6. Oktober 1805
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6. Oktober 1805.
Was rennt das Volk, was wälzt sich dort
Durchs Kochertor so brausend fort?
Stürzt Aalen unter Feuersflammen?
Es rottet sich die Stadt zusammen,
Gewahrt man aus dem Menschentroß,[1]
Und hinter ihren Bärenmützen
Hell blinken Bajonettenspitzen!
Das ist wahrhaftig der Franzos,
Und alles stehet, klein und groß,
Um auf den Kaiser selbst zu warten.
Jetzt werden tausend Stimmen laut:
„Der ist’s im Wagen, aufgeschaut!“
Und sich zum Herrscher aufgeschwungen!“
Beinah verliert man das Gehör
Vom donnernden »Vive l’empereur«![2]
Das mit der Grenadiere Reih’n
Und vor der „Krone“ hält der Zug,
Napoleon steigt aus dem Wagen,
Weil auch auf seinem Siegesflug
Ihn Halt zu machen zwingt der Wagen;
Mit Sack und Pack sich eingefunden
Des Kaisers »Maitre de cuisine«[4],
Der waltet in der Küche drin,
Um seinen Herrn heut zu versorgen
„He ab“, so ruft er, „kein Mann hier,
Mit dem ich français kann parlier?“
Posthalter spricht: „Da kann ich dienen,
Es war ja in Bensançon drein
Sie werden nur verwundert sein,“
Und vor den Küchenmeister tritt
Herr Balthas nun mit sich’rem Schritt,
Empfängt die Weisung einzukaufen
Drum hat sich schnell nach Wunsch gefunden,
Was nur dem Kaiser täte munden,
Geflügel, Mouton, Pomme de terre,
Die Taler fliegen kreuz und quer.
Erhalten auch was für den Schlund
Und sehen manchem vollen Fasse
Mit langen Schlücken auf den Grund.
Der „kleine Korporal“ inzwischen
Im obern Erker speiste er.
Nun bringet Karten man daher;
Mit seinen höchsten Offizieren
Will er den nächsten Weg studieren,
Soll alles laufen feldquerein
Drum ward vom Kaiser gleich befohlen
Herr Rapp der deutsche General,
Soll einen sichern Führer holen
Den sichern Mann herbeizubringen
Muß wieder Vetter Balthas springen;
Denn seine junge Frau läßt ihn
Nicht selber mit den Franken ziehn.
Sie treten vor den Kaiser beide,
Der freundlich frägt, als er ihn sieht;
»Cet homme honnêt est il le guide?«[5]
Nun wißt ihr, Widerspruch zu tragen,
Drum sprach Herr Balthas ohne Zagen:
»Oui, hört ihr oui, mon empereur«[6]
Doch kaum hat er das Wort gesprochen,
Hat ihn ein Jubel unterbrochen,
Die narbigen Krieger alle lachen,
Daß ihnen fast die Rippen krachen,
Sie schauen alle in die Höhe,
Daß ihnen tut der Nacken wehe!
Dem Türmlein vornen mit der Uhr
Ihr Lachen gilt, das ohne Zwiebel
Selbst Tränen weckt, was gibt es nur?
Ich will’s Euch sagen, liebe Leute,
Das Uhrwerk, der Spion von Aalen,
Ein eigner Spaß, nicht zu bezahlen!
Es dreht mit jedem Pendelschwunge
Ein Menschenkopf sein Antlitz um,
Raucht er bald rechts, bald links herum;
Da bleiben alle Kinder stehen
Und können satt sich nimmer sehen,
Und stießen einst beim Schlag zwei Böcke,
Die Handwerksbursch’ in allen Reichen
Berühmen laut das Aalener Zeichen,
Weshalb vom Neide ist davor
Die Fabel ausgesponnen worden
Kurz, was auch dick französisch war,
Verstand den alten Spaß aufs Haar,
Nun wißt Ihr schon, wie es gekommen,
Daß diesen Jubel man vernommen:
Erblickt auf einmal den Spion
Und alle werden hingerissen;
Der Held jedoch, wie konnt er wissen,
Was seine Tapfern so erregt,
Und schnell zum Fenster hingesprungen
Streckt plötzlich er hinaus den Kopf,
Da ist ein Weheruf erklungen
Er fährt zurück mit blut’gem Schopf!
Was Wunder, daß ihm jetzt das Blut
An Kopf und Stirne rieseln tut;
Der Marschall Berthier[8] selbst muß laufen
Ein Pflaster auf die Wund’ zu kaufen.
Von jenem tragischen Ereignis,
Und Aalen hat den Ruhm den großen
Der Siegesheld Napoleon,
Er hat den Kopf zuerst verstoßen
Anmerkungen (Wikisource)
Die Fußnoten aus dem Original wurden nicht übernommen.
- ↑ Bis hierher lehnt sich Bauer an Der Kampf mit dem Drachen von Schiller an.
- ↑ „Hoch lebe der Kaiser!“
- ↑ Zur damaligen Zeit in Aalen sehr häufige Vornamen, zugleich die Namen der Heiligen Drei Könige.
- ↑ Küchenchef
- ↑ „Dieser ehrenwerte Mann ist der Führer?“
- ↑ „Ja, mein Kaiser“
- ↑ Vgl. Der Spion von Aalen
- ↑ Louis-Alexandre Berthier (1753–1815)