Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Johann Peter Hebel
Hebel hat sich durch seine »allemannischen Gedichte« vor
allen seinen übrigen Schriften bleibenden Nachruhm
geschaffen. Er wurde im Dorfe Hausen, nahe bei
Schopfheim in Baden, geboren. Der Vater war ein
armer Gärtner und dem Sohne schien nur ein kärgliches
Loos gefallen. Er mußte als Knabe, da er den
Vater früh verlor, auf der Eisenhütte bei Hausen nebst
seiner Mutter Kohlen tragen und sonstige geringe, aber
mühsame Arbeiten verrichten. Doch war ihm vergönnt,
die Dorfschule zu besuchen, wo er so gute Anlagen und
Fähigkeiten zeigte, daß ein früherer Waffengefährte
seines Vaters, ein invalider Unteroffizier, Namens Iselin,
der den Fleiß des Knaben erfuhr, ihn zu sich nach Basel
nahm, und ihn den Unterricht der dortigen Stadtschule genießen
ließ. Mittlerweile starb Hebel’s Mutter, aber der
ganz verwaiste Knabe fand einen neuen Wohlthäter an dem
Kirchenrath Prauschen in Karlsruhe, welcher sich seiner
liebevoll annahm, ihn erst das Gymnasium zu Lörrach
besuchen ließ, und später Sorge trug, daß Hebel eine
Hochschule besuchen konnte. Hebel wählte Erlangen zum
Ort seiner akademischen Studien, und die Theologie
als deren Ziel. Er kam 1778 nach Erlangen, und
bestand sein Candidatenexamen nach zurückgelegtem
akademischen Triennium sehr gut; bald auch bot sich
eine willkommene Hauslehrerstelle, und nun öffnete sich
ihm mehr und mehr der Weg und die Aussicht zu
einer schönen Lebenslaufbahn, wie sie der kleine Kohlenträger
von der Hausener Eisenhütte nie geahnet. Bereits
1783 wurde Hebel Lehrer an dem Gymnasium,
das ihn selbst gebildet hatte, und die schöne Natur um
Lörrach weckte die Poesie, die in seiner empfänglichen
Seele schlummerte. Im Jahre 1791 wurde Hebel
zum Lehrer am Karlsruher Gymnasium ernannt, und
empfing zugleich die Stelle des Subdiaconus an der
Hofkirche daselbst, woraus er nach Verlauf mehrerer
treugeführten Dienstjahre 1798 zum Professor und
Oberlehrer aufrückte. Als solcher ließ er nun 1803
seine »allemannischen Gedichte« erscheinen, ein höchst
glücklicher Wurf, denn einestheils verhalf die wahrhafte
Begabung des Dichters im Bunde mit hoher Einfachheit,
reizendster Naturschilderung und erschütternder Wahrheit
in den Gedichten selbst, anderntheils das lieblich weiche
[Ξ] und zum Gemüth innig sprechende des allemannischen
Dialektes den allemannischen Gedichten zu lebhaftem
Beifall und größtmöglichster Verbreitung. Die deutsche
Dialektdichtung war noch wenig angebaut, nur Johann
Conrad Grübel, und später J. H. Voß hatten mit
großem Glück, der erstere die nürnberger in scherzhaften
Gedichten, der zweite die plattdeutsche Mundart in lieblichen
Idyllen und Gedichten gleichsam zu verklären gesucht,
und wohl mag Voß Hebel vorgeschwebt haben,
obschon der letztere völlig selbstständig auftrat, und ungleich
mehr, als an neuere, an die schwäbischen Minnesinger
erinnerte, denn eine gleiche Unbefangenheit und
Naivität im Ausdruck, und die gleiche Zartheit der
Empfindungen beseelte, wie jene, so auch die Dichtungen
Hebels. Kaum zu zählen sind die spätern Auflagen
derselben, und mehrere Schriftsteller haben sich auch
die höchst undankbare Mühe gegeben, die allemannischen
Gedichte in das Hochdeutsche zu übertragen, was geradezu
den Farbenstaub vom Flügel des Sylfen, den
Thau von der Blume, den zarten Dufthauch von der
Herbstfrucht abstreifen heißt. Auch nachgeahmt wurde
Hebel häufigst, ja jetzt ist wohl kein noch so kleines
Ländchen und Winkelchen in Deutschland, aus dem nicht
sein Dialekt in einigen Verslein hervorzirpt. Der Sprache
mag damit ein Dienst geleistet sein, der Poesie sicherlich nicht;
nicht jeder Dialekt eignet sich für die poetische Behandlung;
es giebt in Deutschland Länder, deren Idiome und Dialekte
von Natur unschön, grob und bäurisch klingen, was
besonders von einigen nordfränkischen Provinzen gilt, die
nimmermehr sich für poetische Auffassung eignen.
Im Jahre 1805 wurde Hebel badenscher Kirchenrath und 1808 Gymnasiumsdirektor. Im letzteren Jahre begründete und begann er seine beliebte Zeitschrift: »Der rheinländische Hausfreund«, der bis 1811 erschien und dann unter dem Titel »Rheinischer Hausfreund« durch die Jahre 1814 und 1815 fortgesetzt wurde. Ein Auszug aus der ersten dieser Schriften erschien 1811 unter dem Titel: »Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes«, die Quintessenz desselben darbietend, und erlebte mehrere Auflagen. Vielen Epigonen in der volkstümlichen Schreibweise diente Hebel als Vor- und Musterbild, und es wäre wohlgethan, wenn eine noch ungleich größere Anzahl die edle Denk- und Schreibweise Hebel’s zu erreichen gestrebt hätte, statt dem Volke mit Gemeinheiten zu schmeicheln, und zu wähnen, für das Volk sei auch die ungenießbarste Speise gut genug.
Im Jahre 1809 wurde Hebel Mitglied der evangelischen Kirchen- und Prüfungskommission, 1814 Mitglied der evangelischen Kirchen-Ministerial-Section, endlich 1819 empfing er Rang und Titel eines Prälaten und 1820 das Comthurkreuz des Zähringer Löwenordens, zugleich ertheilte ihm die theologische Facultät zu Heidelberg die theologische Doktorwürde.
Hebel endete sein thätiges und verdienstvolles Leben im Hause eines vieljährigen Freundes, Namens Zeyher, dem berühmten Vorsteher des botanischen Gartens zu Schwetzingen, als er von einer nach Mannheim gemachten Reise in die Heimath zurückkehren wollte. Ein Denkmal wurde Hebel im Hofgarten zu Karlsruhe errichtet.