Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Peter Vischer
Bei einem Künstler, wie Peter Vischer, der einer so fern liegenden Zeit angehört, daß nicht einmal das Jahr seiner Geburt geschichtlich festgestellt ist, sind es insgemein mehr seine Werke, die von seinem Leben zeugen, als sonstige Nachrichten. Die Kunstgeschichte hat sich mit dem redlichsten Eifer bemüht, alle Werke dieses größten Bildners und Erzgießers im deutschen Mittelalter und an dessen letzten Ausgängen zu erforschen und nachzuweisen, allein über des berühmten Meisters erste Lebensperioden hat sie nichts zuverlässiges ermitteln können, und nur das schwankende: er soll, er könnte vielleicht – tritt bei ihm an die Stelle der Gewißheit.
Peter Vischer wurde zu Nürnberg geboren, dem anziehendsten Mittelpunkt, in dem alles deutsche Kunststreben sich zur vollendeten Blüthe hob. Der Vater soll Hermann Vischer, nicht Eberhard, wie irrig behauptet worden ist, geheißen haben; dieser war bereits ein kunstbegabter Rothgießer. Daß Peter des Vaters Kunst erlernte und als Geselle seine Wanderschaft antrat, dieselbe auch wohl weit ausdehnte, läßt sich leicht denken; daß er aber schon in der Gesellenzeit Italien besucht habe, ist nicht mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, denn eine lange Zeit hindurch fertigte Peter Vischer eine große Reihe Meisterwerke, welche alle in dem deutschen (gothischen) Kunststyl gehalten sind, der zur Zeit, als er Meister wurde, 1489, ausschließlich vorwaltete. Man hat indeß dem Künstler die Ehre der Erfindung seiner herrlichen Denkmäler streitig gemacht, weiß aber nur Veit Stoß als den Meister zu nennen, nach dessen Modellen Vischer gearbeitet haben soll, und könnte höchstens noch Adam Krafft neben ersterem nennen; allein es wäre wieder nicht denkbar, daß die zahlreichen, von auswärts her bestellten, oft sehr kunstvollen und figurenreichen Kenotaphien, Tumpen, Gedenktafeln u. dgl. sammt und sonders erst vorher bei Nürnberger Bildschnitzern bestellt worden sein sollten. Ein Meister von solcher Begabung, wie Peter Vischer, konnte wohl in seiner Werkstätte nach Modellen so anerkannter gleichzeitig strebender hochbedeutender Künstler, wie die beiden genannten, arbeiten; allein gewiß war auch vieles, was aus jener in hoher vollendeter Kunstschöne hervorging, sein geistiges Eigenthum; auch unterstützten ihn bei den [Ξ] späteren Arbeiten fünf kunstbegabte Söhne. In Italien war nach dem Verfall des Römerreichs die schöpferische Kunstthätigkeit vom Pfade der klassischen Antike abgeirrt, doch diente sie dem neu erwachten und sich verjüngenden Kunststreben jenes Landes zur Zeit des Mittelalters wieder zu edlen Vorbildern und es entwickelte sich der schöne und reizvolle Kunststyl, der mit dem passenden Worte Wiedergeburt (Renaissance) bezeichnet wurde. Dieser Styl erscheint in harmonischer Weise auf das anmuthigste mit den Formen der späteren Gothik verbunden am Hauptwerk Peter Vischer’s, dem St. Sebaldusgrabe zu Nürnberg, und es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß der Künstler vor dessen Beginn die Werke italienischer Kunst mit eigenen Augen schaute, denn Nürnberg konnte ihm kein bezügliches Vorbild bieten; man glaubt, daß diese Reise Vischer’s nach Italien in die Jahre 1503 bis 1505 gefallen sei, hat aber auch dafür keinen sicheren Nachweis.
Peter Vischer hatte sein Haus und seine Gießhütte am St. Catharinengraben zu Nürnberg, da wohnte und arbeitete er in Gemeinschaft mit seinen Söhnen, deren Familien ebenfalls bei ihm wohnten. Von den Söhnen ist wenig bekannt worden, außer daß der ältere, welcher nach dem Großvater Herrmann hieß, nicht nur als Rothgießer, sondern auch als Bildhauer und Modellirer sehr geschickt war. Es scheint, daß unter allen seinen Brüdern Hermann allein den Vater überlebte. Der letztere starb nach einem langen thätigen Leben und fand seine Ruhestätte auf dem St. Rochus-Kirchhof. Das Hauptwerk Peter Vischer’s und seiner Söhne, an welchem er auch sein Bildniß, wie er in der Gießhütte aussah, anbrachte, ist das kostbare Grabmal St. Sebald’s in der diesem Heiligen geweihten und nach ihm benannten Kirche zu Nürnberg. Den Sarg, in welchem die heiligen Gebeine ruhen und der mit verziertem Gold- und Silberblech ausgeschmückt ist, umgab Vischer mit dem edelsten und stolzesten Schmuck seiner Kunst. Starke Pfeiler tragen das gothische spitzbogige Dach, an ihnen stehen in halber Lebensgröße die berühmten Apostelstatuen; zwischen den Pfeilern streben zarte Kandelaber schlank und schön bis zur reichverzierten Decke empor. Die Sockel wie die eherne Tumpe, die den Sarg trägt, sind in einer Weise verziert, die ganz im Renaissancestyl gehalten und fast überladen zu nennen ist. Das Ganze ruht auf den Häusern kriechender Schnecken. Außer diesem Prachtdenkmal, das seines Gleichen in Deutschland nicht hat, umfaßt Nürnberg noch zahlreiche Werke Peter Vischer’s, theils Statuen, theils Reliefs. Eines der werthvollsten derselben, ein herrlich gelungenes Gitter von Bronce im großen Rathhaussaale, ließ man mit demselben Sinne einschmelzen, mit dem man Archive an die Papiermühlen nach dem Centner verkauft. Nahe dem Altar der Aegidienkirche trägt das Basrelief einer Kreuzabnahme Peter Vischer’s Zeichen; die nackte Statuette einen Apollo ist in der Kunstschule aufgestellt; die Lorenzer Kirche hat von ihm eine Gedenktafel; auch in mehreren der überaus reichen Privatsammlungen Nürnbergs sind Werke aus der Vischer’schen Gießhütte befindlich. Außerhalb der Vaterstadt des Künstlers beurkunden Werke von höchster Bedeutung des Meisters großen Ruf im Ausland und seine volle Beschäftigung durch dasselbe. In der Stiftskirche zu Römhild ist die einfach schöne Statue eines junges Ritters, Otto’s IV., Grafen von Henneberg, von vollendeter Schönheit aufgestellt, vielleicht noch vom Vater des Künstlers, wenigstens noch bei dessen Leben aus der Gießhütte hervorgegangen. Ein zweites Werk daselbst ist der reiche und edle Kenotoph Graf Hermann VIII. von Henneberg und seiner Gemahlin Elisabeth, geb. Markgräfin von Brandenburg, mit Wappen, Statuen von Heiligen und anderem Bildwerk geschmückt, das zum Theil am Monumente des Erzbischofs Ernst von Magdeburg im dortigen Dome sich ebenfalls findet. Auch dieses Magdeburger Denkmal zählt zu den schönsten, welche die Kunstgeschichte kennt. Der Bamberger Dom enthält von P. Vischer die Grabmäler der Bischöfe Heinrich III., Veit I. und Georg II., der Dom zu Berlin umfaßt das Grabmal des Kurfürsten von Brandenburg Johann Cicero; auch die Berliner Kunstkammer hat einige schöne Bildwerke Vischer’s. Im Dome zu Breslau ist das Monument des Bischofs Johannes von ihm, ebenso rühren im Dome zu Wittenberg die Denkmale der Kurfürsten zu Sachsen, Friedrich’s des Weisen und Johann’s des Beständigen, von ihm und dem Sohne Hermann her. Außerdem haben noch Regensburg, Aschaffenburg, Prag und andere Städte Werke aus der berühmten Nürnberger Gießhütte erhalten; auch nach Mecklenburg, ja nach Dänemark wurden Arbeiten geliefert. Die Schreibweise Vischer und Fischer erklärt sich einfach aus der Uebergangsperiode zwischen dem Mittelalter und der Neuzeit, in welche das Leben dieses hochbedeutenden deutschen Künstlers fiel.