ADB:Jordanus von Osnabrück
[501] nach den besten Handschriften den Titel „De praerogativa Romani imperii“: geschrieben unter Rudolf von Habsburg um 1280, handelt sie sowol über die Geschichte, wie über die Bedeutung und Aufgabe des Reichs, wobei manches in eigenthümlicher Weise, zum Theil nach sagenhafter Ueberlieferung ausgeführt wird. Allem zu Grunde liegt der Gedanke, daß, wie die römische Kirche die Kirche Gottes, so das Reich das Reich Gottes, also selbständig sei; durch göttlichen Rathschluß auch sei vorher bestimmt, daß das Kaiserthum der Römer – und das war ja nach der Auffassung des Mittelalters die weltliche Herrschaft, der wahre Staat überhaupt – nicht bei den Römern bleibe und nicht zu den Franzosen komme, von denen zur Entschädigung jene die geistliche Gewalt (das sacerdotium), diese die gelehrte Bildung (das studium) erhalten, sondern auf die Deutschen übergehe; auch der Papst habe dafür zu wirken, daß dasselbe hier in seiner Ehre gewahrt und gemehrt werde; die Fürsten dem Kaiser in Treue und Ergebenheit zu helfen, daß er seine Aufgabe als Vogt der Kirche erfülle, so alle heidnischen und barbarischen Völker unterwerfe, auch Griechenland und den Orient erzittern mache. Das Buch, im Mittelalter viel gelesen und benutzt, aber auch bald abgekürzt, bald interpolirt, war in Vergessenheit gerathen, sein Verfasser mit anderen Männern desselben Namens verwechselt worden, weshalb der Unterzeichnete eine neue kritische Ausgabe in den Abhandlungen der Gött. Gesellschaft der Wissenschaften, 1868, veranstaltete. Damit zu vergleichen ist eine Bemerkung Wattenbach’s in den Heidelberger Jahrbb. der Litteratur d. J. S. 364, dessen Vermuthung, daß nicht blos die Vorrede, auch der größere Theil des Buches einem anderen Autor angehöre, ich nicht zustimmen kann.
Jordanus, Magister und Canonicus in Osnabrück, wo er die Würde eines Scholaster bekleidete, lebte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (hier zuletzt 1283 genannt,), starb am 15. April eines nicht näher zu bestimmenden Jahres. Näheres über sein Leben ist nicht bekannt; daß er Beziehungen zu Köln gehabt, in Paris studirt, in Italien Verbindungen gehabt, sind Annahmen, die sich auf den Inhalt und die Vorrede einer Schrift beziehen, welche sein Andenken der Nachwelt erhalten, deren Ursprung und Geschichte in ein gewisses Dunkel gehüllt ist, die aber ihren Verfasser als einen der bedeutendsten publicistischen Schriftsteller des Mittelalters und patriotischen Deutschen erscheinen läßt. Sie führtAber auch noch anderes ist für den J. in Anspruch zu nehmen. Eine Schrift „Noticia seculi“, die sich auch in einer Münchener Handschrift befindet und vor mehreren Jahren von Karajan (Denkschriften der Wiener Akademie, Bd. II) herausgegeben ist, steht, wie zuerst Dr. W. Meyer erkannte, mit dem Buch des J. in nächster Verwandtschaft. Beide stimmen in Form und Inhalt so überein, daß man keinen Zweifel haben kann, sie demselben Autor zuzuschreiben. Die Noticia ward 1288, nur einige Jahre später als das Buch „De translatione“ verfaßt. Hier aber berichtet der Verfasser, daß er drei Jahre vorher sein Gedicht „Pavo“ geschrieben, welches er jener Schrift anschließt und das Karajan zu der Mittheilung Anlaß gab, da er in demselben eine satirische Darstellung des Lyoner Concils von 1245 erblickte, das er aber aus unzureichenden Gründen dem Autor der Noticia absprach: anschließend an jenes Concil, aber ohne sich an die historischen Verhältnisse zu binden, bekämpft es, ebenso wie die Noticia die Uebergriffe des Papstthums, tritt für die Ehre und Rechte des Kaiserthums ein. Die Bedeutung des Autors als politischen Schriftstellers, wird so in ein ungleich helleres Licht gesetzt.