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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Ulrich von Hutten

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Ulrich von Hutten
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 189–190
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Ulrich von Hutten.
Geb. d. 21. April 1488, gest. d. 31. Aug. 1523.


Mit dem Kranze unvergänglichen Nachruhms geschmückt, tritt einer der deutschesten Deutschen aus dem Spiegel der Geschichte ernst und achtunggebietend vor den Blick der Nachwelt, mit jugendlich milden Zügen und doch jeder Zoll ein Mann, ein deutscher Mann. Hutten, der Sprößling einer alten Adelsfamilie Frankens, sollte sich dem geistlichen Stande widmen, und besuchte die Stiftsschule zu Fulda, von wo ihm, da er durchaus keine Neigung hatte, Kleriker zu werden, ein Verwandter, Ritter Eitelwolf von Stein, 1504 von dannen half. Sein Mitflüchtling aus dem Kloster war Crotus Rubianus, und beide gingen nach Köln, wo eine große Anzahl begabter Männer die Hochschule belebte, Männer, die in hartnäckigen gelehrten Kämpfen einander anfochten, wo die Reuchlinisten und überhaupt die Humanisten den Dunkelmännern gegenüberstanden, und erstere von den letzteren sich mehrfach verdrängt sahen. Da wandle sich Hutten auch hinweg, ging nach der neubegründeten Hochschule zu Frankfurt an der Oder, und nahm dort in seinem 18. Jahre die Magisterwürde an. Einige Verwandte und der Markgraf von Brandenburg, Kurfürst und Erzbischof Albrecht zu Mainz unterstützten Hutten, der, nachdem er in Frankfurt seine humanistischen Studien vollendet hatte, dem Triebe folgte, die Welt zu sehen und im ritterlichen Gebaren sich hervorzuthun. Leider lachte ihm dabei, weil er vom Hause aus ohne alle Unterstützung blieb, nicht das Glück. Er zog 1509 unter dem Heere Kaiser Maximilian’s I. gegen Venedig, war bei der Belagerung von Padua und kehrte dürftig nach Deutschland zurück, ein armer und leider auch noch kranker Abenteurer. Da weilte er denn erst in Rostock, durchzog dann auf einer scholastischen Pilgerfahrt Deutschland, verweilte einige Zeit in Braunschweig, dann in Mainz, in Frankfurt am Main, in Wittenberg, überall nur kurze Zeit, wanderte dann nach Böhmen und endlich nach Mähren, wo er im Bischof von Olmütz, Stanislaus Turso, einen Gönner und Beschützer fand. In diesem Zeitraum machte sich Hutten schon als Dichter bekannt, gab eine »Verskunst« heraus, eine Dichtung: »Der Niemand« und anderes, schrieb aber noch alles in lateinischer Sprache. Endlich fügte sich [Ξ] der Dichter dem Willen seines Vaters, wenn er nicht geistlich werden wolle, mindestens eine Wissenschaft gründlich zu studiren, und ging nach Pavia, wo er sich der Rechtskunde, obschon ohne alle Neigung, befleißigte. Aber in Pavia erging es ihm doppelt übel, die Franzosen nahmen ihn gefangen, die Schweizer beraubten ihn; kaum das nackte Leben rettend, flüchtete er nach Bologna, durchzog weiter Italien, schrieb seinen »guten Mann« und dichtete beißende Epigramme auf den Clerus, wozu ihm ein abermaliger Aufenthalt in Rom Stoff in Fülle bot. Rom machte auf ihn durch die Sittenverderbniß, die er aus der leidigsten Selbsterfahrung kennen gelernt hatte, denselben Eindruck, den es auf Luther gemacht, und er verließ es gern, zumal der gegen ihn entflammte Haß der Mönche ihn dazu drängte. Jetzt ging Hutten einer schöneren Zeit in der Heimath entgegen. Er durfte 1514 seine kleineren Gedichte und Epigramme zusammendrucken lassen und sie dem Kaiser zueignen. Eitelwolf von Stein, der treue Verwandte, verschaffte ihm Aufnahme am Mainzer Hofe und Hutten sang das Lob Deutschlands begeistrungsvoll, wie nie vor ihm ein anderer Dichter. Der Bund der Humanisten weihte Hutten für den klassischen Geist des Alterthums – da riß ihn aus gehofften Zukunfthimmeln eine böse That wieder in leidenschaftliche Kämpfe. Herzog Ulrich von Würtemberg ermordete mit eigener Hand seinen Amtmann Hans von Hutten, Ulrich von Hutten’s Blutsverwandten, in Folge eines unseligen Doppelverhältnisses beider Männer zu ihren gegenseitigen Frauen. Hutten, fest von seines Vetters Unschuld überzeugt, schleuderte gegen den Herzog furchtbare Schriften und suchte das ganze Reich aufzulärmen. Die Schriften hätten der Beredsamkeit des Demosthenes und dem klassischen Latein Cicero’s Ehre gemacht, sie stellten den freisinnigen Kämpfer für das Recht gegenüber der tyrannischen Willkür, in welchem Lichte des Herzogs That dargestellt wurde, hoch in den Augen der deutschen Nation, aber außerdem frommten sie ihm nicht; zudem starb auch sein treuer Verwandter E. von Stein, und Hutten begab sich abermals nach Italien, das ihm verhaßte Rechtsstudium noch einmal aufzunehmen. Ein Jahr lang trug er das Joch dieses unlieben Studiums; 1516 war er gegangen, 1517 war er wieder in Deutschland, fand gastliches Asyl bei dem gelehrten Peutinger in Augsburg, wurde auf dessen Anlaß vom Kaiser Maximilian I. selbst zum Ritter geschlagen, und Peutinger’s herrliche Tochter mußte ihn mit dem Dichterlorbeer krönen. Das war der höchste Gipfel von Hutten’s Erdenglück. Peutinger wollte ihm sogar die Tochter vermählen, aber Hutten durfte die liebe Hand nicht annehmen – das war der glühendste Dorn des Schmerzes, den er je empfand. Von Augsburg begab sich Hutten endlich wieder in die Heimath, auf seine Güter, und richtete auf Burg Stecklenberg eine Druckerei ein, aus der nun seine Schriften in die Welt flogen. Dem Papst widmete er eine Schrift voll geistiger Kraft über Konstantin’s erdichtete Schenkung, welche ersterer sehr übel aufnahm; um so mehr gefiel sie Luther und dessen befreundeter Genossenschaft. Im Jahre 1518 trat Hutten ganz in die Dienste des Erzbischofs Albrecht von Mainz, munterte Deutschlands Fürsten in einer eigenen kraftvollen Rede zum Zuge gegen die Türken auf, schrieb sein satyrisches Gespräch »über das Hofleben«, nahm Theil an den nicht minder satyrischen »Briefen der Dunkelmänner«, und anderes, und trat als Kriegsmann in das Heer des schwäbischen Bundes gegen den ihm verhaßten Herzog Ulrich von Würtemberg; aber die Göttin des Krieges versagte ihm die Lorbeerkränze, mit denen die Musen um so reichlicher sein Haupt schmückten. Die auf diesem Zuge mit Franz von Sickingen geschlossene Freundschaft war für Hutten der beste Gewinn desselben. Nach Mainz und später auf seine Burg zurückgekehrt, schrieb Hutten seine kühne »Römische Trias«, gab noch andere Werke heraus und fuhr fort, gegen den Papst und das Papstthum zu schreiben, was des Papstes Rache und Verfolgung herausforderte, und endlich des Ritters Entfernung vom Mainzer Hofe bewirkte. Hutten ging zu Sickingen auf dessen feste Ebernburg, schrieb herrliche Briefe, ermahnte die deutsche Nation zur Aufrechthaltung ihrer Freiheit, schrieb zu Gunsten Luther’s, war unermüdlich thätig in der großen Angelegenheit der Reformation, einer ihrer tapfersten und geistig hochstehendsten Vorkämpfer mit dem Schwerte des Wissens und der Ueberzeugung, – aber Sickingen verwickelte sich in seine unselige Fehde, als deren Opfer er fiel, und die Ebernburg konnte Hutten nicht mehr schützen. Er entwich, durchirrte das Elsaß und die Schweiz, machte noch an Erasmus von Rotterdam eine tiefschmerzliche Erfahrung verrathener Freundschaft, und fand endlich, todmüde gehetzt von seinem Schicksal, auf der kleinen Insel Ufnau im Züricher See Asyl und – Grab. Kein Deutscher sieht und betritt dieß Eiland ohne Ernst und Wehmuth.