Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Friedrich Wilhelm Freiherr von Seydlitz
Einer der tapfern und berühmten Heerführer des großen
Preußenkönigs, geboren zu Kalkar, nach andern
zu Rees bei Kleve. Von Seydlitz stählte sich durch
gymnastische Uebungen frühzeitig für den Kriegsdienst,
und trat schon im 12. Jahre beim Markgrafen Friedrich
Wilhelm von Brandenburg-Schwedt als Page ein.
Unter diesem oft tollkühnen Gebieter fand v. Seydlitz
volle Gelegenheit, der eigenen Neigung zu fröhnen,
und indem er Theil nahm an den ritterlichen Unternehmungen
des Markgrafen, oft auf den wildesten
Pferden, sogar auf Hirschen, durch bewegte Windmühlenflügel
zwischen durch, errang er sich die Kühnheit
und Unerschrockenheit, die sein späteres Leben auszeichneten.
Vorn Pagen wurde Seydlitz durch seinen
Gebieter zum ersten Cornet bei dessen Kürassierregiment
befördert und machte mit diesem seinen ersten
Feldzug im ersten schlesischen Kriege mit, in welchem
er sich so auszeichnete, daß ihn der König im Jahre
1742 als Rittmeister an die Spitze einer Husarenschwadron
im Regiment Natzmer stellte. Obschon
Seydlitz das Misgeschick gehabt hatte, in Gefangenschaft
zu gerathen, war doch seine Auswechslung bald
erfolgt. Nach dem Ausbruch des zweiten schlesischen
Krieges zeichnete er sich besonders in der Schlacht bei
Hohenfriedberg aus, machte in derselben den sächsischen
General Schlichting zum Gefangenen, und wurde, noch
nicht 24 Jahre alt, vom Könige dafür zum Major
ernannt. Bei Soor empfing er eine Wunde, und bei
Zittau machte er einen sehr erfolgreichen Cavallerieangriff,
und nach geschlossenem Frieden übte er seine
Husaren so auf eine zwar strenge, aber zugleich auch
wohlwollende und stets mit eigenem bestem Beispiele
vorangehende Weise im Reitereidienst, daß seine Schwadron
es allen übrigen in der ganzen preußischen Armee
zuvorthat. Er organisirte das Dragonerregiment Prinz
Friedrich von Würtemberg zu Treptow als dessen Commandeur,
dann in Schlesien das Cürassirregiment von
Rochow, an dessen Spitze ihn der König 1755 als
Oberst stellte. Durch seine ausgezeichnete Kenntniß des
Cavalleriedienstes führte v. Seidlitz die preußische Kavallerie
in das Stadium einer neuen Aera, wie es bei
Fürst Leopold von Dessau mit der Infanterie der Fall
[Ξ] war. Bald nach dem Ausbruch des siebenjährigen
Krieges wurde v. Seidlitz einer von dessen gefeierten
Helden; er trug wesentlich zum Erfolg der Schlacht bei
Lowositz bei, deckte bei Kollin mit der Cavallerie des
linken Flügels den Rückzug, und wurde Generalmajor.
Als Berlin von Haddick genommen war, eilte v. Seydlitz
der geängstigten Stadt zu Hülfe, dann zog er nach
Sachsen, und überrumpelte von Erfurt aus Gotha,
an dessen Hofe der Prinz von Soubise und die hohe
französische Generalität sorglos wellten, die nun in
einer fast lächerlichen Eile ihr Hell in der Flucht suchen
mußten. Jetzt ernannte der König Seydlitz zum Chef
der gesammten Kavallerie der preußischen Armee, und
Seydlitz wurde der hauptsächlichste Held der Schlacht
bei Roßbach, denn ungleich mehr der Cavallerie, als der
Infanterie und Artillerie wurde jener große Sieg
verdankt, doch empfing er auch eine Wunde. Der
König verlieh ihm den schwarzen Adlerorden und ernannte
ihn zum Generallieutenant. Auch bei Zorndorf
rettete er die schon fast verlorene Schlacht, nahm dem
Feind die von ihm schon eroberten preußischen Kanonen
wieder und noch 120 von dessen eigenen dazu;
20 Fahnen feindlicher Regimenter fielen in die Hand
des Siegers. Bei Hochkirch machte v. Seydlitz abermals
einen Rückzug durch geschickte Deckung desselben
möglich. In der unglücklichen Schlacht bei Kunnersdorf
wurde auch Seydlitz verwundet und mußte deshalb
vom Heere scheiden; er suchte seine Herstellung in
Berlin, und vermählte sich dort 1760. Sobald als
ihm möglich war, wieder ein Pferd zu besteigen, that
Seydlitz dies mit ungebrochenem Muthe; er vertheidigte
Berlin tapfer gegen v. Tettenborn und Lascy, und
focht unter den Fahnen des Prinzen Heinrich von Preußen
bei der in Sachsen stehenden Armee den Rest des
Krieges vollends mit durch, wo ihm wieder die Schlacht
bei Kreiberg Gelegenheit bot, sich rühmlichst auszuzeichnen.
Als der Friede geschlossen war, ernannte
der König seinen tapfern Reiterführer zum General-Inspektor der ganzen in Schlesien stehenden Kavallerie
mit dem Standquartier in Ohlau, wo gleichsam eine
höhere Musterschule für den praktischen Cavalleriedienst
unter seiner Leitung bestand, dessen anstrengende und
oft tollkühne Uebungen manchem jungen Reiter den Hals kosteten. Zum General ernannt, blieb Seydlitz,
was er war, ganz Kavallerist, und lebte sein Soldatenleben
als solcher aus. In sinnlichen Genüssen hielt
er wenig Maß, und höhere feinere Lebensfreuden waren
ihm entrückt. Der König bewies ihm die höchste Achtung,
doch suchte er nicht auf die Dauer Seydlitz’s Umgang.
Der Ausschweifung im Genuß der physischen
Liebe wird es zugeschrieben, daß v. Seydlitz frühzeitig
alterte, gleichwol dürften daran die furchtbaren und oft
anhaltenden körperlichen Anstrengungen des mit so viel
Vorliebe gepflegten Cavalleriedienstes und der Feldzüge
nicht mindern Antheil gehabt haben. Im April
1772 traf ihn ein Nerven-Schlaganfall, ohne jedoch
seinem Leben sogleich ein Ende zu machen. Der König
besuchte ihn noch im Jahre 1773 und beklagte schmerzlich
die nahe und allzufrühe Trennung von einem seiner
tapfersten Generale. Am 7. November 1773
führte der Tod den bewährten Krieger sanft in die
Gefilde des ewigen Friedens. Seydlitz ruht auf seinem
Gute Minkowski in Schlesien, sein Denkmal ziert
Berlin, das Andenken an ihn als Feldherr und Reiter
General wird stets ein gefeiertes sein.