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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Gottfried Wilhelm von Leibnitz

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Gottfried Wilhelm von Leibnitz
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 225–226
Herausgeber:
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Gottfried Wilhelm von Leibnitz.
Geb. d. 3. Juli, nach Andern d. 21. oder d. 24. Jan. 1646, gest. d. 14. Nov. 1716.


Als Philosoph, als Rechtsgelehrter und Staatsmann, ja als Polyhistor und Kosmopolit einer der hervorragendsten Geister im Kreise vaterländischer Berühmtheiten. Sein Vater, Friedrich Leibnitz, zu Altenberg in Meißen geboren, hatte in Leipzig studirt und sich dort als Rechtsgelehrter und Professor niedergelassen, so wurde Leipzig die Ehre, Geburtsort und Vaterstadt des großen Mannes zu werden.

Als Knabe erhielt Leibnitz eine dem Stande des hochgebildeten Aelternpaares angemessene Erziehung, ward Schüler der Nicolaischule und des berühmten Thomasius. Ein treffliches Gedächtniß für das auswendiglernen klassischer Poesien und eigne dichterische Begabung zeigten bald des Knaben geistige Richtung, und ungleich früher als andere reifte er höheren Studien entgegen. Mit dem fünfzehnten Jahre schon wurde Leibnitz akademischer Bürger, legte den Grund zu einem nicht oberflächlichen, sondern gediegenen Vielwissen alter und neuer Wissenschaften, und ging später auf ein Jahr eigens nach Jena, um bei Erhardt Weigel Mathematik zu hören, worauf er das zu den sieben Wundern von Jena gezählte Weigel’sche Haus verließ und sich nach Leipzig zurück begab, die philosophische Doktorwürde im 18. Jahre erwarb und seine schriftstellerische Laufbahn gleichzeitig begann. Da es ihm mißlang, die Würde eines Doctor juris ebenfalls in Leipzig zu erlangen, so erwarb er diese 1766 in Altdorf, nahm aber eine ihm dort sich bietende Professur der Jurisprudenz nicht an, sondern begab sich nach dem nahen Nürnberg, wo er sich in die mystischen Grübelforschungen der Kabbala und Alchymie versenkte, doch riß ihn sein guter Genius aus diesen Irrgärten voll früchteloser Bäume.

Die Bekanntschaft mit dem Kanzler des Kurfürsten von Mainz, Freiherrn von Boineburg, der einem Adelsgeschlecht entstammte, welches der Wissenschaft wie dem Kriegsruhme eine große Anzahl bedeutender Männer stellte, führte Leibnitz nach Mainz, wo ihn der Kurfürst zum Rath ernannte. In die Zeit seines Mainzer Aufenthaltes fällt die Abfassung mehrer wichtigen Schriften, dann geleitete er 1772 die Söhne von Boineburgs nach Paris und London und machte die willkommenste [Ξ] Bekanntschaft gleichstrebender und ausgezeichneter Gel lehrten, La Hire, Malebranche, des Belgiers Christian Huyghens, der Engländer Newton, John Collins, John Wallis, des berühmten Mathematikers und Sprachforschers u. a. und trat mit ihnen in wissenschaftliche Verbindung. Die pariser Akademie ehrte den gelehrten Deutschen durch die Aufnahme zu ihrem auswärtigen Mitglied, und später wurde Leibnitz, nach Deutschland zurückgekehrt, Bibliothekar des Herzogs von Braunschweig in Hannover. Dort lebte und wirkte er nun in erwünschtester, fruchtbringendster Thätigkeit.

Gleichzeitig mit Newton wurde Leibnitz Erfinder der Differentialrechnung, für sich erfand er eine arithmetische Maschine, deren Herstellung ihm 24,000 Thaler gekostet haben soll, schrieb ein Werk über das Gesandtschaftsrecht der deutschen Fürsten und sammelte auf Reisen, die er bis nach Italien erstreckte, Materialien zu einer diplomatischen Geschichte des Hauses Braunschweig, welche auch, in lateinischer Sprache verfaßt, in mehren Foliobänden erschien. Auf dem Wege der Erfindungen weiter gehend, mühte sich Leibnitz mit einer Pasigraphie, einer Weltsprache, die allen Nationen verständlich sein sollte, allein die Sprachen lassen sich nicht behandeln wie mathematische Formeln, der Versuch wurde nicht vom Glück gekrönt; ebenso ging es mit einer Idee, die kirchliche Spaltung zwischen Protestantismus und Katholicismus zu heilen und die getrennten Religionsparteien zu versöhnen und zu einigen.

Auf Leibnitz Veranlassung gründete König Friedrich I. von Preußen die Berliner Akademie der Wissenschaften, zu deren Präsidenten Leibnitz erwählt wurde, und anderweite Anregungen bei anderen Fürsten des Reichs würden wohl gleichen Erfolges sich erfreut haben, wenn nicht der nordische Krieg diese auf die Grundlage des Friedens gebauten Entwürfe zerstört hätte.

Leibnitz strebte dahin, ein Reformator in der Wissenschaft zu werden, wie Luther es in der Kirche geworden und gewesen; dahin lenkte er den Schritt, nicht Systeme wollte er gründen, welche die Wissenschaft nur in die Bande und Knechtschaft der Parteiung schlagen, sondern erstere frei machen und allgemein, wie das Sonnenlicht. Selbst die Theologie wollte er mit der Philosophie versöhnen. Leibnitz’s Lehre von den Monaden (Einheiten) beseelte das Weltall, wie nach der neuern Naturforschung alles animale und vegetabile Leben seinen Urgrund und Ursprung in der Zelle hat, im Bläschen, und alles körperliche aus Zellen besteht, gebaut und gefügt ist – so erblickte der tiefe Denker das All aus geistigen Wesenheiten zusammengesetzt und von ihm durchdrungen. Diese Lehre wurde vielfach mißverstanden und noch häufiger gar nicht verstanden, und mußte sich gefallen lassen auch für eine der vielen Spielereien des philosophirenden Geistes zu gelten, mit denen nichts praktisches bewießen und nichts erfolgreiches und glückbringendes gewonnen wird. Wenig besser erging es seiner Theodicee, der Verherrlichung der götlichen Weisheit, in welcher das System des Optimismus (die Lehre von der besten Welt) sich ausprägte, aber vielfache Anfechtung erlitt, und noch einigen andern philosophischen Lehren; dies und das Fehlschlagen mancher anderen heißgenährten Hoffnungen trübte den großen, scharfsinnigen und fruchtbaren Denker seinen Lebensabend, obschon er dem irdischen Glück und allen äußeren Ehren im Schooße saß. Leibnitz besaß zu Hannover ein stattliches Haus, im Jahre 1711 hatte ihn der Kaiser zum Reichshofrath ernannt und den Barontitel ihm ertheilt, der Czaar von Rußland hatte ihm den Titel und Rang eines Geheimen Rathes verliehen, und eine Pension von jährlich 1000 Dukaten, der König von England ernannte ihn zum geheimen Justizrath und Historiographen. Leibnitz starb unvermählt im 70sten Lebensjahre, und hinterließ den Ruhm nicht nur eines der größten Gelehrten, sondern auch eines Ehrenmannes von trefflichem Charakter, von leutseligem Sinn und Gemüth, frei vom Dünkel gelehrtthuender Ephemeren, von einer wahrhaft liebenswürdigen Milde im Urtheil, voll Billigkeit gegen andersdenkende und Gegner. Seiner Schriften sind überaus viele, er schrieb sie mit gleicher Gewandtheit in deutscher, lateinischer und französischer Sprache.