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ADB:Arneth, Joseph Ritter von

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Artikel „Arneth, Joseph Calasanza Ritter von“ von Friedrich von Kenner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 555–557, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Arneth,_Joseph_Ritter_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:04 Uhr UTC)
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Arneth: Joseph Calasanza Ritter von A., Numismatiker und Archäolog, geb. zu Leopoldschlag (Oberösterreich)[WS 1], † zu Karlsbad 21. Oct. 1863, war anfänglich für die Brauerei, das Gewerbe seines Vaters, bestimmt und kam erst im 13. Lebensjahre auf Anregung des Linzer Bischofs J. A. Gall in das Stift St. Florian, wo sein älterer Bruder Michael A. Chorherr (sp. Prälat) war, um daselbst unter Leitung des Philologen C. E. Klein für die Gymnasialstudien vorbereitet zu werden; die letzteren machte er in Linz und ging 1810 der juridischen Studien wegen nach Wien, wo ihn die Absicht das Wichtigste aus den Lebensbeschreibungen des Plutarch ins Deutsche zu übertragen, in die Vorlesungen des Directors des kais. Münz- und Antiken-Cabinets, Abbé Franz Neumann führte. Sie erweckten in dem eifrigen Hörer eine so große Vorliebe für die archäolog. und numismat. Studien, daß ihm der Abbé nach kurzer Zeit eine Stelle im k. Cabinete übertragen konnte. Daneben hielt A. Vorlesungen über allgemeine Geschichte an einem kleinen Collegium, das aus den Söhnen der höchsten adeligen Familien Wiens bestand. In Folge davon wurde er als Erzieher in das Haus des Fürsten Dietrichstein gezogen und blieb mit demselben durch die ganze Zeit seines Lebens in freundschaftlicher Verbindung. Nachdem er in der österreichisch-deutschen Legion die Feldzüge von 1813 und 1814 mitgemacht und während des Wiener Congresses durch Erklärung der kaiserl. Sammlungen mit den hervorragendsten Zeitgenossen aller Länder in anregenden Verkehr gekommen war, reiste er in den J. 1816 bis 1819 in Begleitung des jungen Fürsten Joseph Dietrichstein nach Dresden, Berlin, Florenz und schließlich nach Genf, wo er längere Zeit verweilend die Vorlesungen ausgezeichneter Fachmänner, wie Prevost, Rossi[WS 2], de Candolle[WS 3], Joh. v. Müller, Dufaure u. A. hörte. Nach seiner Rückkehr versah er die historische Kanzel der Wiener Universität als supplirender Professor durch vier Jahre (1824–1828); er gewann durch das eingehende Studium der Geschichte eine vielseitige Anschauung der Denkmäler [556] des Alterthums nach den verschiedenen Beziehungen, in welchen diese zu dem öffentlichen Leben ihrer Zeit stehen und wurde durch die Nebenfächer (Heraldik und Diplomatik) auf das Studium der christlichen Archäologie geführt. Vom J. 1828 widmete er sich ausschließlich der Administration der kais. Sammlungen, deren Director er 1840 wurde und bis zu seinem Tode blieb. In diese Zeit fallen seine bedeutendsten Arbeiten. Sie betreffen nicht so sehr die rein wissenschaftliche Seite der einschlägigen Fächer, als die Hebung und Zurichtung des litterarischen Stoffes, den sie bieten. Durch mehrfache Flüchtung während der Franzosenkriege und bedeutende Erwerbungen nach denselben war die Ordnung der k. Sammlungen gestört worden, ihre Uebersicht erschwert; auch haftete dem neu entstandenen Antiken-Cabinet – einer Schöpfung des Kaisers Franz II. – der Charakter einer Curiositätenkammer noch sehr merkbar an. A. setzte sich das Ziel, die Sammlungen in der Art des britischen Museum zu einem einheitlichen, den Forderungen der neuen Zeit entsprechenden Institute umzubilden, um das in ihnen enthaltene herrliche Material nicht blos für die Wissenschaft sondern auch für Kunst und Technik nutzbar zu machen. Zugleich sollte das neue k. Museum in directe Verbindung mit einer von ihm und anderen hervorragenden Gelehrten (1838) angeregten, neu zu gründenden Akademie der Wissenschaften gesetzt und überdies eine Centralanstalt des Reiches für Leitung von Ausgrabungen, Untersuchungen von Funden und Ertheilung von Auskünften in dieser Beziehung werden. Allein die Zeitverhältnisse waren seinen Ideen sehr ungünstig. Der schon 1833 vorgeschlagene Neubau der Museen kam nicht zu Stande, ebensowenig zwei andere Programme, die er 1833 und 1842 vorlegte. Nach dem ersteren sollten die weniger populären Sammlungen (Münzen, Gemmen etc.) in der k. Burg verbleiben, die anderen, welche ein allgemeineres Interesse auch technischer und gewerblicher Beziehung erregten, (Vasen, Terracotten, Bronzen, Sculpturen) sammt den naturgeschichtlichen Sammlungen in dem Gebäude des unteren Belvederes vereinigt werden und täglich offen stehen. Im zweiten Programme empfahl A. die Vereinigung aller Hofsammlungen in der Nähe der Burg (am Josephsplatze) in der Art, daß die Hofbibliothek in den Mittelpunkt käme; der davon erwartete lebhafte wissenschaftliche Verkehr der Fachmänner sollte von selbst zur Entstehung einer bis dahin nicht erreichten Akademie der Wissenschaften führen. Da diese Entwürfe nicht zur Ausführung kamen, führte A. eine provisorische Neuaufstellung der Sammlungen (1842–45) durch, welche die kleineren Alterthümer, nach stofflichen Gruppen geordnet in der k. Burg beließ, die größeren, namentlich die bisher sehr ungünstig aufgestellten Sculpturen, Inschriften und ägyptischen Alterthümer in zusammenhängenden Räumen des unteren Belvederes vereinigte; die Beschränktheit der letzteren, welchen es an abgesonderten Ateliers mangelte, verhinderte jedoch die gewünschte Ausnützung der Sammlungen für künstlerische und industrielle Zwecke in größerem Maßstabe gänzlich. In Beziehung auf das Fundwesen setzte A. wol eine Aenderung der alten Fundgesetze durch (1846), welche die Verschleppung der Funde nicht verhindert und zudem die an der Anstalt wirkenden Kräfte von ihrer nächsten Aufgabe abgelenkt hatten; dagegen scheiterte die Ausbildung des k. Cabinets zu einer Centralanstalt für das Fundwesen an dem Widerstreben der schon bestehenden oder eben damals gegründeten Provincial-Museen. – Nebenher richtete sich seine Thätigkeit auf sachgemäße Publicationen der Sammlungen. Außer ihren kleineren Beschreibungen für das besuchende Publicum – den ersten die über sie erschienen – schrieb er einen ins einzelne gehenden lateinischen Katalog der griechischen Münzsammlung (nahe 26000 St.), in welcher A. das von Neumann umgestoßene Eckhel’sche System mit einigen wenigen Abänderungen wieder hergestellt hatte. Da sich aber von Seite der Buchhändler gegen die Drucklegung [557] eines so umfangreichen Werkes über einen gerade in jener Zeit wenig gepflegten Zweig der Archäologie Bedenken erhoben, veröffentlichte er einen Auszug unter dem Namen „Synopsis“ (1838), dem bald ein gleicher über die Sammlung der römischen Münzen folgte; ihre praktische Einrichtung erntete den ungetheilten Beifall der Fachgenossen. Auch die anderen größeren und sehr wichtigen Arbeiten jener Zeit (röm. Militärdiplome, Niello-Antipendium etc.) bewegten sich vorzüglich um Mittheilung noch unbenützten und unbekannten Stoffes sowol für die classische als die christliche Archäologie. Ein gleiches Ziel verfolgen die Prachtwerke, welche A. nach Gründung der k. Akademie d. W. mit deren Unterstützung über die Cameen des Alterthums, die antiken Gold- und Silberarbeiten, die Cinquecento-Cameen[WS 4] und Goldarbeiten von Benvenuto Cellini[WS 5] in den J. 1849–1858 herausgab. Durch unermüdliche Beschäftigung mit den Alterthümern, namentlich mit Münzen eignete sich A. eine Kenntniß derselben, eine Gewandtheit und Sicherheit in ihrer Bestimmung und in der Beurtheilung ihrer Echtheit an, welche ihn zu einer hochgeschätzten Autorität in diesem Fache machten. – Vom J. 1848 scheinen zwar die Zeitverhältnisse der Durchführung seiner Entwürfe in ihrem ursprünglichem Umfange günstiger zu sein. A. selbst aber ließ sie nun fallen, nachdem er 1849 den Neubau eines Museums abermals erfolglos angeregt hatte. Dazu bestimmte ihn der Umstand, daß mit dem politischen Umschwung, dem Uebergang der Monarchie von der absoluten zur constitutionellen Regierungsform, die Sonderung zwischen dem Eigenthum des Monarchen und dem des Staates schärfer hervortrat. A. ließ das klare Eigenthumsrecht des kais. Hauses auf die Sammlungen nicht anfechten und würde doch bei einer Ausführung der in älterer Zeit entworfenen Pläne dieses Recht manchem Präjudiz ausgesetzt haben, was er durchaus vermeiden wollte. Doch fand er die Genugthuung, daß gerade die neue Zeit ähnliche Institute, wie er sie vorlängst mit dem neuen Museum in Verbindung angeregt hatte, als selbständige und darum freilich auch größer angelegte staatliche Einrichtungen hervorrief (1847 die k. Akademie d. W., 1852 die Central-Commission für Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, welche nothwendigerweise alsbald das Fundwesen des Reiches in ihr Gebiet zog; 1863 das Museum für Kunst und Industrie), und daß bei dem Programme für die Stadterweiterung endlich auch der Neubau von Hofmuseen definitiv beschlossen wurde. Gerade dadurch daß diese Anstalten zumeist unabhängig von Arneth’s Entwürfen zu Stande kamen, durch Anregungen von verschiedenen anderen Seiten, beweist ihre Entstehung wie richtig seine um so viel früher concipirten Pläne die Bedürfnisse der Zeit getroffen, und bestätigt die Fruchtbarkeit seiner Lieblingsidee von der möglichsten Steigerung der Wechselwirkung zwischen den Wissenschaften und dem praktischen Leben. – Die letzten Lebensjahre führten ihn wieder auf Reisen nach Paris, London, Rom und Neapel, wo er Studien für seine größeren Publicationen machte. – Der liebenswürdige und hochgebildete Gelehrte war seit 1817 mit der k. k. Hofschauspielerin Antonie Adamberger (s. d.) vermählt.

Joseph Ritter v. Arneth, eine biogr. Skizze von Dr. Friedrich Kenner, als Manuscript gedruckt, Wien 1864.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Am 12. Aug. 1790
  2. Italienischer Staatsmann; Siehe Wikipedia: Graf Rossi, Pellegrino Luigi Odoardo (1787–1848)
  3. Schweizerischer Botaniker; Siehe Wikipedia: De Candolle, Augustin Pyrame (1778–1841)
  4. (Edel)steine mit erhabenen figürlichen Darstellungen des fünfzehnten Jahrhunderts
  5. Italienischer Goldschmied und Bildhauer; Siehe Wikipedia: Cellini, Benvenuto (1500–1571)