Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Huldrich Zwingli
Der dritte im reformatorischen Ruhmesbunde! Luther,
Calvin und Zwingli, das große Dreigestirn des sechzehnten
Jahrhunderts in seiner geistigen kirchenverbessernden
Bewegung. Geboren in der Grafschaft
Toggenburg zu Wildenhausen, wo sein Vater als
Amtmann mit zahlreicher Familie lebte, war Zwingli
unter 8 Brüdern der dritte, genoß den zu höhern
Studien vorbereitenden Schulunterricht zu Bern und
wandte sich dann, um Philosophie und Theologie zu
studiren, nach Wien und Basel. Er wurde in Basel
Rector zu St. Martin und erwarb 1506 die Magisterwürde;
im Jahr 1506 nahm er einen Ruf als Prediger
zu Glarus an. Eine Reihe von Jahren verwaltete
er dieses Amt mit aller Treue; es gab ihm Muße zur
Forschung, welche ihn durch eifriges selbstständiges Studium
der Bibel die Gebrechen der Kirche gewahr nehmen
ließ. Als in den Jahren 1512 bis 1515 die Schweizerkantone
vom Papst gegen Frankreich zum Kriege aufgeboten
wurden, zog Zwingli mit der Mannschaft von
Glarus als Feldprediger, und empfing dafür zwei Jahre
lang vom Papst ein Gratiale von 50 fl. Nach Beendigung
des Krieges erhielt er eine Berufung zum
Prediger in Maria Einsiedeln, dem berühmten Wallfahrtsort,
und gerade an dieser Stelle, wo Reliquienkram,
blinder Glaube, Wallfahrtung die höchsten
Triumphe feierten, erweckte Gott Zwingli’s Geist, sich
diesem Unwesen entgegenzusetzen, Anfangs nicht stürmisch,
sondern mit kluger Vorsicht, bis der Ablaßkrämer B. Samson
in der Schweiz denselben Unfug zu treiben begann,
wie Tetzel 1516 und 1517 in Sachsen. Zwingli’s
Ruf stieg und man berief ihn als Prediger am Dom
nach Zürich. Dort begann er seine neue Amtsthätigkeit
an seinem 35sten Geburtstag, am 1. Januar
1519, mit einer Predigt, voll reformatorischen Geistes,
und da dieser ersten viele andere gleichen Inhaltes
folgten, so konnte es nicht fehlen, daß er eine Pfaffenpartei
aus den eignen Kollegen, den Domherren am
Züricher Münster gegen sich in die Schranken rief,
die ihn beim hohen Rathe verklagten und 21 ketzerische
Sätze, die er gelehrt habe, gegen ihn aufbrachten.
Allein diese Klage hatte nur die Folge, daß der
Magistrat gebot, das Evangelium solle hinfort in der
[Ξ] geläuterten Weise, wie Zwingli es lehrte, im ganzen
Canton Zürich gelehrt werden, der Ablaßprediger
Samson solle sammt seinem Reliquienkram den Canton
meiden und Zwingli unangefochten das Wort
Gottes fernerhin lauter und rein predigen. So
ward dem Reformator Zürichs ein Sieg fast ohne
Kampf zu Theil; er errichtete auch ein Gymnasium zu
Zürich, dessen Rektor er später wurde, empfahl seinen
Anhängern die Schriften Luther’s, und stimmte nur
darin nicht ganz mit Luther überein, daß dieser, nach
seiner Ansicht, noch viel zu viel vom alten Kirchen
Wesen beizubehalten trachte, so wie Zwingli Werth und
Gewicht darauf legte, bereits ein Jahr früher als
Luther, schon 1516, den Ablaßkram öffentlich bekämpft
zu haben. Je mehr Klagen die römische Kirche gegen
Zwingli erhob, um so kräftiger schützte ihn der Magistrat;
vergebens verschrieen ihn die Dominikaner als Ketzer,
weil er gegen die Fasten gepredigt, und siegreich vertheidigte
Zwingli im Jahre 1523 in einem zahlreich
besuchten Religionsgespräche die von ihm aufgestellten
67 Glaubensartikel, in denen er alle veralteten und überflüssigen
Satzungen der römischen Kirche verwarf, die
nicht den Kern der Christuslehre bildeten, sondern eine
Schaale aus Menschensatzungen und Pfaffenerfindungen.
Vergebens suchte nun Rom den Reformator mit Verheißungen
zu locken; bei einem zweiten Religionsgespräch
1523 verwarf er öffentlich den Bilderdienst
und die altkatholische Form der Messe, und bewirkte
die Abschaffung beider, wie die Aufhebung der Klöster
im nächstfolgenden Jahre. Am 13. April 1525
hielt Zwingli zum ersten male das Abendmahl in beiderlei
Gestalt, aber leider begann auch in demselben
Jahre der unselige Abendmahlstreit mit und gegen
Luther, der in seiner Heftigkeit die symbolische Deutung,
welche Zwingli dem Brot und Wein als Leib
und Blut Christi im Abendmahl gab, unbedingt verwarf
und dadurch die trübe Spaltung zwischen Lutheranern
und Zwinglianern, später Protestanten und
Reformirten hervorrief. Vergebens suchte Landgraf
Philipp von Hessen die streitenden Parteien durch das
Religionsgespräch zu Marburg 1529, dem Luther wie
Zwingli in Person beiwohnten, völlig zu einigen. Man
begegnete sich gegenseitig mit Achtung und Liebe, aber
man einigte leider nur sich darüber, über den Hauptpunkt
uneinig zu bleiben. Wäre der wahrhaft fromme,
geistesklare und sanfte Zwingli länger am Leben geblieben,
so wäre ihm vielleicht doch noch das Werk der
Einigung gelungen, allein er opferte sich, indem er,
da Zürich mit den umliegenden katholisch gebliebenen
Cantonen Krieg führen mußte, als Bannerträger des
Cantons dem Heere muthig voran schritt. Die Schlacht
von Koppel entbrannte, die Züricher wurden geschlagen,
ihr Reformator fiel. Die siegreichen Feinde wütheten
gegen seinen Leichnam, viertheilten und verbrannten
ihn. Seinen Nachruhm konnten sie nicht von der Erde
vertilgen, rein und fleckenlos blühte dieser aus der
Asche des Getödteten empor.