Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Johann Georg von Eckhart
Ein Historiker, der sich um Erforschung der vaterländischen Geschichte, wie um erklärende Vergleichung und Veröffentlichung alter Sprachdenkmäler die größten Verdienste erwarb. Eccard, so schrieb er sich, bevor er geadelt wurde, war zu Duingen im Amte Lauenstein im Braunschweigischen, jetzt Hannöverischen, geboren; sein Vater war Oberförster, und schon im Knaben erwachte frühzeitig die Liebe für Etymologie. Eccard besuchte als Jüngling Schul-Pforta, wo er große Neigung zur Dichtkunst zeigte, und ging dann nach Leipzig, wo er bis 1696 studirte, fleißig die Alten las und sich als Corrector einiges verdiente. Später gelang es ihm, eine Secretairstelle bei dem Grafen von Flemming zu erhalten, jenem tapfern und berühmten k. k. Staatsminister und Feldmarschall, der
zuvor in sächsischen Diensten dem Kurfürsten zu Sachsen, wie dieser sich um die Krone Polens bewarb, als Gesandter in Warschau wesentliche Dienste leistete. In dieser Stellung bei einem so bedeutenden Manne wurde Eccard eingeweiht in die Verhältnisse der höheren Diplomatie und Staatskunst, wie auch in das Wesen der Archive und die Benutzung geschichtlicher Quellen. Er begleitete den Grafen von Flemming auf einer Reise durch Europa, auf der er sein altes Heimathland wieder grüßte; in Braunschweig wurde er Leibnitz empfohlen, mit dem er, durch gleiches Streben diesem geistig verwandt, sich eng befreundete.
Wohl mag Eckhart die Sehnsucht nach einem Friedensport in der Heimath empfunden haben, und durch Leibnitz’s Vermittlung bot sich ihm ein solcher wirklich dar. Letzterer empfahl den kenntnißreichen Freund zum Professor der Geschichte in Helmstädt, eine willkommene Stelle, welche Eccard annahm und von 1706 bis 1717 ehrenvoll bekleidete. Im Jahre 1713 erhielt er vom Kurfürsten von Hannover den Rathstitel und wurde zum Historiographen ernannt, doch blieb er noch eine Zeitlang in Helmstädt wirksam. Eccard ließ manche Werke erscheinen, machte verschiedene Reisen und sammelte auf denselben Urkunden und literarische Seltenheiten. Die Schriften Eccard’s waren zunächst außer einigen deutsch erschienenen Bänden »monatlicher Auszüge aus allerhand Büchern«, die lateinisch geschriebene [Ξ] »Geschichte des Studiums der Etymologie«, »über den alten Kirchengesang Te Deum«, die »Catechesis theotisca des Weißenburger Mönchs« u. a.; auch in der Poesie versuchte sich Eccard und gab, was er in derselben zu leisten vermocht, später unter dem Titel: »Poetische Nebenstudien« heraus. Als 1716 v. Leibnitz’s Tod erfolgt war, wurde niemand so würdig erachtet, dessen Stelle als kurfürstlicher Bibliothekar zu ersetzen, wie Eccard. Er trat 1717 dieses neue Amt an, wurde zum Hofrath ernannt, schrieb das große Hauptwerk »Corpus historicum medii aevi«, das 1723 zu Leipzig in 2 Folianten erschien, und wurde vom Kaiser Karl VI. in den Adelstand erhoben, und zwar in Folge seines Werkes: »Origines Austriacae«. Ehren und Ehrenstellen genug für den bedeutenden Mann, der aber nicht, wie sein großer Vorgänger, vermögend war und zusetzen konnte, sondern mit dem kärglichen Einkommen nicht ausreichte. Mitten im Glanze des Adels, der Titel und Würden und bei aller Anerkennung ließ man ihn ruhig verarmen und gab ihn den drängenden Mahnungen seiner Gläubiger Preis. Diesen sich zu entziehen, wanderte v. Eckhart zu Fuße und heimlich aus den Mauern Hannovers und hinterließ einen rührenden Brief an das Ministerium, in dem er offen seine Lage aussprach, schilderte, wie er selbst bei dem kärglichen Gehalt seiner Frau Vermögen habe zusetzen müssen, und darlegte, daß der Lohn all seiner sauern Arbeit Schande und Mangel sei. – Der arme Flüchtling, der Frau und Kinder und eine 80jährige Mutter im tiefsten Elend zurückließ, fand eine Zeitlang ein Asyl im Kloster Corvey. Die beschauliche Stille dieses berühmten Klosters, dessen reiche literarische Schätze, deren Benutzung freigestellt war, vielleicht auch Zureden mochten wohl einen Entschluß in v. Eckhart wecken, dessen Ausführung zugleich auch ohne Zweifel eine Verbesserung seiner zerrütteten Vermögensverhältnisse herbeizuführen verhieß. So erfolgte denn diese Ausführung entweder noch in Corvey oder in Köln, wohin v. Eckhart von Corvey aus empfohlen ward. Er trat 1723 zur römischen Kirche über und fand in ihr die Rettung vor gänzlichem Verfall; er lebte, mit guten Mitteln unterstützt, geistig gehoben und hoch angesehen ohne ein besonderes Amt in Köln, galt als einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit, dessen einsichtvoller Rath selbst von Fürsten nicht selten erbeten wurde, ja sogar Papst Innocenz XII. vernahm von dem hochgelehrten deutschen Konvertiten und ließ ihm Beweise seiner Achtung zugehen. Wunderbar erhebend war die Wendung des Geschickes dieses so gelehrten und tüchtigen Mannes, dessen reiches Wissen in den Gebieten der Geschichte und Sprache auch die Naturgeschichte mit umfaßte und dessen ungeheurer Fleiß anerkannt gründliche Werke schuf. Er wurde an mehrere geistliche Höfe, selbst nach Wien und Mailand, wie nach Rom verlangt, gab aber dem Rufe des geistvollen Fürstbischofs von Würzburg, Johann Philipp von Schönborn, den Vorzug, der v. Eckhart zu seinem wirklichen Hofrath, wie zum Universitätsbibliothekar ernannte, und so begann für v. Eckhart ein neues Leben und eine erwünschte Wirksamkeit in der fränkischen Metropolis. Er stieg bis zum Geheimrath, wirkte segensreich für die Universität zu Würzburg, ordnete das reiche Domarchiv und wurde der beste, gründlichste Geschichtschreiber des östlichen Frankenlandes durch seine Commentarii de rebus Franciae orientalis et ejusque ducatus episcopatus Wirzburgensis, die zu Würzburg 1729 und 1731 in 2 Foliobänden erschienen, v. Eckhart arbeitete auch eine Geschichte der Stadt Würzburg aus und begann ein Werk über die Denkmäler des alten Deutschlands, welches aber nie im Druck erschien, da der Tod dessen gründlichen Urheber noch vor der Vollendung überraschte, sodaß er nicht einmal das Erscheinen des 2. Theils seines ostfränkischen Geschichtswerkes erlebte. Die Handschriften sind indeß noch vorhanden und im Besitz der Universitätsbibliothek zu Würzburg. Außer den angeführten wichtigsten Schriften v. Eckhart’s schrieb derselbe auch noch eine ziemliche Anzahl kleinere. Er lebte, vom Fürstbischof hochgeschätzt, mit seiner Frau und zwei Söhnen in stillem Schaffen glücklich, entdeckte Marmorbrüche bei Würzburg und im Spessartwalde Achate, und deckte die wunderliche Selbsttäuschung des Professor Behringer zu Würzburg auf, der künstlich geschnitzte und heimlich vergrabene Thier- und andere Gebilde aus einem weichen Stein für Versteinerungen hielt, die er in einem eigenen Werk in Folio beschrieb und in Kupfer gestochen zu Tage brächte, v. Eckhart brachte sein Leben nur auf 55 Jahre und endete an der Wassersucht.