wenigstens galt eine Niederlage Agila’s bei Cordova, in der er den Sohn und den gesammten Königsschatz verlor, als Strafe der Heiligen für Verletzung des Grabmals des Märtyrers St. Acisclus und für Verachtung Christi, d. h. wol eifrigen Arianismus. Gleichwol glaubte A. nicht, durch seinen eigenen Anhang allein den König vernichten zu können und er scheute sich nicht, zu diesem Zweck die alten Erbfeinde des spanischen Gothenreiches, die Byzantiner, aus dem nahen Nordafrika über die schmale Meerenge herüber zur Hülfe in das Land zu rufen. Wie erwünscht und passend Kaiser Justinian gerade damals (a. 554), nach Niederwerfung des letzten Widerstandes der Ostgothen (s. den Artikel Teja), eine solche Aufforderung zur Einmischung kommen mußte, wie sie so völlig eine Wiederholung der Vorgänge schien, die zur Eroberung Afrikas und Italiens geführt hatten leuchtet ein: nach den Vandalen und den Ostgothen sollten nun auch die Westgothen in dem Streit um den Königsstab Byzanz und das Verderben in ihr Reich gerufen haben. Willfährig und eifrig sandte daher der Kaiser Heer und Flotte unter dem Patricius Liberius und rasch bemächtigten sich diese gefährlichen Gehülfen der meisten Seestädte und der starken Küstenfestungen längs dem ganzen Südostufer der Halbinsel, wo sie fast 70 Jahre sich behaupteten; erst die Könige Sisibut (a. 612–620) und Svinthila (a. 621–631, s. die Artikel) vermochten die Eindringlinge wieder völlig auszutreiben; wie in Italien nahmen auch hier die Katholiken, die Romanen mit Freuden die katholischen, die „römischen“ Fahnen auf. Gegen die verbündeten Kaiserlichen, den miles Romanus, und die Anhänger Athanagild’s verlor Agila eine zweite Schlacht, bei Sevilla, und nun schien die arglistige byzantinische Staatskunst einen dritten Triumph über ein gespaltenes Germanenreich zu feiern, als ein plötzlicher Umschlag unter den Gothen selbst dies abwandte: die Anhänger Agila’s mochten die Ueberlegenheit der Verbündeten, vielleicht die Gefährdung des ganzen Reiches bei Fortführung dieses Kampfes erkennen: sie ermordeten ihren König, der, von der Guadalquivir- an die Guadiana-Linie zurückgewichen, zu Merida neue Rüstungen betrieb und erkannten A. als König an (a. 554). Dieser trachtete nun zwar sofort, der so thörig oder gewissenlos ins Land gerufenen Helfer, sobald er ihrer nicht mehr bedurfte, wieder ledig zu werden, allein dies gelang ihm trotz aller Anstrengungen nicht; zwar wurden die byzantinischen Statthalter, meist patricii, von dem [70] gothischen Heerbann im offenen Feld oft geschlagen, allein die zahlreichen festen Hafenplätze, die Meerburgen, die sich von Sucruna am Mittelmeer bis zum „heiligen Vorgebirg“ am atlantischen Ozean hinzogen und auch viele Binnenstädte hinter dieser Linie konnten ihnen nicht mehr entrissen werden: war doch die Vertheidigung fester Plätze immer noch die stärkste Seite byzantinischer, deren Bezwingung die schwächste Seite germanischer Kriegführung; erst nach zwei Menschenaltern ward die letzte Spur des unheilvollen Regiments Athanagild’s aus dem Lande getilgt. Bei diesen Kämpfen im Süden der Halbinsel war es bedenklich, daß gerade damals im Nordwesten die alten schlimmen Nachbarn, die Sueben (im heutigen Portugal), die stets jede Bedrängniß der Gothen zu einem Seitenstoß benutzt hatten, aus dem bisherigen arianischen Bekenntniß zu dem katholischen übertraten: sie schlossen so den Kreis der gefährlichen rechtgläubigen Feinde des Ketzerstaates: zu den eifrig katholischen Merowingen im Osten, den Byzantinern im Süden und den stets zur Empörung geneigten eigenen katholischen Bischöfen und romanischen Edeln im Lande reihten sich nun die neu bekehrten Sueben im Norden; alsbald sollte das Zusammenwirken dieser Feinde das Gothenreich auf das schwerste gefährden (s. den Artikel Leovigild). Diese Bedrohungen abzuschwächen, suchte oder gewährte A. doch gern Annäherung an die Merowingen: er vermählte (a. 566/567) seine Tochter Brunichildis mit König Sigibert I. von Austrasien zu Metz und bald darauf die zweite Gailesvintha mit dessen ebenso geistreichem als bösartigen Bruder Chilperich I. von Neustrien zu Soissons. Auch diese westgothisch-merovingische Verschwägerung sollte wie so manche frühere (s. den Artikel Amalarich) und spätere (s. die Artikel Theuderich II. und Witterich) zu Unheil führen. Man hatte mit gutem Grund Chilperich’s bösen Leidenschaften misstraut, mit Gewalt hatte man die widerstrebende Braut den Armen der Mutter (Godiswintha) entrissen und dem Freier zuführen müssen, der ihre reiche Mitgift: Bordeaux, Limoges, Cahors, Bearn und Bigorre gierig in Empfang nahm und gern die verlangten Eide schwur, die Gemahlin so lang er lebe nicht zu verstoßen; er hielt Wort: denn er ließ sie bald um seiner Buhle Fredigundis willen (s. den Artikel) erdrosseln. A. erlebte diese Erfüllung merovingischer Eide nicht mehr: er starb a. 567 (November?) „friedlichen Todes“, wie man als Seltenheit bei den Königen dieses Reiches hervorhob. Daß er heimlich zum Katholizismus übergetreten sei, ist Erfindung; man gönnte den Suebenkönigen nicht den Ruhm des Vortritts hierin. A. baute die (arianischen) Kirchen der heiligen Justa und der heiligen Rusina zu Toledo, wo er oft im Palatium Hof hielt, doch scheint erst sein großer Nachfolger Leovigild dauernd die Residenz hierher verlegt zu haben.

Dahn, Die Könige d. Germanen V, 1870, S. 124 f.; – Urgesch. d. germ. u. roman. Völker I², 1898, S. 372; III, 1883, S. 123.